,, Wissen Sie, mein Herr, daß ich eine viel zu gute Freundin Ihrer Schwester bin, um nicht dem, Bruder Alfred, so nennen wir Sie unter uns, in Person vorgefürt zu werden? Ich heiße Elvira Weiß und bin außer einer musterhaften Tochter und Nichte" sie verneigte sich leicht gegen ihre Tante- ,, auch die liebevollste Schwester dieses sanftmütigen Geschöpfes, mit dem ich Sie nun ebenfalls bekannt machen möchte."
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Sie ergriff seine Hand und fürte ihn Marien entgegen, die unbeweglich, mit klopfendem Herzen unfern von ihnen stand. Alfred empfand sogleich, daß er in dem temperamentvollen Mädchen eine Bundesgenossin finden könnte, und er dankte rasch und voll Wärme für diese Liebenswürdigkeit; dann sich vor Marien verneigend, sagte er:
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Lassen Sie mich Ihnen beiden herzlichen Dank sagen für die innige Neigung, die Sie meinen Schwestern entgegenbringen." Zugleich streckte er Marien die Hand entgegen. Stumm legte sie die ihre hinein. Er fülte, daß sie zitterte, weshalb, warum? fragte er sich, nun selbst bewegt und selbst beklommen. Er hörte in diesem Augenblick nicht, was Frau Germanek sprach, er fülte nur, daß diese warm pulfirende Hand in der seinen bebte und langsam sich ihr entziehen wollte. Er fur plötzlich zusammen und erhaschte sie aufs neue.
Was ist das, mein Fräulein? Sie bluten, Sie sind an der Hand verlegt!" rief er besorgt und erstaunt zugleich, ihre Hand seinen Augen näher bringend.
" Ich?" fragte Marie, selbst erstaunt; aber sie bemerkte nun, daß die Innenfläche ihrer Hand blutig und daß auch ihre weiße Schürze von dem herabrieselnden Blute gefärbt war.
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Die Mädchen alle flatterten herbei, alle mit demselben Ausdruck der Neugier, der Verwunderung in den runden Augen. Was ist denn geschehen, was ist's? Sie muß sich geschnitten haben, mit dem Messer,- natürlich!" Mariens Verwirrung schien noch zuzunemen. Ich weiß es nicht ich ich füle es nicht ich-" Sie wollte noch mehr sagen, aber sie errötete aufs neue, senkte die Augen und schloß mit einem tiefen Atemzuge; wie leicht hätte sie sich verraten können; ihr Geheimniß aber sollte tief und unerforscht in ihrer Brust ruhen.
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Die Unschuldige! Dieser kleine, unbedeutende Vorgang, war er nicht die ganze Offenbarung ihrer Liebe? Und derjenige, dem sie galt, er wäre ihrer nicht wert gewesen, wenn er sie nicht
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verstanden hätte. Alfred überkam eine plötzliche, unsagbare Freude und zugl ich ein zärtliches Besorgtsein.
,, Schnell, geben Sie mir Ihr Tuch," bat er, das Blut strömt allzureichlich."
Sie gab es ihm, und er preßte damit die Wunde, die alle sehen wollten, zusammen.
,, Heini, die Verbandschachtel!" befal Frau Germanek mit großer Würde.„ Wer wird sich mit einem Sacktuch behelfen, wenn man sozusagen an der Quelle aller chirurgischen Hülfs= mittel fizzt. Germanet, du mußt die Wunde ansehen." Sie faßte ihren Mann an den Schultern und schob ihn Marien entgegen. Fräulein Weiß, zeigen Sie ihm doch die Hand, er verstet das." Der Apotheker ergriff die sich ihm entgegenstreckende Hand des jungen Mädchens.
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Freilich, freilich," schmunzelte er, so ein bischen Kurpfuscherei war immer meine Leidenschaft, besonders bei jungen Damen. Bei Renz da hatte ich einmal-"
,, Germanet," rief seine Frau entrüstet, ihm zugleich die Schachtel hinhaltend, rede nicht soviel unnützes Zeug und walte deines Amtes!"
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,, Nur ein Stückchen Heftpflaster, bitte, Fräulein Elvira, schneiden Sie mir ein Stückchen herunter, so, eine kleine Bandage jetzt, und alles ist in Ordnung. Ach, das war damals ein ganz andrer Fall bei Renz, Miß Zephira hatte das Malheur denken Sie, es war keine Kleinigkeit, auf Ehre, es war schrecklich, sie stürzte man trug sie hinweg, ich gleich mit den andern hinter den Vorhang, ich melde mich als vom Fach, und da sah ich"
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Schweig, Germanek!" gebot seine Gattin noch entrüsteter. „ Wir brauchen nicht zu wissen, was du da gesehen."
Ich wollte, ich sähe es wieder!" versezte er leiser, sich dabei die Lippen leckend.
Er hatte die Bandage frisch gewickelt und wollte sie nun um Mariens Hand legen, als Alfred mit einem bittenden Blick Elvira aufforderte, dies Geschäft zu übernemen. Sie verstand ihn, und mit einem raschen Griff dem Apotheker das Linnen aus der Hand nemend, wickelte sie dasselbe so geschickt um die Wunde, daß nichts dagegen einzuwenden war, und somit war dieser Zwischenfall weit rascher beendet, als man's zu erzälen vermag. ( Fortsetzung folgt.)
Ein Lebens und Charakterbild. Von Dr. Max Bogler.
Dem zweiten Bande der Reisebilder" gegenüber zeigten sich die Regierungen nicht so duldsam, wie hinsichtlich des ersten, den fie im allgemeinen unbeanstandet sich verbreiten ließen; zuerst wurde das Buch von Hannover , dann von Preußen, Desterreich, Mecklenburg und den meisten kleineren Staaten verboten. Aber selbstredend machte man auch hier die alte Erfarung, daß hohe Ideen, denen eine unvertilgbare Macht innewont, durch Polizeimaßregeln in ihrer Verbreitung nicht gehindert werden können; mit noch größerem Verlangen setzte man sich in den Besitz des Buchs, und Moser machte mit Recht die wizige Bemerkung:„ Die Regierungen hätten das Buch garnicht zu verbieten brauchen, es wäre dennoch gelesen worden." Heine war mit einemmale der Herold der öffentlichen Meinung geworden, das Volk sah zu ihm auf wie zu seinem Befreier, und er hatte Recht, zu sagen:„ Ich habe durch dieses Buch einen ungeheuren Anhang und Popularität in Deutschland gewonnen; wenn ich gesund werde, kann ich jetzt viel tun; ich habe jetzt eine weitschallende Stimme. Du sollst sie noch oft hören( er sprach sich gegen Moser aus), donnernd gegen Gedankenschergen und Unterdrücker heiligster Rechte. Ich werde eine ganz extraordinäre Professur erlangen in der Universitas hoher Geister." Leider aber und das muß gesagt werden- hat ihn die Launenhaftigkeit seines Jchs, die Reizbarkeit seines Wesens, welche ihn die große Fortschrittsidee nur zu leicht über den kleineren persönlichen Interessen vergessen ließ, nicht immer zu jenem klarbewußten, konsequenten Wirken gelangen lassen, welches allein ihm das volle Vertrauen des Volkes in jedem Falle sichern konnte.
Um freiere politische Zustände und einen durch kräftigen
( 3. Fortsetzung.)
Parlamentarismus geregeltes großartigeres Staatsleben kennen zu lernen, ging Heine nach England und traf gegen Ende April 1827 in London ein. Er fand aber an dem englischen gesellschaftlichen Leben keinen Gefallen und kehrte anfangs August bereits über Holland und Norderney , wo er wieder einige Wochen verweilte, nach Hamburg zurück. Hier erschien Mitte Oktober diejenige Gedichtsammlung Heine's , welche die schönsten und vortrefflichsten seiner Lieder enthält, das in der ganzen civilisirten Welt bekannte„ Buch der Lieder ".
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Durch die Vermittlung Varnhagens schon von London aus mit dem als Verleger der Werke unserer Dichterheroen berühmten Buchhändler Baron Cotta in Verbindung gekommen, folgte der Dichter nach langer Verschleppung der Angelegenheit im Oktober von 1827 einer Einladung des letzteren nach München , um daselbst in Gemeinschaft mit Dr. Friedr. Ludw. Lindner die im cotta'schen Verlage erscheinenden Neuen politischen Annalen" zu redigiren und an den in gleichem Verlage herauskommenden Journalen Ausland" und" Morgenblatt" als Mitarbeiter tätig zu sein. Heine's Beiträge für die genannten Zeitungen beschränkten sich indeß auf eine sehr geringe Anzal; er wurde von einer ernstLichen Krankheit befallen und fülte sich überdies nicht zur Ausfüllung seiner Rolle befähigt. Er schrieb selbst an Cotta, daß weder seine politischen Kenntnisse, noch seine Schreibart ihn zum Redakteur eines politischen Journals geeignet machten, und so schied er aus der Redaktion des Blattes, das Cotta bald eingehen ließ, aus. Mitte Juli 1828 finden wir ihn schon wieder auf der Reise, diesmal war sein Ziel das gepriesene Wunderland Italien .
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