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Religionsanschauung das Hauptreinigungsmittel gegen die vom rechtgläubigen Hindu so gefürchteter Verunreinigungen. Der Erdboden ist gereinigt, wenn man Kühe darauf hat lagern lassen; das Hinduweib jeder Sekte schmiert täglich Türpfosten und Mauern mit Kuhmist ein, der Herd wird mit Kuhmist belegt, ehe für einen Angehörigen hoher Kaste gekocht wird. Gewebe und Kleider reinigt man durch Besprengen mit Kuhharn; Asche mit Kuhmist eingenommen, fürt die innerlichen Unreinlichkeiten ab. Ein Mal von Kuhmist auf der Stirn macht sich Hoch und Niedrig; der Sterbende kann noch von allen Sünden befreit werden, wenn er den Schwanz einer Kuh festhält. Der Stier wird vom Indier zu Siwa, dem zeugenden und zerstörenden Gotte, in Beziehung gebracht, dessen Reittier, Wahama, er ist; jede Faser an ihm ist Tugend, sein Schweif endet, wo Adharma, das Unrecht beginnt. Sorgfältige Pflege genießen jedoch nur die Tempelochsen, alles übrige Rindvich wird bis aufs Blut geschunden. Der Zebu mit dem Fetthöcker, von dem wir vier Exemplare auf unserem Bilde sehen, ist ein fleines Tier mit einem Durchschnittsgewicht von nur 350 Pfund. Der Hindu gebraucht den Zebu zum Ziehen und Lasttragen; er ziet schwer beladene Wagen wie die Staatskutschen der reichen Indier, am Göpel setzt er kreischende Del- und Zuckermülen in Bewegung. Millionen nären sich von der Kuh, deren Milch das Lieblingsgetränk der besseren Klassen bildet und als Butter oder zu Ghi( saure Milch) ausgelassen in unglaublichen Mengen zur Bereitung von Speisen gebraucht wird. Wie aber schon oben angedeutet, geschiet zur Pflege des Rindes gar nichts. Stallfütterung kennt man nur für die Arbeitstiere, alles Milchvieh sucht sich sein Futter auf der Weide, viele one Hirten zum Schaden der Felder, drei Vierteile des Jares nagt das Vieh am Hungertuche, nur unmittelbar nach der Regenzeit findet es überall reichlich Futter; Hunger und Seuchen raffen in jedem Distrikte järlich tausende von Tieren hinweg. Die Arbeitstiere sind trotz der hohen Verehrung der Tempeltiere zu bedauern; statt der Peitsche wird das Tier mit einem spißen Stocke in die hintern Weichteile gestoßen oder durch schmerzhaftes Drehen des Schweifes angetrieben, viele Tiere haben den Schweif merfach gebrochen und werden bis zu tötlicher Ermattung gemartert. Der Defanbauer hat durchschnittlich zwei Par Arbeitsochsen, einige Kühe und Kleinrinder. Der Viehstall ist im Wonhause, ein Familienglied schläft darin zur Beaufsichtigung der Tiere. Die Adergeräte des Dekanbauers sind wie allenthalben in Indien äußerst einfach. Der Pflug hat lediglich die Scharfspize one Koltermesser und Streich brett; er wirft die Erde nur auf und geht selten tiefer als acht Centimeter, das ganze Geräte ist so leicht, daß es der Arbeiter, wie auf unserem Bilde ersichtlich, nicht auf den Acker färt, sondern auf der Schulter trägt. Man pflügt den Acker kreuzweise und reißt noch häufig mit einer schweren Zanegge nach. Die Arbeit fördert langsam und beansprucht für einen Hof mittleren Umfanges 53 Arbeitstage. Die Saat wird reichlich gegeben unter Verschwendung von Saatgut; man wirft die Saat mit der Hand, lieber wird aber mit dem Saatkasten gefät, einem Trichter mit einer Oeffnung im Boden, in welche drei bis vier Bambusrohre einmünden, unten in Furchenbreite von einander abstehend. Das Ganze stet auf Rädern und wird von zwei Ochsen gezogen, beim Gebrauche geht eine Person hinter der Maschine her und Schüttet Saatgut ein; wird der Acker, was ser häufig geschiet, mit zweierlei Frucht bestellt, so hat die Maschine zwei Rörensysteme und bedarf zwei Leute. Nach der Saat geht ein Schollenbrecher über den Acker und wird der Boden mit den schweren Eggebolen geglättet; schießt viel Unkraut auf, so reißt man den Boden zwischen den Furchen mit einer von zwei Ochsen gezogenen schweren Harke aus, was auch der Frucht zu gut kommt. Die ganze Bestellung schließt mit Einhegung der Felder durch Dornreiser; fast volle drei Monate gehen im Pflanzen, Säen, Reinigen und Einhegen auf. Zeit der Aussaat und der Ernte richten sich nach dem Moonsun, dem regenbringenden Winde, den wir im vorigen Jargang der Neuen Welt" beschrieben haben. Sein Erscheinen hängt von den Passatwinden ab, welche zur bestimmten Zeit und in bestimmter Richtung rund um den Aequator streichen und die Feuchtigkeit der gemäßigten Zone den heißen Wendekreisen zufüren. Wo, wie in Dekan, der Westmoonsun den Regen im Früjar, also in Indien im Februar bringt, wird im April und Mai gesät, und im August und September geerntet; umgefert, wo die Nordostregen dem Boden Feuchtigkeit zufüren, erfolgt die Aussaat im September oder Oktober und die Ernte im Februar oder März. In der Fruchtfolge hält der indische Bauer eine feste Reihenfolge nicht ein, aber er läßt auf eine den Boden aussaugende Frucht eine leichte Saat folgen, auf schlechtem Boden hält man alle drei Jare Brache. Düngen kennt der Indier fast nur in der Form von Zufüren von Wasser. Der Anwendung animalischen Düngers stehen religiöse Vorurteile entgegen und der Bauer bedarf des Kuhdüngers zu Brennmaterial ; zur Bereitung andern Düngers fehlt noch das Verständniß, zum Ankauf mineralischen Düngers Kapital. An Bauernregeln ist der indische Kalender nicht weniger reich, als der deutsche, auch wird der Brahmane zu Rat gezogen und das Urteil dieses schlauen Wetterpropheten ist für den Beginn jeder wichtigen Feldarbeit ausschlaggebend. Die Früjarsernte heißt Rabi, die Herbsternte Kharif, Gewächse der kalten Jareszeit und Gegenstand der Rabiernte sind die europäischen und die dazu gehörigen Getreidearten, Reis, Baumwolle, diese unentberlichen Erzeugnisse des indischen Bodens, Zucker, Mangofrüchte, die in Dekan und im übrigen Südindien einen wichtigen Bestandteil der täglichen Narung bilden, dann die Gespinnstfaser Dschute aus Bengalen , die neuerdings in der
mechanischen Textilindustrie eine so große Rolle spielt, sind Gewächse der heißen Jareszeit und werden mit der Kharifernte eingebracht. Geschnitten wird das Getreide mit der Hand unter Gebrauch einer kurzen Sichel von der Form einer Adlerklaue. Die Tagelöner, die man dazu annimmt, werden in Getreide ausgelönt. Ein voller Monat geht in Erntearbeit auf. Das Ausdreschen erfolgt entweder, wie in der Zeit der alten Patriarchen, durch Austreten durch das Vieh, oder man nimmt die Garben in die Hand und schlägt damit gegen einen Holzflog. Daß die Ertragsfähigkeit des Bodens nicht zur Hälfte ausgenüßt wird, ist bei dieser Art und Weise der Feldbestellung mit mangelhaften Ackergeräten selbstverständlich. Was der indische Boden zu bieten vermag, beweisen die Mustergüter des englischen RegierungsAckerbaudepartements, oder die im Betriebe der Missionäre stehenden Versuchsstationen, die mit großartigem Erfolg englische Pflüge und Ackergeräte, sowie die englische Düngungs-, Saat- und Ernteweise in Gebrauch genommen haben; die Eingebornen sind nicht blind gegen ihre Vorzüge, und in den hochkultivirten Baumwollenstrichen, die zu der Provinz Dekan gehören, aber von englischen Behörden verwaltet werden, haben bereits verbesserte Ackergeräte Eingang gefunden, doch leider nur auf den Ansiedelungen großer Grundbesizer, welchen durch Zucker- und Baumwollenverkauf europäisches Kapital zufließt. Der Kleinbauer mit seinen zehn bis zwanzig Hektar Land arbeitet in der alten Weise fort und kommt deshalb niemals dazu, die verschwenderische Fülle der indischen Naturgaben auszubeuten.
Jägerlatein.( Bild Seite 189.) Münchhausen, das schwer erreichbare Vorbild aller Aufschneider ist tot, aber diese Spezies von Menschen ist mit ihm nicht ausgestorben. Am zalreichsten ist sie wol noch vertreten unter den Vererern des edlen Waidwerks, wenigstens hat sie sich hier unter dem technischen Ausdruck ,, Jägerlatein" sprüchwörtlich gemacht. Das ungebundene Waldleben, vielleicht auch die Mißerfolge manches Sonntagsjägers, jedenfalls aber die zur Stärkung und Erheiterung bei Jagden reichlich genossenen geistigen" Flüssigkeiten tragen ihr Teil bei um die Erfindungsgabe zu stärken und zu wecken und fleine, wirklich erlebte Späße bis ins Unglaubliche zu übertreiben. Unglaublich sind sie jedoch nur für den, der nicht vom Fach" ist, wie die zwei Glieder der genannten Waidgenossenschaft, die unsere Jllustration darstellt und deren interessantes Gespräch wir zu belauschen das Vergnügen hatten. May hat Sepp, einem gewaltigen Nimrod vor dem Herrn, eben erzält, wie er einst einen gehörnten Hasen geschossen, der sich durch ganz besondere Schlauheit ausgezeichnet habe. Vielen seiner Genossen war er schon entwischt, allemal dieselben durch Männchenmachen verhönend. Nur dadurch war er ihm beigekommen, daß er Kleie, ein Lieblingsfutter Lampes, dem Schuß beigemischt, und diese habe ihn so angezogen und gefesselt, daß er dem so lang ersehnten durch eine gut angebrachte und dirigirte Ladung Schrot das Lebenslicht ausblasen konnte. Nachdem er dann noch so nebenbei mitgeteilt, wie er einst auf der Gemsjagd beim Nemen einer Prise über sich ein heftiges Niesen wargenommen und nach genauer Drientirung gefunden, daß der Geruch seines Tabaks einem Gemsbock in die Nase gefaren sei, welcher dadurch an die Stelle gefesselt, von ihm nun mit Leichtig feit von den Qualen des Lebens und denen des Nikotins hätte erlöst werden können, bricht der Sepp los: Das ist starker Tabak, aber lange nichts gegen das, was mir einst mit einem Kapitalhirsch passirte. und Schießen anzweifeln wollte. Sißt da eine ganze Gesellschaft beim Es ist schon lange her, als man immer meine Sicherheit im Zielen Kasper und spricht dem Maßkrng eifrig zu, als ich zum soundsovielten male mit der Büchse auf den Anstand ging. Allgemeines Gelächter ertönt, als man mich sieht, der, Sonntagsjaga' schreien sie und noch manches andere. Ich, nicht faul, wette fünfzig Maßkrüge gegen einen, wenn ich nicht binnen einer Stunde zurück bin und gute Beute mitbringe. Das Glück ist mir günstig, ich treffe schon beim Eintritt in den Wald einen Vierzehnender; erhizt über die empfangene Verspottung halte ich über Schußweite drauf und bin erstaunt, daß beim Schuß sich der Hirsch umdreht und ruhig stehen bleibt. Ich drauf los und denke, warte du entwischt mir nicht! Als ich heran komme, finde ich, daß mein Schuß den Hirsch beider Augen beraubt und er stockblind und vor Schreck stehen geblieben ist. Teufel, denk ich, das giebt einen Spaß, mache mit Hilfe meiner Hosenträger und dem Tragriemen der Jagdtasche einen Zügel und füre meinen sonst immer noch gesunden Hirsch im Triumph zu den zechenden Gesellen zurück. Das gab ein Hallo und fünfzig Maß. Hahahaha! Und der Kapitalhirsch, Fünfzehnender! bin seit der Zeit der berühmteste Schüße gewesen, hahahaha!" Sapperment, denkt Max, dagegen ist mein starker Tabak allerdings nichts. Allen Respekt vor dem Sepp, Kapitalker!!
nrt.
Die Regenwürmer als Träger des Milzbrandgiftes. Der Franzose Pasteur hat in der Nr. 28 v. J. der ,, Bulletins de l'Academie de Medecine" eine Arbeit über die Entstehungsursachen des Milzbrandes veröffentlicht, welche, falls sich die darin gewonnenen Resultate bestätigen sollten, von gradezu epochemachender Bedeutung ist. Es ist eine bekannte Tatsache, daß der Milzbrand eine der mörderischsten Tierkrankheiten ist und daß er insbesondere unter den Schafen jaraus jarein zallose Verherungen anrichtet, one der Opfer unter Rindern,