,, Die Mitternacht war kalt und stumm; Ich irrte klagend im Wald herum.

Ich habe die Bäum' aus dem Schlaf gerüttelt, Sie haben mitleidig die Köpfe geschüttelt...."

Die Zeit von Heine's   berliner Aufenthalt ging ihrem Ende zu, und wir wollen hier nur noch erwähnen, daß sich der junge Dichter auch den damals von Berlin   aus angeregten jüdischen Reformbestrebungen mit großer Begeisterung anschloß. Eine Anzal talentvoller, freidenkender junger Männer beabsichtigte durch diese Reformbestrebungen eine allmälige Befreiung der Juden von den ihnen durch die Gesellschaft auferlegten Fesseln zu erwirken; Heine  hat unter dieſen energischen Kämpfern für die gesellschaftliche Freiheit manchen warmfülenden Freund gewonnen, so vor allem den strebsamen, hochgebildeten Moses Moser   und den Mit begründer und nachmaligen langjärigen Leiter des Magazins für die Literatur des Auslandes", Joseph Lehmann  .

Als Heine in den ersten Tagen des Mai 1823 Berlin   ver­ließ, trug er sich bereits mit dem Gedanken, nach Paris   zu gehen und dort als Schriftsteller für die Verbreitung und das Ver­ständniß der deutschen   Literatur in Frankreich   zu wirken. Denn er hatte vorläufig noch nicht die geringste Neigung, zum Christen­tum überzutreten, was er hätte tun müssen, wenn er in Deutsch­ land   die Juristenkarriere, etwa als Advokat oder im Staatsdienst, antreten wollte; außerdem ärgerte es ihn, daß ihm im Vaterlande seine jüdische Nationalität fort und fort zum Vorwurf gemacht wurde und ihm die verschiedenartigsten Hindernisse bereitete.

Des Dichters Eltern hatten seit einem Jare das Städtchen Lüneburg   zum Wohnsitz genommen; der Vater war durch zu nemende Kränklichkeit zur Liquidation seines düsseldorfer Ge­schäfts gezwungen worden und lebte jetzt mit den Seinen von den bescheidenen Zinsen, die das aus dem Erlös der Masse und dem Verkauf des Hauses erzielte Kapital abwarf. Vorher hatten sich die Eltern kurze Zeit in der Stadt Oldesloe   im südöstlichen Holstein aufgehalten. Nach Lüneburg   ging jezt H. Heine   zu nächst, um für sein immer heftiger werdendes Nervenübel in stiller Zurückgezogenheit Linderung zu suchen und sich weiter zur Aus­fürung seiner Pläne vorzubereiten. Konnte schon an und für sich das Leben in der kleinen hannöverischen Provinzialstadt für ihn in keiner Weise anregend sein, so mußte er sich dort noch umsomehr langweilen, als die in ziemlich ärmlichen Verhält nissen lebende Familie des Dichters seit ihrem furzen Aufenthalt daselbst nur erst ganz wenige Bekanntschaften anzuknüpfen ver­mocht hatte. Es kann ja auch für einen jungen unbekannten Dichter, der nicht das Glück hat, einem sogenannten vornemen Hause anzugehören, kaum einen unerfreulicheren Aufenthalt geben, als den in einer Kleinstadt, wo das leidige Spießbürgertum ihn mit neugierigen Blicken und schwaßzhaften, nicht selten verleumde rischen Zungen verfolgt und das stolze Häuflein der Hono­ratioren" verständnißlos und naserümpfend an ihm vorbeigeht. Und für Heine   mußte der Aufenthalt im elterlichen Hause um so unerträglicher sein, je weniger Glauben an sein poetisches Ta­lent er bei den Seinen vorfand. Er suchte sich über die Ein­tönigkeit des Augenblicks durch die Lektüre einiger Werke und eine lebhafte Korrespondenz, die er mit seinen Freunden unter­hielt, hinwegzusehen, und entschloß sich dann in der ersten Woche des Juli nach Hamburg   zu reisen, um mit seinem Onkel Salo­mon Rücksprache über seine Zukunftspläne zu nemen und wo­möglich für dieselben die Unterstützung des reichen Bankiers zu gewinnen. Seine Absicht wurde aber vereitelt, da der Oheim eben eine längere Geschäfts- und Erholungsreise anzutreten im Begriff war, und er erhielt von ihm nur zehn Louisd'or zum Geschenk, um eine ihm vom Arzt angeratene Badereise nach Eur­haven unternemen zu können.

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Im frischen Seebade fand er Stärkung für seine Nerven und im Anblick des wunderbaren Meeres, das er damals zum ersten mal mit leiblichen Augen sah, neue poetische Anregungen, denen Lieder, wie: Eingehüllt in graue Wolken", Der Wind zieht seine Hosen an"," Der Sturm spielt auf zum Tanze" " Wir saßen am Fischerhause"," Du schönes Fischermädchen", ,, Du schönes Fischermädchen", ,, Der Mond ist aufgegangen", ,, Auf den Wolken ruht der Mond  ", Der Abend kommt gezogen", ,, Wenn ich an deinem Hause", ,, Das Meer erglänzte weit hinaus" u. a. ihren Ursprung verdanken.

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Gegen Anfang September nach Hamburg   zurückgekehrt, kam auch jetzt des Dichters Absicht, nach Paris   überzusiedeln, seinem Dheim gegenüber nicht zur Sprache, da infolge der leidigen Geldangelegenheiten eine Verstimmung zwischen den beiden ein­

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getreten war. Nichtsdestoweniger gewärte ihm der im Grunde gutmütige Onkel die Mittel für ein weiteres einjäriges Studium, damit sich der Neffe doch ja den Doktorgrad erwerbe. Heine  hatte jetzt den festen Entschluß gefaßt, sich eifrig dem Studium der Jurisprudenz hinzugeben, um sich bald sein Brod selbst zu verdienen, und in Zukunft seinen Onkel nicht mehr um Unter­stüßung angehen zu müssen: Ich will aus der Wagschale der Themis mein Mittagsbrot essen," schrieb er ,, und nicht mehr aus der Gnadenschüssel meines Oheims". Ende September befand sich Heine   schon wieder in Lüneburg  , eifrig privatim juristische Studien treibend, dabei dem dichte­rischen Schaffen jedoch nicht entsagend. Außer den bereits be­zeichneten Liedern der Heimkehr", die in Hamburg   und Cux­Haven gedichtet wurden, sind fast alle Gedichte dieses Cyklus darunter auch die herrliche Lorelei- Ballade: Ich weiß nicht, was soll es bedeuten" im Herbst von 1821 in Lüneburg   entstanden. Am 19. Januar 1824 reiste er nach Göttingen  , nachdem er sich am 24. Dezember des vorhergehenden Jares in Berlin   hatte exmatrikuliren lassen. In Göttingen   studirte er nun die Rechts­wissenschaft etwas eifriger als früher, reiste jedoch in den letzten Märztagen schon wieder einmal nach Berlin  , kehrte nach vier­wöchentlichem Aufenthalte nach Göttingen   zurück, hörte, da die traurige Notwendigkeit ihn nun einmal dazu drängte, die für das Eramen unerläßlichen Vorlesungen, beschäftigte sich neben­her mit dem Roman Der Rabbi von Bacharach" und unter­nam im September eine vierwöchentliche Fußreise durch den Harz  und Thüringen  , auf der er auch Goethe in Weimar   besuchte und der wir die anmutigen, bezaubernd schönen Lieder der Harz­ reise  " verdanken.

Das Jar 1824 ging zu Ende und Heine   hatte noch immer das Doktor- Examen nicht gemacht. Sein Oheim gab ihm einen weiteren Geldzuschuß für noch ein halbes Jar, betonte aber aus­drücklich, daß er ihm unter feiner Bedingung eine fernere Unter­stüßung werde angedeien lassen, bevor er ihm nicht seine erfolgte Promotion angezeigt. So meldete sich Heine denn endlich zum Examen, und wurde, nachdem er dasselbe mit Mühe und Not bestanden, am 20. Juli 1825 zum Doktor beider Rechte ernannt. Vorher war Heine  , wenn auch mit innerstem Widerwillen, doch aus den schon angegebenen Gründen endlich dazu gezwungen, zur evangelischen Kirche übergetreten in dem preußischen Dert­chen Heiligenstadt  , unweit Göttingen  , wurde seine Taufe am 28. Juni 1825 in aller Stille vollzogen. Im Herzen ist Heine  niemals ein Christ geworden; seit dem Tage seiner Taufe hatte er sich im Innersten mit sich selbst entzweit

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Zum Zeichen seiner Anerkennung, daß sich der Neffe nun­mehr den Doktorhut erworben, gab ihm Salomon Heine   jezt die Mittel zu einem Aufenthalt auf der Insel Norderney  , wohin der Dichter im Sommer ging. Er fülte sich auf der einsamen Insel geistig und körperlich sehr wol und schuf hier den ersten Cyklus seiner unvergleichlichen ,, Nordseebilder". Von Norderney  zurückgekehrt, hielt er sich wieder kurze Zeit bei seinen Eltern in Lüneburg   auf, jezt als Dr. juris hoch angesehen, und kam dann Mitte des November mit dem Plane nach Hamburg  , sich hier als Advokat niederzulassen, ein Plan, den er jedoch sehr bald wieder aufgab, da es ihm immer mehr zum Bewußtsein gelangte, daß sein ganzes Wesen der trockenen Juristerei widerstrebe. Mit dem Buchhändler Julius Campe  , einem flugen, energischen, um die Verbreitung freisinniger deutscher   Literatur hochverdienten Manne, bekannt geworden, trug er diesem den Verlag seiner Reisebilder" an. Campe akzeptirte denn auch gegen ein ein­maliges Honorar von fünfzig Louisd'or den ersten Band dieser Lieder und interessanten Feuilletons, welcher gegen Ende Mai des Jares 1826 zu Hamburg   erschien. Obwol Heine selbst keine großen Erwartungen auf den Erfolg des Buches hegte, war die Wirkung doch eine bligartige, durchschlagende.

Der erste Band der Reisebilder" enthielt die. Lieder der Heimkehr", die Lieder und die humoristische Prosadichtung der " Harzreise  " und die erste Abteilung der Gedichte Nordsee  ". Vor allem rief die" Harzreise" das unerhörteste Aufsehen hervor, und das hatte seinen guten Grund. Ein kühner, überlegener Geist goß hier die äßende Lauge seines Spottes über ein in jämmerlich kleinlichen Interessen dahinlebendes Philistertum, über die ekelhafte Rauf- und Sauflust der meisten studentischen Kreise von damals, über den leeren Formeltram der göttinger Gelehrten weisheit, über die Verlogenheit und Gespreiztheit der literarischen Welt jener Tage aus. Sein übermütiges Gelächter, sein gellender Hohn rüttelte die Geister aus ihrem Schlafe auf, und sich aus