gleichgiltiger Ruhe erhebend, wollten sie selbst kaum glauben an Sen mittelalterlichen Spuk, von dem sie geträumt; sie waren wie geblendet von dem warmen Sonnenstral des Lebens, der ihnen aus diesen leicht dahinfließenden, wolgeformten Zeilen entgegen­flutete, und gelangten so endlich zum Bewußtsein von der Tor­heit und Erbärmlichkeit der Daseinsformen und Verhältnisse ihrer Zeit, dem Dichter nachsprechend:

Schwarze Röcke, seidne Strümpfe, Weiße, höfliche Manschetten, Sanfte Reden, Embrassiren,

Ach, wenn sie nur Herzen hätten!"

Die Nordseebilder", diese reimlosen, in wechselvollem Rhythmus einherschreitenden Gedichte gehören zu dem schönsten, was die Poesie aller Zeiten hervorgebracht hat; nichts kann anziehender und er­greifender sein, als die mannichfaltigen Wechselbeziehungen zwischen der von den verschiedensten Stimmungen, bald wild, bald leise bewegten Dichterseele, und dem majestätischen, bald grollend sich aufbäumenden, bald wiegenliedheimlich rauschenden Meere, reizvolle Gedankenspiele, die in allen diesen Nordseegedichten

walten.

Heine hat auch den durchaus reformatorischen Charakter unsers Jarhunderts, der, Dummköpfe, Heuchler und Feigherzige mögen sagen, was sie wollen, mit innerster Notwendigkeit zu seinem Ziele drängt und es erreichen wird, erreichen muß, Heine hat diesen Charakter am tiefsten erkannt und gesagt: Heuchlerische Duck­mäuser, die unter der Last ihrer geheimen Sünden niedergebeugt einherschleichen, wagen es, ein Zeitalter zu lästern, das vielleicht das heiligste ist von allen seinen Vorgängern und Nachfolgern, ein Zeitalter, das sich opfert für die Sünden der Vergangenheit und für das Glück der Zukunft, ein Messias unter den Jar­hunderten, der die blutige Dornenkrone und die schwere Kreuzes­last kaum ertrüge, wenn er nicht dann und wann ein heiteres Vaudeville trällerte und Späße risse über die neueren Pharisäer und Saduzäer. Die kolossalen Schmerzen wären nicht zu er tragen, ohne solche Wizreißerei und Persiflage! Der Ernst tritt um so gewaltiger hervor, wenn der Spaß ihn angekündigt."

Im Sommer von 1826 befand sich Heine wieder auf Norderney , wo die zweite Abteilung der Nordseegedichte entstand, weilte dann

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wärend des letzten Jaresviertels abermals in Lüneburg und ging am 15. Januar 1827 nach Hamburg , um den Druck des zweiten Bandes der Reisebilder" persönlich zu überwachen. Dieser zweite Band erschien Mitte April des genannten Jares und rief wo­möglich noch größeres Aufsehen als der erste hervor. Das Urteil der Presse im ganzen war dem Werke indeß durchaus nicht günstig; alles zeigte sich durch die nie dagewesene Dreistigkeit, mit der der Dichter sich darin gegen alle Zustände und Meinungen der sogenannten Restaurationsperiode aussprach, auf das äußerste überrascht und verblüfft. Heine fürte von diesem Bande der ,, Reisebilder" an einen planmäßigen Kampf gegen die Aristokratie und das Pfaffentum, die im wesentlichen durch ihre sittliche Ver­sumpfung und Verrottung die französische Revolution herbeigefürt hatten; er begriff, daß es vor allem galt, die durch diese groß­artige Bewegung gewonnenen Güter zu verteidigen und zu hüten, wenn sie nicht in der Erschlaffung jener Tage wieder verloren gehen sollten.

Wie klar Heine das Ziel seines oben charakterisirten Kampfes im Bewußtsein gegenwärtig war, bezeugen u. a. folgende seiner Feder entstammende Worte: Was ist aber diese große Aufgabe unserer Zeit? Es ist die Emanzipation. Nicht blos die der Frländer, Griechen, frankfurter Juden, westindischen Schwarzen und dergleichen gedrückten Volkes, sondern es ist die Emanzipation der ganzen Welt, insonderlich Europas , das mündig geworden ist und sich jetzt losreißt von dem eisernen Gängelbande der Bevorrechteten, der Aristokratie. Mögen immerhin einige philo­sophische Renegaten der Freiheit die feinsten Kettenschlüsse schmie­den, um uns zu beweisen, daß millionen Menschen geschaffen sind als Lasttiere einiger tausend privilegirter Ritter; sie werden uns dennoch nicht davon überzeugen können, solange sie uns, wie Voltaire sagt, nicht nachweisen, daß jene mit Sätteln auf dem Rücken und diese mit Sporen an den Füßen zur Welt gekommen sind." Und in ähnlicher Weise hat Heine zu unzäligenmalen die soziale Frage als die brennendste unsres Jarhunderts und ihre Lösung als die Hauptaufgabe desselben bezeichnet, und ist somit auch einer der tätigsten und überzeugtesten Pioniere bei der harten Arbeit an der Befreiung und Veredlung des Menschen­geschlechts gewesen. ( Fortsetzung folgt.)

Mein Freund, der Klopfgeift.

Eine Spiritistengeschichte aus dem letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts. Von H. E.

( XII. Hanna Wunders Mitteilungen. Was mein Freund, der Klopf­geist, von mir verlangt.)

Die alte Hanna wendete sich hier ab und wischte sich mit der Schürze die Augen. Ob ich denn nicht vielleicht ihrem armen, unglücklichen Fräulein helfen könne, fragte sie, sie wäre so gut und schön, übermenschlich gut und schön, und es wäre warhaftig zu traurig, wenn ein so junges Blut sterben müsse; ich sei ja ein schwer gelehrter Herr und Doktor und da wüßte ich doch gewiß ein Mittel, daß sie nicht zu sterben brauche.

Ich belehrte sie, daß ich leider kein Arzt sei, so schmerzlich mich dies der vorliegende Fall auch bedauern lasse und daß über dem auch die Aerzte sehr vielen Leiden gegenüber, besonders Nervenleiden, wie eins Athanasia quäle, rathlos seien.

"

" Die Nerven, ja, ja, das ist's!" eiferte Hanna und fur sich wieder mit der Schürze nach den Augen. Und die Nerven hat sie erst bekommen, seit--" Sie wollte abbrechen. " Seit?" fragte ich gespannt.

-

" Nunach Gott, guter, bester Herr Doktor. Sagen Sie's nur ja meinem Herrn nicht, daß ich's verraten. Es wäre sonst gewiß mein Tod. Seit er sie zum Medium gemacht hat, da war's gleich alle, rein alle mit ihr. Sie nicht mehr ordent lich und trank kaum noch ein halbes Gläschen Wasser täglich und sonst garnichts, sie ging nicht mehr aus, sie hatte für nichts Teilname mehr es war eben aus. Und nach jeder Sigung wurd's schlimmer, und seit ein paar Wochen ist's gar nicht mehr auszuhalten. Sie fällt immerfort in Ohnmacht, spricht tagelang fein Wort, fist oft viele Stunden lang regungslos und ohne daß man auch nur merkt, daß sie atmet, auf einem Flecke kurz, man sieht, daß sie viele von den unglücklichen Sizungen nicht mehr aushält."

-

" Haben Sie eine Ahnung, wie geholfen werden könnte?" fragte ich sie.

Sie schüttelte den Kopf.

" Nein," sagte sie. Ich habe mich schon seit langer Zeit ab­gequält und bin auch zu Doktoren, d. h. zu solchen von der Medizin, gelaufen, heimlich heißt das, die aber haben den Kopf geschüttelt und haben von genauer Untersuchung gesprochen und auf den Spiritismus geschimpft, aber von Untersuchung will's Fräulein nichts wissen und von den Doktoren auch nicht und der Herr ist furchtbar böse geworden, als ich einmal gewagt hab', ihm von meinen Sorgen um's Fräulein zu sprechen und daß ' ne Kur notwendig wäre, oder daß die Sizungen auf eine Zeit lang lieber aufhören sollten."

Ich sprang, von tausenderlei Gedanken und Gefülen bestürmt, auf und ging raschen Schrittes im Zimmer hin und her.

Auch Hanna Wunder schien von ihren Empfindungen vollauf in Anspruch genommen. Gesenkten Hauptes und von mir ab­gewandt, mit der Schürze vor den Augen, stand sie da.

Nachdem ich zwei- oder dreimal das Zimmer durchmessen hatte, blieb ich vor ihr stehen:

"

-

Es muß geholfen werden, Frau Wunder, es muß. Athanasia darf nicht zugrunde gehen an diesen diesen spiritistischen Ex­perimenten ihres Vaters. Sagen Sie mir nur um Himmels­willen: wenn sie fült, wie sie dadurch mehr und mehr angegriffen, aufgerieben wird, weshalb läßt sie sich immer wieder dazu miß­brauchen? Cannabäus darf seine Tochter nicht dazu zwingen, sich ihm zu opfern, er darf nicht-"

Hanna Wunder war heftig erschrocken.

" Ich bitte Sie um alles in der Welt, Herr Doktor, sprechen Sie nicht so. Ich darf so etwas wenigstens nicht anhören. Unfre Athanasia wird nicht vom Herrn gezwungen, der Geist tut es ja. Freilich" Sie warf einen Blick nach der Tür, neigte sich zu mir hin und hielt die eine Hand vor den Mund, um mir vorsichtig leise zuzuflüstern: