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Das Wachstum einer Weltstadt. London , welches schon Tacitus als eine durch die Menge der Kaufleute und den Handels­verker äußerst berühmte Stadt" nannte, aber im Jare 1377 erst 35 000 Einwoner zälte, vergrößerte sich in gradezu unglaublicher Weise. Nach statistischen Mitteilungen vom Jare 1879 werden in der britischen Metropole järlich im Durchschnitt 702 Kilometer neu eröffnete Straßen dem Verker übergeben und 14 400 neue Häuser gebaut. Die Bevölke rung der eigentlichen Stadt, ohne die entfernteren Vorstädte belief sich 1879 auf 3597000 und bewonte einen Flächenraum von 31232 Hektaren. Der Bevölkerungszuwachs der ,, inneren Stadt" beträgt järlich circa 46 000 Einwoner. In hundert Jaren würde sich letztere demnach um beinahe 5 millionen Köpse vermeren! Wird man, vorausgesetzt, daß diese phänomenale Progression wirklich anhält, überhaupt noch lange von einer ,, Stadt" London sprechen können?! Vor Jaren bereits rechnete man, daß Paris dreimal, Berlin fünfmal, Hamburg gar drei­unddreißigmal in London Plaz hätte. Trotz dieser riesigen Menschen­anhäufung kommen durchschnittlich nur drei Einwoner auf ein Haus. Es ist zweifellos, daß dieser Umstand bei den auffällig günstigen Gesundheits­T. verhältnissen der Riesenstadt einen wesentlichen Faktor bildet.

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Luxus bei den Römern. Welch' unsinnig hohe Summen von einzelnen Bürgern des weltbeherrschenden Rom für Luxusgegenstände verausgabt wurden, mögen folgende Angaben bestätigen. So ließ Cato zu den Polstern seines Speisesals Teppiche aus Babylon kommen, die ihn 800 000 Sestertien( 120 000 Mart) tosteten. Der größte Luxus wurde jedoch mit den aus den am Fuße des Atlasgebirges wachsenden Cypressen gefertigten Möbeln getrieben. Die Eigenart dieses Holzes besteht in einem Knorren in der Wurzel, welcher nach der Bearbeitung die Zeichnung eines Pantherfelles oder einer Pfauenfeder zeigt. Für zwei daraus gefertigte Tische, deren Eigentümer Gallus und Cethegus waren, wurden beim Verkauf 1 million Sestertien( 140 000 Mark) ge­zalt, und Cicero zalte für nur einen solchen Tisch, obgleich er nicht reich war, dieselbe Summe. Soweit haben es unsere Kommerzienräte denn doch noch nicht gebracht.

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Die Perlenfischerei an den Küsten von Ceylon, welche in diesem Jare vom 9. März bis 2. April dauerte, hat bei einer Beteiligung von 50 Tauchern einen Ertrag von 11 millionen Muscheln ergeben. Die Muscheln werden an Ort und Stelle von Perlenhändlern gekauft, die dafür etwa 610 000 Mark an den Staat, dem die Perlenfischerei gehört, bezalten, wovon die Taucher den vierten Teil erhalten. Dem­nach kämen auf einen ungefär 3000 Mark für die 22tägige Arbeit: ein ,, Verdienst", der manchem imponiren wird, welcher weder die eigenartige, furchtbar gefärliche Tätigkeit( cf. Notiz in Nr. 9) noch die übrigen 343 Tage im Jare, an denen der Taucher gleichfalls leben, d. h. essen, trinken und sich kleiden muß, in Anschlag bringt. Bei den Berlenhändlern spielt das Glück eine große Rolle, denn man kann es den Muscheln nicht äußerlich ansehn, ob sie eine Perle bergen, und so kann es denn passiren, daß eine Tonne voll Muscheln gar keine Berle enthält, wärend in einer andern eine ganze Anzal gefunden werden. An ihrem Fundorte haben die größten Perlen einen Wert von 900 bis 1400 Mart, in den großen Städten Asiens und Europas gelten sie dagegen das Dreifache.

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Eine wichtige Erfindung. Der französische Bildhauer Jeannin wendet die Celluloidmasse zur Darstellung von Clichés für den Buch­druck an. Das Celluloid, welches aus gepreßter Holzfaser hergestellt wird, besitzt die Eigenschaft, bei der Erhizung auf 125 Grad Celsius bildsam zu werden, wobei man ihm jede beliebige Form geben kann. Die Clichés nach Holzschnitt- und Kupferstichplatten werden auf galvano­plastischem Wege erzeugt und ihre Herstellung ist eine zeitraubende und umständliche Arbeit. Die Celluloid- Clichés sind von außerordentlicher Schärfe und ihre Herstellung erfordert nicht mehr als eine halbe Stunde Zeit. Dabei sind sie viel widerstandsfähiger, als die galvanisch nieder­geschlagenen Clichés; wärend lettere nicht über 30 000 scharfe Abdrücke liefern, konnten mit Celluloid- Clichés 50 000 Kopien gemacht werden, ohne daß die Schärfe des Bildes sichtbar notgelitten hatte. Die Clichés aus Celluloid sind sehr leicht und biegsam, woraus der weitere Vorteil erwächst, daß man sie auch auf den Walzen der Rotations- Buchdruck­pressen anbringen kann.

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Eine verspätete Auszeichnung. Im Jare 1882 werden es 1900 Jare sein, seit Virgilius Maro, der Dichter der Aeneide, bei Mantua das Licht der Welt erblickte. Die Mantuaner haben sich etwas spät ihres bei Lebzeiten sehr gefeierten Landsmanns erinnert und bitten in allen italienischen Zeitungen um Beiträge zur Errichtung eines Denk­mals für einen Mann, der, wie uns bedünken will, in seinen Werken sich selber ein unvergängliches Denkmal aufgerichtet.

T.

Aus den Regionen der Sterne. Wir wissen, daß die Natur keinen absolut leeren Raum duldet. Laut dieses Gesetzes, den Römern bereits unter der Bezeichnung horror vacui bekannt, muß der Welten­raum, in welchem unsichtbare Gewalten die Gestirne in ewiger Pendel­bewegung schwingen, nicht nur eine Atmosphäre, sondern auch eine Temperatur haben. Die Bestandteile der Weltraumsatmosphäre dürften von der unseren nicht sonderlich verschieden sein, aber über ihre Tem­peratur besigen wir nur Hypothesen. Fourier bestimmte sie mit-50 bis-60 Grad. Dagegen bemerkte Arago, daß dieselbe viel geringer sein müsse, weil man auf dem Fort Reliance ( Nordamerika) eine Tem­peratur von-56,7 Grad beobachtet habe, und eine so bedeutende Temperaturerniedrigung auf der Erde nicht möglich wäre, wenn die Man schließt Temperatur des Weltraums nicht weit niedriger läge. nämlich auf die Temperatur des Weltraums aus der Tatsache, daß die Erde aus feurig- flüssiger Masse abgekült wurde. Pouillet bestimmte die T. Temperatur des Weltraums auf dieser Grundlage zu-142 Gr.

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Literarische Umschau.

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,, Herrn Stöckers Treiben und Leren." Von Dr. A. Bernstein . Berlin, Buchdruckerei der Volkszeitung". Der christlich- soziale Hof­prediger erfärt in der kleinen Broschüre ein Separatabbrud aus der ,, Volkszeitung" eine treffliche Abfertigung. Es wird ihm nach­gewiesen, daß nicht das Christentum die Sklaverei abgeschafft, wie er in öffentlichen Borträgen behauptet, daß nicht das Christentum ,, den damals unerhörten Gedanken in die Welt geworfen, daß alle Menschen Brüder sind" c. Wäre Stöcker der wirkliche Vertreter der Menschen­meint der Verfasser so müßte er genau liebe, der Bruderliebe das Gegenteil von dem tun, was wir ihn fun sehen. Er müßte nicht einen christlich- sozialen Arbeiterverein, sondern einen christlich­sozialen Verein der Gutsherren, der großen Besizer, der Reichen bilden" meint Herr Bernstein in dieser lesenswerten fleinen Schrift.

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Der Vorstand des Physikalischen Vereins zu Breslau übersendet uns folgende Schriftstücke zur Veröffentlichung:

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Freigebung von Anderssohns Deutschem Reichspatent ,, Teilbarer Globns", Nr. 147 vom 10. Juli 1877, Apparat zur neuen Lehre vom Massendruck. Durch das kaiserl. deutsche Reichs- Patentamt ist Anderssohns Teilbarer Globus unter Nr. 147 am 10. Juli 1877 für die nächsten 15 Jahre patentirt worden, wodurch nach Zeichnung, Modell und Beschreibung bestätigt wurde, daß im Himmels- und Erbglobus je jechs Weltrichtungen enthalten sind. Durch die neue Art der Kugelzerlegung ist konstatirt worden, daß man Kugeln und kugelförmige Räume nur nach drei Dimensionen und doppelt sovielen Richtungen einzuteilen hat und jeder dieser sechs Kugelteile die Gestalt einer Weltrichtung der betreffenden Kugel repräsentirt. Da nun alle Himmelskörper, so­wie der gesammte Himmelsglobus nahezu Kugelform besigen, so ist es nicht zulässig, in der physischen Erd- und Himmelsbeschreibung nur mit Flächen zu rechnen, sondern man ist gezwungen, überall kugelförmige Körper in fugelförmigen Räumen miteinander zu vergleichen. Aus der normalen Einteilung nach den drei senkrecht aufeinander stehenden Agen in der Kugel entstand folgerichtig die Gestalt der sechs einzelnen Kugelsextanten, d. h. sechs Normalpyramiden mit quadratischer Basis als Form für die sechs Welt­richtungen, welche Form in ihrer Bedeutung, außer bei den Byramidenerbauern in vor historischer Zeit, bisher nicht erkannt war. Ueber die besondere Wichtigkeit der Auf­findung der Gestalt der Kugelsextanten als quadratische Pyramiden und deren Zusammen fegung zu einer vollkommenen Kugel ist bereits hinreichende Literatur vorhanden, woraus ersichtlich ist, daß die neue Lehre vom Massendruck aus der Ferne" auf der stereo­metrischen Teilung von Anderssohns ,, teilbarem Globus" fußt und der matematische Beweis vom gegenseitigen Drucke der Massen im Universum nicht one diesen stereo­Wärend der legten vier Jare im Allein­metrischen Apparat verstanden worden wäre. besitz dieses Batents, habe ich mit Mühe und Kosten teilbare Globen von Gold, Silver, Bronze, Krystall, Holz, Gips, Papier c. in allen Größen herstellen und verteilen lassen, weshalb sich bereits eine Anzal derselben im Besiz hervorragender Gelerter befindet. Ebenso erhielten einzelne matematische und physikalische Kabinete höherer Veranstalten und die Ausstellung neuer Lerapparate des internationalen wissenschaftlichen Kongresses in Amsterdam 1879 Modelle zugesant, welche überall Anerkennung fanden. Dennoch scheint dieser instruktive Apparat nicht in kurzer Zeit die erwünschte Berbreitung zu finden, weil er von niemandem in Deutschland fabrikmäßig hergestellt werden darf. Um dieses Hinderniß zu beseitigen, habe ich mich entschlossen, für die folgenden elf Jare, wärend welcher Zeit der Apparat noch vor Nachamung geschüßt ist, dieses Patent one jede Kosten­entschädigung dem Publikum im allgemeinen Interesse der Lere vom Massendruck frei­zugeben und meinen Ansprüchen auf Gewinn zu entsagen, sodaß fortan jedermann den Apparat nach der Beschreibung und Zeichnung des Patents nachbilden und öffentlich un­gehindert verkaufen kann. Dem Physikalischen Verein zu Breslau bringe ich zunächst meinen Entschluß zur Kenntniß und ersuche denselben ergebenst, für die geeignete Ber­öffentlichung meiner Verzichtleistung sorgen zu wollen . Breslau, 5. Nov. 1880. Aurel Anderssohn, Vorsitzender des Physikalischen Vereins zu Breslau.

Indem wir von der vorstehenden Verzichtleistung des Herrn Aurel Anderssohn in Breslau auf sein D. R.- Patent ,, Teilbarer Globus", Nr. 147, 10. Juli 1877, in anerkennender Weise Notiz genommen haben, veröffentlichen wir dessen Anzeige hiermit in der Vorausseßung, daß sich in den verschiedenen Orten Deutschlands mit der Nach­bildung des Apparates Mechaniker beschäftigen werden, denen auf Wunsch Probeexemplare des unterzeichneten Vereins zu Gebote stehen.

Der Vorstand des Physikalischen Bereins zu Breslau.

Dr. Magnus, Sekretär. Fritsch, Kassirer. Prof. Dr. Körber. Dr. Heymann. Dr. Reim. Rother.

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Inhalt. Die Schwestern, Roman von M. Kautsky( Fortsetzung). Heinrich Heine. Ein Lebens- und Charakterbild, von Dr. Mar Vogler( Fortsetzung). Nach Archangel verbannt.- Mein Freund, der Klopfgeist, von H. E.( XIII.) Weihnachten auf der Landstraße Das Erdbeben zu Agram( Schluß). Vom Eisberg im Packeis( mit Illustration). ( mit Illustration). Ein gemeinnüßiges Kunstinstitut. dunklen Weltteil. Teures Land. Aus allen Winkeln der Zeitliteratur. Literarische Umschau. Freigebung von Anderssohns deutschem Reichspatent ,, Teilbarer Globus".

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Verantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser in Leipzig( Südstraße 5).- Expedition: Färberstraße 12. II. in Leipzig. Druck und Verlag von Franz Goldhausen in Leipzig.

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