immer der Deffentlichkeit vorenthalten worden sind. Die vielen literarischen und persönlichen Kämpfe, in die er hineingeraten war, erzeugten in ihm immer mer jene bittre Stimmung, die der Frische und Freiheit des poetischen und publizistischen Schaffens nicht förderlich sein konnte. In solcher Verbitterung schrieb er auch seine berüchtigte Denkschrift über Ludwig Börne  . Der mir für diese Arbeit zugemessene Raum reicht nicht aus, um dieses Buch, welches Heine eine so außerordentlich große 3al erbittertster Gegner geschaffen, nach allen Gesichtspunkten hin richtig zu be­urteilen. Es sei hier nur darauf hingewiesen, daß die beiden Männer bei ihren ersten Begegnungen im Leben einander one Groll und sogar mit einer gewissen Herzlichkeit entgegenkamen, daß aber die Grundverschiedenheit ihrer Naturen keinen ferneren intimen Verker zwischen ihnen gestattete. Börne   war der erste, der Heine nicht blos in Privatmitteilungen, sondern auch öffent lich in der Presse angriff, indem er ihm jeden Karakter absprach und ihn des ungerechtfertigtsten Schwankens in seinen politischen Meinungen beschuldigte. Daß aber nun Heine bei Lebzeiten Börne's auf alle diese Angriffe schwieg und erst nach dessen Ab­treten von der Weltbüne den bedeutenden Mann, der Börne   ge­wesen ist, unter einer fortwärenden Zurschaustellung der eigenen Vorzüge und Verdienste herabzuwürdigen suchte und selbst es nicht verschmäte, Privatangelegenheiten Börne's in diesen literari­schen Standal mit hereinzuziehen, das ist's, was, so ser Heine in manchen Dingen, die er in dem Buche aussprach, recht hatte, die entschiedenste Mißbilligung verdient. Aussönen mit dem Autor mag uns, daß er später selbst bedauerte, dieses Buch ge­schrieben zu haben.

Für die politische Romantik, wie sie seit dem Regierungs­antritt Friedrich Wilhelms IV. in Deutschland   zur Geltung kam, konnte sich Heine ebensowenig wie für die künen Hoffnungen der damaligen politischen Tendenzlyrik eines Herwegh, Hoffmann von Fallersleben   und Dingelstedt begeistern. Von so vorteilhafter Wirkung auch die freiheittrunkenen Lieder dieser Dichter an sich waren, so war doch Heine durch seine bisherigen Erfarungen zu pessimistisch geworden, um an einen so nahen Sieg des Fort­schritts und der Freiheit zu glauben. Er bemerkte auch hier nur allzudeutlich den starken Riß zwischen der Poesie und der Wirk­lichkeit des Lebens. Am meisten zuwider war ihm aber das Gebaren der sogenannten Nationalitätsrepräsentanten, jener falschen Patrioten, deren Vaterlandsliebe nur in einer einfäl tigen Abneigung gegen die Fremde und gegen die Nachbarvölker bestet und welche Tag für Tag ihre Galle, namentlich über Frankreich  , ausschütten". Von diesem Gesichtspunkte aus müssen die beiden nächsten poetischen Schöpfungen Heine's beurteilt wer­den: der Sommernachtstraum ,, Atta Troll  "( 1843) und ,, Deutsch­land, ein Wintermärchen"( 1844).

Gleichzeitig veröffentlichte er in einigen der freisinnigsten Blätter von damals, so in den von Arnold Ruge   und Karl Mary herausgegebenen, Deutsch  - französischen Jarbüchern" äußerst scharfe satirische Gedichte politischen Inhalts.

In diese Zeit neuer politischer Wirksamkeit Heines fällt der Anfang jener schrecklichen Krankheit des Dichters, die ihn bis zum Lebensende nicht wieder verlassen sollte. War seine Ge­sundheit im ganzen wärend der letzten Jare eine recht befrie­digende gewesen, so versetzte ihn jetzt ein unerquicklicher Erb­schaftsstreit, den er mit dem Sone seines Oheims Salomon, Karl Heine, fürte, in eine solche Aufregung, daß in dieser wol der Grund des so schnellen, unerwarteten Ausbruchs der Krank­heit gefunden werden darf. Ferdinand Lassalle   war es, der die Freunde des Dichters sowol wie seine eigenen antrieb, einen Druck zu dessen Gunsten auf Karl Heine auszuüben. Lassalle  war damals kaum einunzwanzig Jare alt und hatte Heine wä­rend eines mermonatlichen Aufenthalts zu Paris  , von welchem er im Januar 1846 nach Berlin   zurückkerte, kennen gelernt. Er ist Heine in derselben Weise sympatisch gewesen und hat ihm durch seinen reichen Geist gleich ser imponirt wie dem Fürsten Bismarck, so daß der Dichter dem jungen Manne in einem Em pfelungsbriefe an Varnhagen folgendes höchst erenvolle Zeugnis ausstellte: ,, Mein Freund, Herr Lassalle  , der Ihnen diesen Brief bringt, ist ein junger Mann von den ausgezeichnetsten Geistes­gaben: mit der gründlichsten Gelersamkeit, mit dem weitesten Wissen, mit dem größten Scharfsinn, der mir je vorgekommen, mit der reichsten Begabnis der Darstellung verbindet er eine Energie des Willens und eine Habilité im Handeln, die mich in Erstaunen sehen, und wenn seine Sympatie für mich nicht er­lischt, so erwarte ich von ihm den tätigsten Vorschub. Jedenfalls

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war diese Vereinigung von Wissen und Können, von Talent und Charakter für mich eine freudige Erscheinung, und Sie, bei Ihrer Vielseitigkeit im Anerkennen, werden gewiß ihr volle Gerechtig­keit widerfaren lassen. Herr Lassalle   ist nun einmal so ein aus­geprägter Son der neuen Zeit, die nichts von jener Entsagung und Bescheidenheit wissen will, womit wir uns mer oder minder heuchlerisch in unserer Zeit hindurchgelungert und hindurchge­faselt..." Bereits im Januar 1845 wurde der Dichter von­einer Lämung heimgesucht, in deren Folge das linke Auge, wel­ches schon früher erkrankt war, jeht gänzlich geschlossen blieb und auch das rechte sich trübte, so daß er gar nicht mer lesen und nur mit Mühe noch schreiben konnte. Im Früling des folgenden Jares hatte das Uebel schon bedeutende Fortschritte gemacht; die Finger und der rechte Fuß wurden empfindungslos, der Dichter mußte sich bei seinen allmorgenlichen Ausgängen nicht selten des stüßenden Armes eines Freundes bedienen und tastete mit dem Stocke wie ein Blinder vor sich hin. Der Auf­enthalt auf dem Lande und in einem Pyrenäenbad hatte keinen sonderlichen Erfolg, und auch nachdem der leidige Erbschafts­streit beigelegt war, beruhigte sich die Krankheit nicht nur nicht, sondern griff immer weiter und in der bedenklichsten Weise um sich.

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Jezt bemächtigte sich Heines immer mer ein vollständiger Pessimismus, in welchem er schließlich an allem verzweifelte und in der Welt- und Menschheitentwicklung nur eine große Tragi­kömodie sah, deren einzelne Szenen und Afte immer mit dem Sieg der Gewalt und des Unrechts über Recht und Gerechtig= feit enden ein Pessimismus, der am Ende zu völligem Nihilismus sich steigerte. Und daher ist auch die sogenannte Bekehrung", wie er sie im Nachwort zu dem 1851 erschienenen " Romancero" und in den Geständnissen" ausgesprochen haben soll, lediglich als der Ausfluß einer Laune, als ein Heinescher Wiz aufzufassen, und der Dichter hat es noch in den letzten Jaren seines Lebens mit vollster Offenheit und Absichtlichkeit ausgesprochen, daß ihn absolut keines der vorhandenen Religions­bekenntnisse befriedigen könne, so ser er auch in der Tiefe seines Gemüts eine religiös gestimmte Natur im rechten Sinne gewesen ist, so mächtig auch in seinem Herzen die Sehnsucht nach dem Ewigschönen, Ewigwaren, Ewigbefriedigenden gelebt hat.

Die Kritit fiel in schonungslosester Weise über den Ro­mancero" her und suchte aufs neue an seinem Dichterruhme zu mäkeln. Wir wollen hier noch bemerken, daß der Dichter nebst seinen Memoiren, von welchen mindestens drei Bände fertig ge­stellt worden sind, und einigen Fragmenten noch eine Anzal Ge­dichte hinterlassen hat( Letzte Gedichte und Gedanken", 1869), in denen die unnachamliche Schönheit der einen mit dem haar­sträubenden Cynismus der andern wetteifert.

Im Mai des Jares 1848 hatte der kranke Dichter seinen letzten Ausgang gemacht und seitdem das Bett mit den über­einandergelegten Matratzen- denn der Leib vertrug nicht die geringste Härte des Lagers nur wieder verlassen, um dann und wann in den Kissen des Lehnstuls zu ruhen. Die Rücken­markserweichung nam unaufhaltsam zu, und Heine wußte, daß seine Krankheit unheilbar war. Er magerte ab am ganzen Körper, der Geschmack verlor sich, und auch die Blindheit wurde zu einer immer größeren. Wie ein Kind wurde er von seinen Wärterinnen, die ihn aus dem Bette und in dasselbe hoben, be­dient, und er duldete die unsäglichsten Schmerzen. Dabei blieb - und man hat sich nicht genug darüber wundern können seine geistige Kraft eine völlig regsame und frische. Er diktirte seinem Sekretär, ließ sich von ihm vorlesen und plauderte mit den ihn Besuchenden so geistreich und munter wie einstmals; freilich, so geduldig er sein Leiden trug, entrang sich auch zu­weilen ein bitterer Schmerzenslaut seiner gequälten Brust. Selbst an einer französischen   Gesammtausgabe seiner Werke, die ihm vollends die größte Liebe und Vererung der Franzosen sicherte, arbeitete er seit dem Jare 1852 noch. Seiner alten Mutter ge­dachte er in innigster Dankbarkeit und Liebe und suchte ihr die Schwere und Unheilbarkeit seines Uebels zu verheimlichen.

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Mit der Zeit verminderten sich die vielen Besuche bei dem Dichter und es wurde immer einsamer um ihn. Ich bin krank wie ein Hund und kämpfe gegen Schmerz und Tod wie eine Kaze; Kazen sollen leider ein ser zähes Leben haben!" heißt es in einem Briefe an einen Freund vom Herbst 1855. Seine Frau pflegte ihn mit rürender Sorgfalt und seit dem Oktober des eben genannten Jares saß zuweilen noch ein geistig unge­wönlich begabtes und anmutiges Mädchen an seinem Krankenbett