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Mein Freund, der Klopfgeift.

Eine Spiritistengeschichte aus dem letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts. Von H. E.

( XIV. Ich füle mich gläubig. Geplante Entfürung. Wie Herr Aloys Mezzig dazwischenkommt und was er mir erzält.) Und noch an einem andern wagte ich seit der lezten Spiritisten­fizung nicht mer zu zweifeln: an der Warheit alles dessen, was mir als Spiritismus entgegengetreten war. Mein Gefül war so bis in seine Grundtiefen erregt und von den Ereignissen so in beständiger Wallung erhalten worden, daß dieses den Verstand allmälich zum Schweigen gebracht hatte. Ich liebte Athanasia bis zum Wansinn, wie konnte sie mich täuschen, wie konnte sie auch nur an einer Täuschung, die mich betraf, beteiligt sein? Sie, meine Zauberin, mußte ich mir nun erobern, foste es, was es wolle!

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Wie aber sollte ich Athanasia mir retten, wie war es möglich? Hanna Wunder hatte mir neulich schon den einzig möglichen Rettungsweg angedeutet, und jetzt hatte sie mir ihn deutlich ge­zeigt, mit furzen, klaren, ergreifenden Worten gesagt, was geschehen mußte.

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weit ført, Fliehen, unverzüglich, heimlich ich mit ihr zunächst allein; in einem stillen Winkel Jtaliens, Siziliens , Nor­ wegens oder Schottlands sollten wir uns mit einander nieder­lassen und Hanna erwarten. Sie, Hanna Wunder, wollte vorerst zurückbleiben, um die etwaige Verfolgung des Magnetiseurs auf falsche Färten zu lenken, überhaupt zu sehen, was da geschehen

würde.

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Ich konnte nicht glauben, daß es mir gelingen sollte, Athanasia zur Flucht mit mir zu bewegen. Hanna Wunder wußte Rat. Seit Jaren stellte sich bei Athanasia ein Zustand der Nerven­abspannung ein, in dem sie zwar vollkommen bei Bewußtsein und zu handeln fähig sei, aber doch so schwach, daß sie willenlos dem Rate, der Bitte oder dem Befele ihrer Umgebung sich unterwerfe. Dieser Zustand habe anfänglich nur ganz kurze Zeit gewärt höchstens stundenlang; aber je öfter er wiedergekommen wäre, desto länger hatte er Athanasia beherrscht,- jetzt dauerte er wenigstens tagelang. Wenn wir diese Schwäche benuzten, würde Athanasia mir folgen bis ans Ende der Welt, wenn ich es nur wollte, und sei sie einmal dem furchtbaren Banne ihres Vaters entrissen, so werde sie sicher Hanna Wunder war felsenfest überzeugt davon frisch aufatmen und im Gefüle der gewonnenen Frei­heit mich als ihren Retter freudig begrüßen. Keinem andern, als mir, hätte Hanna, wie sie sagte, ihr Kleinod anvertrauen mögen; mir jedoch, wüßte sie gewiß die guten Geister hätten ihr auch diese Ueberzeugung ins Herz gesenkt, daß ich das unbewußte Vertrauen, welches sie, die Wärterin und Pflegerin, die zweite Mutter des gottbegnadeten Mädchens in mich sezte, niemals mißbrauchen würde. Und allzu lange wollte Hanna meine Hülfe nicht in Anspruch nemen; sobald sie uns nach gekommen sei, werde sie mit dem Medium zu ihren Verwanten nach Amerika gehen, dort wären sie beide sicher.

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Sie schien sagen zu wollen, daß damit meine Mission zu Ende sein sollte. Ich war andrer Meinung. Und ich sagte offen, wie ich dachte und fülte. Ich liebe Athanasia mit glühender Leiden­schaft. Ich sei überzeugt, daß sie glücklich werden würde, als­mein Weib. Hanna war augenscheinlich nicht nur erstaunt, sondern sogar erschrocken. Das ändre alles, sagte sie. Das ändre alles, sagte sie. Dann wisse sie doch nicht, ob sie mir ihren Schüßling rückhaltlos an­vertrauen dürfe. Ich empfand mich durch diesen Zweifel beleidigt und versicherte sie, daß ich Athanasia, da ich sie nicht von ihrem Vater mir zur Lebensgefärtin erbitten könne, nur aus ihren, ihrer Pflegerin Händen als mein heiligstes Besiztum entgegen

nemen würde.

Hanna Wunder zeigte sich damit aber keineswegs beruhigt. Sie schüttelte bedenklich den alten Kopf und erklärte, da müsse sie erst wissen, was der Geist dazu sage, sie könne sich Athanasia als Frau, als ein Weib wie andre Weiber doch nicht denken. Wenn der Geist freilich erklären sollte, daß es so gut wäre, dann würde sie es sich zum Frevel anrechnen, zu widerstreben, aber sie könne an seine Zustimmung eben nicht glauben.

wenn

Ich fragte, wie sie sich der Meinung des Klopfgeistes ver­sichern wollte. Sie antwortete mir, das sei ganz einfach, Athanasia schlafe, antworte der Geist aus ihr auf alle Fragen, welche man an ihn richte, one daß Athanasia selbst jemals eine Anung davon habe.

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Man kann sich denken, mit welcher fieberhaften Spannung

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ich die Antwort des Klopfgeistes erwartete. Sie ließ nicht auf sich warten schon am nächsten Morgen kerte Hanna freude­stralenden Antliges wieder und teilte mir mit, der Geist habe gesagt, Athanasia sei für mich bestimt, gleichwie ich berufen sei, ein Prophet des Spiritismus zu werden, ein wissenschaftlicher Herold desselben. Dann habe sie Hanna gefragt, ob ich Athanasia auch so magnetisiren würde, wie der Herr, und ob das ihr nicht gradeso wie jetzt schaden würde, und auch darauf hatte der Klopf­geist die überraschend befriedigende Antwort gegeben, ich würde noch viel mer magnetische Gewalt über das Medium haben und sie ausnüßen können, wie ich es für gut fände. Athanasia leide jezt deshalb, weil sie ihrem Vater sich nur mit Widerstreben unter­werfe. Athanasia habe seit langem gefült, daß sie von höherer Macht bestimmt sei, der Gewalt eines andern sich zu unteriverfen, dem sie mit Leib und Seele zugehören werde. Nun empfände sie, ohne sich dessen voll bewußt zu werden, daß der ihr Bestimte nahe sei, daher habe sich ihr seelisches Mißhehagen und ihre körper­liche Hinfälligkeit unter der drückenden Abhängigkeit von ihrem Vater so rasch gesteigert.

Nach dieser Belerung Hanna's durch meinen Freund, den Klopfgeist, betrachtete mich jene als den Verlobten Athanasia's und drängte zu einer Entscheidung, d. h. zur Flucht. Sie werde dafür sorgen, daß Athanasia mir folge.

Ich war zu allem bereit; anfänglich hatte ich den heroischen Entschluß festgehalten, meiner bisherigen Braut mündlich Erklä­rung zu geben von der alle meine Gedanken und Gefüle um­wälzenden Veränderung in meinem Innern. Je näher jedoch die Entscheidung rückte, desto tiefer sant mein Mut. Endlich beschloß ich, ihr aus der Ferne, aber schon am nächsten Tage nach meiner Abreise mit Athanasia, zu schreiben.

Im übrigen hatte ich nicht viel Vorbereitungen zu treffen. Eine bedeutende Geldsumme flüssig zu machen, das war das Wesentlichste, im Grunde das Einzige, was nicht umgangen werden konnte.

Auch die alte Hanna hatte getan, was nötig schien. Sie hatte eine Bekannte, eine arme, alte, zuverlässige und anständige Wittwe beauftragt, Athanasia und mich zu begleiten, da Athanasia ja unbedingt weibliche Hülfe und Bedienung bedurfte. Ich hatte das selbst eingesehen und war der Alten dankbar für ihre Sorge.

So hätte denn meiner romantischen Entfürung nichts mer im Wege gestanden, und ich hätte sie sicherlich auch am heutigen Abende oder vielmer in der Nacht unternommen, wenn mein Raseur, Herr Aloys Mezig nicht gewesen wäre.

Er hatte heute kaum seine bartscherende Kunstleistung durch die Ceremonie des Einpinselns mit wolriechender Seife begonnen, als er, one sich durch mein sicherlich bitterernstes Gesicht im mindesten abhalten zu lassen, mit seiner staunenerregenden Zungen­fertigkeit zu erzälen begann. Ser wundersame Sachen würden sich demnächst begeben, große Ereignisse, die ihren Schatten bereits vorausgeworfen hätten. Ich antwortete auf diese Phrase nicht; er aber sur unbeirrt fort. Ob ich schon die Geschichte vom Schwamme oder Mauerfraß, oder was es sonst wäre, und von der Baukommission wüßte, fragte er. Ich schüttelte den Kopf, so etwas interessire mich auch nicht, fügte ich hinzu. Das könnte ich nur sagen, entgegnete der unverwüstliche Schwäger, weil ich die Geschichte eben nicht kennte; sie hinge nämlich mit dem Spiri­tismus, mit dem Magnetiseur Cannabäus zusammen, ser zu­sammen, und mit dem Schwamm oder dem Mauerfraß würde den Magnetiseur warscheinlich der Teufel holen.

,, Ich ersuche Sie, von solchen Torheiten zu schweigen, Herr Meßig," erwiderte ich. Ich bin durchaus nicht aufgelegt, Ihre Scherze und Fabeln anzuhören."

,, Aber, Herr Doftor, ich muß doch wirklich ser bitten!" ant­wortete er in beleidigtem Tone, indem er, wie gewönlich, wenn er sich recht in die Brust werfen wollte, einen Schritt zurücktrat, Oberkörper und Kopf nach hinten neigte und die rechte Hand mit dem Rasirmesser hoch erhob. Scherze und Fabeln sagen Sie, Herr Doktor, heiliger Ernst und lautere Warheit sage ich! Und zum Beweise müssen Sie mich jetzt reden lassen, Herr Doktor, wenn Sie mich nicht schwer beleidigen wollen. Also die Sache ist nämlich so: Hier in Ihrem Hause, im Keller, glaube ich, haben ein paar Hausbewoner entdeckt, daß es so verdächtig modrig rieche, und da dachten sie erst,' s wär' vielleicht eine Leiche,' ne Kindes­