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Ein gemeinnütiges Kunstinstitut. Del Vecchio's perma­nente Kunstausstellung zu Leipzig   verdient es unstreitig, auch den Lesern der ,, Neuen Welt" empfolen zu werden. Da durch, daß hier in bunter Abwechslung dem Publikum fortwärend neue Stücke und zwar von bekannten und berümten Meistern wie von jungen strebsamen Künstlern vorgefürt werden, bietet sie dem Freund der Malerei die Gelegenheit, einen nicht unbeträchtlichen Teil der auf diesem Gebiet tätigen Kräfte kennen zu lernen. So heben wir aus der großen Anzal mer oder minder bedeutender Namen, deren Werke sich hier im Laufe des verflossenen Sommers präsentirten, nur Piloty  und W. v. Kaulbach hervor. Momentan fesselt aber unser Interesse ein Gemälde von Chr. Ludw. Bokelmann: Die letzten Augenblicke eines Walkampfes". Das Wallokal im Vordergrund ist besetzt von Anhängern der verschiedensten Parteien, von denen einzelne geschäftig noch den Nachzüglern, welche vor Torschluß im Begriff sind, ihr wich­tigstes Staatsbürgerrecht auszuüben, ihren Kandidaten anpreisen. An­dere betreten oder verlassen das Lokal, an dessen Fassade die Göttin der Gerechtigkeit wenigstens ihren erhabenen Zweck symbolisch andeutet. Auf allen Gesichtern liest man Spannung ob des sich binnen kurzem ergebenden Resultats eines Kampfes, der seine Spuren in den auf dem Pflaster herumgestreuten Feßen zerrissener Stimmzettel der mißliebigen Kandidaten lebendig hinterlassen hat. Im Hintergrund der Straße wird lebhaft debattirt an Stoff dazu felt es ja bekanntlich nicht und es ist deshalb schwer zu unterscheiden, ob die Kornzölle oder sonst ein neues Projekt den Grund dazu abgibt. Was aber die ungemein belebte Szene ganz besonders anziehend macht, ist, daß der Künstler in seinem Werke nicht die gehässige Parteitendenz dominiren ließ, wie dies, leider zum Nachteile des Kunstwerks, an dem neuen großen Bilde Piloty's  ( Die letzten Augenblicke der Girondisten  ) der Fall war. Den sich im Konzentrationspunkt der Handlung auf dem bokelmann'schen Bilde befindlichen Personen sieht man ihre Parteistellung allerdings mehr oder weniger an, aber die Charakteristik tritt uns hier nicht durch die bekannten häßlichen Erscheinungen entgegen, wie sie der politische Parteikampf, namentlich in der Presse, zutage fördert. Und welche treffliche Gelegenheit hätte sich hier nicht geboten, um diesem Vertreter der Arbeiterpartei eine Schnapsnase aufzusetzen, jenem ein verstrolchtes oder stupid- fanatisches Aussehen zu geben, wie man das so oft findet! Bokelmann's Arbeiter stellen sich dar als solche durch ihre Kleidung, also durch ein rein äußerliches Moment. Und wenn man auch der fleinen Gruppe eine gewisse, aus der gesellschaftlichen Stellung hervor­gehende Scheu ansieht, wärenddem die Vertreter der anderen herrschen­den Richtung sich durch Leichtigkeit der Haltung und jene zum Teil an Leichtsinn grenzende Sicherheit auszeichnen, so prägt sich in den Phy­fiognomien der ersteren hingegen die Ruhe und Willenskraft aus, die nur den Trägern einer großen sittlichen Idee zu eigen ist. Ja, an Intelligenz überragen sie ihr Gegenüber z. B. die zwei Stimm­zettel verteilenden Commis- voyageurs, unstreitig Wortfürer des Libe­ralismus sogar sehr bedeutend. Um zu einer solchen Darstellung zu gelangen, mußte der Künstler vorher das Leben mit echtem Künstler­auge beobachten und die näheren Umstände seines Vorwurfs eingehend studiren, daß er dies getan und dann seine Aufgabe mit echtem Künstler­herzen erfaßt und durchgefürt, ist heute, wo das Vorurteil die meisten Menschen in verderblicher Weise beherrscht, anerkennenswert und soll hier ausdrücklich hervorgehoben werden.

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nrt.

Vom dunkeln Weltteil. Vor weniger als zwei Jaren rüstete die Geographische Gesellschaft in London   eine Expedition zur Erforschung von Afrika   aus, speziell mit dem Zweck, das Land zwischen der Küste von Zanzibar und dem nördlichen Ende des Sees Nyassa   kennen zu lernen. Falls die Mittel ausreichten, sollte die kleine aber wolausge­rüstete Expedition, die von zwei jungen, zu solchen Unternemungen jorgfältig vorbereiteten Männern aus Edinburgh  , Mr. Keith Johnston  und Mr. Joseph Thomson   gefürt war, auch noch das Land zwischen dem Nyassa- See   und dem Tanganyika  - See bereisen. Die Expedition ging ab. Der Fürer Johnston, troß seiner Jugend schon eine Auto­rität auf dem Gebiet der afrikanischen, Geographie, fiel in den ersten Wochen schon dem Klima zum Opfer, und der kaum zwanzigjärige Thomson hatte die Fürung zu übernemen. Und er erfüllte seine Auf­gabe voll und ganz; ja er dente ſeine Reiſe noch in Landstriche aus, die von der ihm vorgezeichneten Route ablagen. Am 19. Mai 1879 drang die Expedition ins Innere des ,, Dart Continent",( dunkeln Welt­teils eigentlich Festlandes) ein, und am 16. Juli dieses Jares kerte sie zurück, nachdem sie 2800( englische) Meilen zurückgelegt hatte, davon 1300 durch bisher von Europäern unbetretenes Land. Thomson war der einzige Europäer bei der Expedition, die unterwegs abgesehen von dem gleich zu Anfang verstorbenen Johnston nicht einen Mann verlor. Von den wissenschaftlichen Ergebnissen vielleicht ein andermal. Nur eine interessante Tatsache sei heute dem Bericht ent­nommen, welchen Thomson am 7. November d. J. der Geographischen Gesellschaft erstattete: nämlich die Friedfertigkeit selbst der wildesten afrikanischen Stämme gegenüber fremden Reisenden, die friedlich zu ihnen kommen und die Leute zu behandeln wissen. Es ist Thomsons feste Ueberzeugung, daß die zalreichen europäischen Reisenden, welche von den Eingebornen getötet worden sind, nur deshalb das Leben verloren, weil sie die Eingebornen nicht zu behandeln wußten, und

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durch kriegerischen Apparat, häufig auch durch direkte Feindseligkeiten, ihr Mißtrauen und ihre Rachsucht erregten. Im Widerspruch mit Stan­ley's und Bredschaws Berichten das sei noch bemerkt hält Thomson das innere Afrika   für arm an Naturschäzen, für ungeeignet zur europäischen Kolonisation und erklärt den, jezt in England stark ventilirten Gedanken einer afrikanischen Handelskompagnie, die durch Eiſenbanen das Innere des Weltteils zu erschließen habe, vorläufig für eine utopistische Abgeschmacktheit.

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―ib.

Teures Land. Es ist bekannt, daß der Grund und Boden mit der Dichtigkeit der Bevölkerung an Wert wächst, und daß er in den Städten mitunter zu fabelhaften Preisen verkauft wird. Alles, was man in dieser Beziehung gehört hat, wird aber übertroffen durch eine Notiz, welche jetzt durch die englischen Blätter get. Das weltberümte Lloyd- Etablissement in London   braucht ein neues Lokal, und gab Auf­trag, ein Grundstück von ungefär 33 000 Quadratfuß zu kaufen. Na­türlich muß dasselbe in der City, dem Centrum der Geschäftswelt, liegen. Ein passendes Stück Land fand sich auch. Die Gesellschaft bot 200 000 Pfd. Sterl., d. h. 4 millionen Mark für die bloße Landfläche von 33 000 Quadratfuß. Den Eigentümern genügte das aber nicht. Die Gesellschaft ging mit ihrem Gebot schließlich auf 247 000 Pfd. Sterl. 4 940 000 Mark! hinauf, das ist rund 72 Pfd. Sterl. oder 150 Mark per Quadratfuß. Und dieses Gebot wurde ausgeschlagen. Die Eigentümer verlangen 350 000 Pfd. Sterl.= 7 millionen Mark! Das ist aber der riesig reichen Gesellschaft des Lloyd denn doch zu viel, und die Verhandlungen haben sich zerschlagen. Schließlich wird indes der Lloyd, der ein neues Geschäftslokal in der City braucht, doch in den sauern Apfel beißen müssen, der, wenn zu lange gewartet wird, noch saurer werden könnte. Denn der Wert des Grund und Bodens steigt fortwärend. Wie kolossal das Land in der City von London   ge­stiegen ist, erhellt aus folgendem Beispiel: Jm Jar 1557 wurde der Grund, auf welchem das St. Thomas- Hospital stet, der Stadt für 50 Pfd. Sterl. verpfändet; dreihundert Jare später wurde es für 300 000 Pfd. Sterl. verkauft, und jetzt ist es für 600 000 Pfd. Sterl. nicht feil. Man fiet, wenn man das Gold, welches der Boden in der City wert ist, in Gestalt von wirklichem Gold in die Erde stecken wollte, hätte man ein Goldfeld, reicher als das reichste in Kalifornien  und Australien  . Ein Beweis, daß menschlicher Fleiß mer in die Erde steckt, als die Erde an edlen Metallen dem Menschen gibt. ―ib.

Aus allen Winkeln der Zeitliteratur.

Eine neue

Das elektrische Licht in den Bergwerken. Verwendung hat das elektrische Licht fürzlich in den pennsylvanischen Anthracitgruben zur Beleuchtung der Stollengänge und Abbauräume gefunden. Das elektrische Licht besizt einige vor allem in durch schla­gende Wetter gefärdeten Gruben besonders wertvolle Eigenschaften, welche hoffen lassen, daß man es fünftig mer und mer verwenden wird. Es erfordert keinen Sauerstoff zum Verbrennungsprozeß und verdirbt deshalb die Luft nicht; wenn man die Lampe   in eine Glaskugel ein­schließt, hat man keine Entzündung der Grubengase zu befürchten. Da man außerdem die großen Räume in den Bergwerken beleuchten und die Decke bis in ihre kleinsten Einzelheiten prüfen kann, um ihre Haltbarkeit aufs genaueste zu bestimmen, so lassen sich die Unglüds­fälle vermeiden, welche nur zu oft aus der Ablösung von Kolenstücken von der Decke entstehen. Die Lampenkonstruktion ist von Brusch, welche gegenwärtig eine der verbreitetsten in Amerika   ist und in Boston   und Newyork   zur Beleuchtung einiger Straßen verwendet wird. Die dynamo­elektrische Maschine ist über Tag aufgestellt, nahe bei dem Motor; die­selbe ermöglicht die gleichzeitige Speisung von sechs Lampen in dem­selben Stromkreise. Jede dieser Lampen läßt sich leicht an einen andern Blag bringen, one den Strom zu unterbrechen, und in gleichem Schritt mit dem Fortschreiten der Arbeit verschieben. Der Leitungsdrat der Maschine get in Schachten hinab und durchziet die Stollen, um zu den zu beleuchtenden Stellen zu gelangen. Dann fürt er in die Schachte zurück und wieder hinauf zur Maschine. Nach den Mitteilungen im Engineering and Mining Journal" ist es Bausch jezt gelungen, eine Maschine zu konſtruiren, welche 750 Umdrehungen in der Minute macht und im stande ist, gleichzeitig 18 Lampen in demselben Stromkreise zu speisen, wobei sie nur 16 e bedarf. T.

Ein neues Genußmittel. Volkswirte und Volkslerer haben dicke Bücher für und wider die strenge Einhaltung der Sonntagsfeier geschrieben. Das eine stet fest, daß, seitdem der Verkauf alkoholhaltiger Getränke am Sontage in Irland   verboten ist, der Verbrauch des Schwefeläters bedeutend zugenommen hat. Nach einer Mitteilung der medizinischen Wochenschrift ,, Lancet" hat die Gewonheit des Schwefel­ätertrinkens an den Ufern des Tyrone und Darry( südwestliches Irland) schon längere Zeit hindurch bestanden. Sie blieb jedoch bisher nur auf bestimte Ortschaften beschränkt und kam in andern Teilen Frlands nicht vor. Dr. Moffat aus Newarden wies aber kürzlich nach, daß die Anzal der Liebhaber des neuen Genußmittels in stetigem Wachsen be­griffen ist. Diese Tatsache ist umso betrübender, als die entnervende Wir­fung des Schwefelätergenusses jene des Opiums noch übertrifft.

T.