Störfang in der Elbe  .

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Von H. Schlüter.

( Schluß.)

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Unser Stör( Acipenser Sturio) gehört zu den Schmelzschuppern, zur Ordnung der Knorpelstöre, deren einzige Familie, die Rüffelstöre, außer ihm nur noch wenig Repräsentanten hat. Die Thierordnung der Störe hat überhaupt nur wenig Arten, wärend die Vorwelt mit ihnen gar reichlich bedacht war, wie uns Spuren und Ueberbleibsel derselben in verschiedenen Gebirgsformationen zeigen. Wie man die Dickhäuter den Elephanten, das Nashorn u. s. w. als Erscheinungen einer Tierwelt aufgefaßt, die eigentlich ihre Zeit hinter sich hat, und die nur noch als die Ueberreste einer einst großen und weitverbreiteten Tierfamilie, die im Aussterben begriffen ist, auf uns gekommen sind, obgleich sie gewissermaßen mit der gegenwärtigen Entwicklungsperiode des Tierreiches in Widerspruch steht, so kann man auch von den Stören sagen, daß sie Ueberbleibsel einer großen Fischgattung das in der Fischwelt sind, was die Dickhäuter im Reich der Säuge­tiere darstellen. Wie der Dickhäuter mit seinem kolossalen Körperbau im Widerspruch zu den meisten Säugetieren steht, so steht auch der Bau des Störes im Widerspruch zum Bau der meisten Fischarten, und auch ihn können wir auffassen als Ueberbleibsel einer Thierwelt, welche sich mit der gegenwärtigen Entwicklungsperiode der Fauna im Wider­spruch befindet. Sein fnorpliches Gerippe, seine rüffelförmige, hecht artige und unbewegliche Schnauze, wie sein unterständiges zahnloses Maul, welches er trichterförmig vorstrecken kann und das einem Saug­apparat ähnelt, steht im Widerspruch mit den gleichen Organen der meisten Fischarten. Das verkümmerte Maul befindet sich an der un­tern Seite des Kopfes und ist von einer dicken Unterlippe umgeben. Vor demselben befinden sich vier Bärtel, an denen das Thier außer­ordentlich empfindlich ist, und welche ihm als Taftwerkzeuge dienen. Auch die Bekleidung des Fisches ist eine andere, wie die der meisten übrigen Fischarten. Dieselbe besteht nämlich aus fünf Reihen Knochen­schildern, welche, besetzt mit scharfen, dornartigen Knochenhaken in der Mitte einen Keil bilden, wodurch der Fisch eine fünfeckige Gestalt er­hält. Seine Schwanzflossen sind sichelförmig und ist besonders die obere von bedeutender Größe.

Die Farbe des Störs ist ein dunkles Braungrau, wärend die untere Seite glänzend silberweiß ist. Seine Länge beträgt gewöhnlich nicht mehr als zwei Meter, doch wird er bis zu sechs Meter lang und repräsentirt in diesem Falle das stattliche Gewicht eines kleinen Ochsen, nämlich bis 400 Pfund und darüber.

Der Stör ist kein eigentlicher Flußbewoner, sondern seine wirk­liche Heimat ist das Meer. Von hier geht er im April und Mai hin­auf in die Flüsse um daselbst geeignete Stellen aufzusuchen, seinen Laich abzuseßen. Man nam früher an, daß Witterungsumstände die Fische bewegen könnten, das Meer zu verlassen und die Flüsse zu be­suchen, allein dieses ist falsch. Wie bei allen Fischen, so ist auch beim Stör der Fortpflanzungstrieb die einzige Ursache seiner Wande­rung. Auf dieser dringt er mitunter sehr hoch in den Flüssen hinauf. So geht er z. B. in der Elbe   bis nach Böhmen   hinein und ist sogar in der Moldau gefangen worden. Freilich sind dies Ausnamen und der Hauptfang in der Elbe   ist unterhalb Hamburg   bis zur Mündung. Wenn auch der Störfang in der Elbe   keinen Vergleich aushält mit dem Fang ähnlicher Fischarten im kaspischen See und seinen Neben­flüssen, so ist derselbe doch bedeutender, als man gewönlich annimmt. Von Hamburg   bis zur Elbmündung beschäftigen sich etwa 200 Fischer mit dem Fang, und da man auf jeden Fischer etwa 30 Störe jährlich rechnen kann, so ergibt das einen Fang von 6000 Fischen im Jahr, die schon ein ganz ansehnliches Kapital repräsentiren. Im Sommer vorigen Jahres war der durchschnittliche Preis des Störs in Hamburg  für Milchner( Männchen) 15 Mark und für Rogner( Weibchen) 42 Mt., was, gleichviel Rogner und Milchner gerechnet, für den gesammten Fang in der Elbe   die ganz hübsche Summe von 171 000 Mark jähr­lich ergibt.

Da der Störfang in der Weser ebenfalls ziemlich lebhaft betrieben wird, so kann man 9-10 000 Störe rechnen, welche alljährlich in Deutschland   gefangen und verzehrt werden.

Sobald der Fisch seine Wanderung vom Meer aus stromaufwärts beginnt, also am Anfang April, stellen auch die Fischer sich ein, um erst Anfang August so lange hält der Fisch sich in den Flüssen auf ihr Gewerbe wieder einzustellen. Die meisten Fische werden in der Elbe   vor der Mündung der Stör, eines Nebenflusses der ersteren, der wol nach dem Fisch seinen Namen haben mag, und bei dem Orte Brocksdorf gefangen. Die Fischer bringen größtenteils ihre Beute nicht selbst an den Markt, da sie zu viel Zeit damit versäumen würden, son­dern sie verkaufen dieselben schon vor Anfang der Fangzeit kontraktlich an einen Zwischenhändler, der sie an Ort und Stelle in Empfang nimmt und dann nach Hamburg   auf den Markt schafft.

Wie schon angedeutet, ist in andern Ländern, besonders in Ruß­ land  , der Störfang ein ungemein großartiger und bedeutend einträg licherer wie in Deutschland  , und bildet derselbe für die Bewohner der Gegend des kaspischen Sees und des schwarzen Meeres einen wichtigen Nahrungszweig. Hier ist es ein größerer Vertreter der Störfamilie, der Hausen( Acipenser Huso), dem hauptsächlich nachgestellt wird, und wir müssen sagen, daß derselbe sich wohl des Fanges lohnt; wird

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dieser größte aller Flußbewohner und beinahe größte aller Fische nur einige Haifischarten kommen ihm gleich doch bis zu vierund­zwanzig Fuß lang und in diesem Falle 3000 Pfund schwer. Außer seiner Größe unterscheidet sich der Hausen von unserem einheimischen Störe nur durch seine kleineren Knochenschilder, ist im übrigen dem­selben aber ziemlich ähnlich.

Im Früling, wenn der Fisch aus den erwähnten Meeren in die Flüsse hinaufsteigt, entwickelt sich an den Ufern derselben eine rege Tätigkeit. Wo sonst die traurige Einöde kaum von eines Menschen Fuß betreten wurde, entstehen plötzlich wie durch Zauberei blühende Dörfer, in denen sich der rege Verkehr, das Schachern und das Feilschen einer modernen Handelsstadt entwickelt. Da wird Fischerbaracke an Fischer­baracke hingebaut, da werden Hütten aus Schilfstroh errichtet, Zelte aufgeschlagen und Magazine und Schlachthäuser hingestellt; neben dem Fischer erblickt man dort den Unternemer und den Kaufmann, welcher die gefangenen Fische verpackt, sie versendet und an den Markt schafft. Der Betrieb des Fanges wird genossenschaftlich gepflegt. Irgend ein Unternemer liefert die Hütten, die Boote, die Neze, Fässer 2c. 2c. und nimmt sich die Fischer an. Was diese fangen, wird gemeinschaftlich verrechnet und die Bezalung der geleisteten Arbeit geschiet durch Anteil am Gesammtgewinn. Die Buchfürung, der Verkauf des Fanges an den Kaufmann, die Fürung der Kasse u. dergl. Arbeiten mehr, werden von einem dazu gewälten Mitglied der Genossenschaft verrichtet. Die Hütten werden auf Pfälen am Strande   so gebaut, daß der gefangene Fisch direkt aus dem Boote in dieselbe gebracht werden kann. Hier wird auch das Tier durch eine ihm in der Nähe des Schwanzes beigebrachte Wunde, welcher eine große Masse von Blut ent­strömt, getötet. Auch dient die Hütte als Küche und Schlafsaal.

Draußen am Strande   sind hohe Mastbäume errichtet, an denen oben ein Korb befestigt ist, in welchem eine Wache sißt, die den Fluß zu beobachten hat. Durch langjärige Uebung erhalten die Sinne dieser Wachen eine außerordentliche Schärfe, und es ist wunderbar, zu sehen, mit welcher Sicherheit diese Leute angeben können, wenn Fischzüge im Anzug sind.

Im Herbste, wenn der Fang vorbei, werden die Dörfer abge­rissen und dort, wo eben noch menschlicher Fleiß und menschliche Ar­beit angewandt wurde, um der Gesellschaft die verschiedensten Genuß­mittel zu schaffen, wo das Interessen die Einzelnen zwang, zum Ge­triebe der Allgemeinheit seine Kraft zu leihen da streicht der Wind wieder so lange über die öde Steppe dahin, bis menschliche Arbeit wiederum Veränderung schafft.

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Eine eigentümliche Art des Hausenfanges trifft man bei den Ko­saken an der Wolga  . Sobald sich der Fluß mit einer Eisdecke über­ziet, legen die Fischer sich aufs Eis, um den am Grunde des Flusses in einer Art von Winterschlaf liegenden Fisch zu erspähen. Zu diesem Zwecke decken die Suchenden sich ein dunkles Tuch über den Kopf und können so durchs Eis hindurchblicken. Mitunter entdecken die Fischer auf diese Weise ganze Herden des ungeheuren Fisches zusammenliegen. Hat man nun das Gesuchte in genügender Anzal gefunden, so ver­sammelt sich der ganze Stamm. Auf ein, durch einen Kanonenschuß gegebenes Zeichen stürzen nun sämmtliche Versammelte mit großem Geschrei aufs Eis, und hauen an den Stellen, wo Fische entdeckt wur­den, Löcher hinein. In diese Löcher steckt man lange Stangen, welche unten mit scharfen Haken versehen sind. Der Hausen, durch den großen Standal, wie auch durch das Einhauen der Löcher ins Eis aufgeschreckt, schwimmt, oder kriecht vielmehr stromabwärts dicht am Grunde dahin. Fült nun einer der Fischer, daß ein Fisch seine Stange streift, so zieht er sie mit raschem Rucke in die Höhe, der Haken färt dem Tiere in den Leib, es wird in die Höhe gezogen, das Loch im Eise vergrößert und dann der Fisch vermittelst kleinerer Haken, welche ihm, sobald er an der Oberfläche erscheint, eingetrieben werden, vollends aufs Eis gebracht.

Auch durch Tauchen suchen die Kosaken dem wertvollen Tiere beizu­kommen. Bewaffnet sind sie bei diesen Besuchen in der Tiefe nur mit einem kurzen Haken, der an einem Lederriemen am rechten Arm des kühnen Tauchers befestigt ist.

Auch die zalreichen Ströme der Neuen Welt" Amerikas   werden von den Vertretern der Familie Stör   bevölkert. Freilich ist die dort vor­handene Art etwas kleiner, wie die in deutschen   Flüssen einheimische, allein dafür zeigt sie sich auch desto zalreicher. Was Wunder, daß auch der spekulative Yankee sich auf den Fang und den dadurch her­beigefürten Gewinn geworfen hat.

Die Verwendung des Störs ist bekannt. Sein Fleisch wird frisch und gesalzen, am meisten aber geräuchert in den Handel gebracht. Wärend das frische Fleisch, selbst nach längerem Kochen, immer noch einen etwas tranigen Geschmack behält, ist das geräucherte Fleisch von außerordentlichem Wolgeschmack. Wer hätte noch nicht das schöne, rotbraune Störfleisch geschmeckt, welches im Früling und Sommer in den Fischhandlungen feilgeboten wird?! Schon die alten Römer und Griechen brachten dieses Fleisch auf ihre reichbesetzten Tafeln und wußten dasselbe gar hoch zu schäzen. Mehr indeß noch als das Fleisch waren die Eier, der Laich des Störs, gesucht, und auch heute noch bilden diese, verarbeitet als Caviar, einen wichtigen Handelsgegenstand. Aus dem hohen Wert des Caviar erklärt sich auch der 2½½2 mal höhere Preis des Rogners gegenüber dem Milchner. Der Eierstock des weib­lichen Störs enthält aber auch millionen von Eiern, nimmt derselbe doch den vierten Teil des ganzen Gewichts des Fisches ein. Wie bei