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Pferden und Menschen zu gedenken. Man nimmt an, daß der Milz­brand im eminentesten Sinne des Worts kontagiös ist, d. h. nur durch direkte Uebertragung von einem mit dem spezifischen Gifte behafteten Tiere auf ein gesundes Tier übertragen werden kann, und in der Tat ließ sich in häufigen Krankheitsfällen eine derartige direkte Ansteckung nachweisen. Allein das plötzliche und spontane Auftreten der Seuche mit ihrem bligartig da und dort einschlagenden Karakter war damit nicht erklärt. Nun gelang es Pasteur   durch äußerst sorgfältige, jare­lang fortgesezte Experimente den direkten Beweis zu liefern, daß der eigentliche Ansteckungsherd sich stets dort befindet, wo milzbrandfranke Tiere in die Erde verscharrt wurden. Es gelang ihm, nicht blos die spezifischen fadenförmigen Bakterien selbst zwei Jare nach der Ver­scharrung mikroskopisch im Boden nachzuweisen, sondern auch durch Infektion mit denselben direkt Milzbrand bei gesunden Tieren hervor­zurufen. Diese Versuche sind im höchsten Grade überraschend, umso überraschender, als die sehr exakten Versuche seines Landsmanns Davaine bis zur Evidenz bewiesen hatten, daß am Milzbrand gestorbene Tiere nicht mer ansteckungsfähig seien, sobald der Kadaver einmal in Fäulnis übergegangen sei. Diese leztere Tatsache war auch den Abdeckern längst bekannt, so sehr bekannt, daß unter ihnen die allgemeine Anschauung herrscht, nur der noch warme Kadaver des verendeten Tieres könne den Milzbrand übertragen. Sei er einmal kalt und beginne die Fäul­nis, so sei keine Gefar mer vorhanden. Ein zweiter, nicht minder schwerwiegender Einwand ist der, daß die Erde bekanntlich ein sehr mächtig wirkendes Filtrum ist und alle, selbst die mikroskopisch feinsten Keime zurückhält, one sie emporſteigen zu lassen. Grade über diesen Punkt hat Pasteur   selbst seinerzeit in Gemeinschaft mit Joubert sehr frappirende Untersuchungen veröffentlicht. Wie lösen sich nun diese Rätsel? Pasteur   macht zunächst darauf aufmerksam, daß bei der Verscharrung von Tieren, welche am Milzbrand zugrunde gegangen sind, der Boden fast immer teilweise mit Blut oder Urin oder andern Flüssigkeiten des Tieres getränkt werde. Von diesem Augenblicke an stehen das Blut oder diese andern Flüssigkeiten nicht mer unter den Bedingungen eines Fäulnisprozesses, sondern die atmosphärische Luft haltende Erde ist vielmer ganz vorzüglich geeignet, die Bakteridien des Milzbrandes recht eigentlich zu züchten. Daß dies in der Tat, und zwar mit großem Erfolg geschiet, beweist Pasteur   in endgiltiger Weise damit, daß es ihm gelang, die Bakteridien noch nach zwei Jaren nach­zuweisen und durch Infektion mit ihnen Milzbrand zu erzeugen. Wie aber kommen diese unendlich seinen Organismen an die Oberfläche des Bodens, um von den weidenden Tieren verschlungen werden zu können? Die Untersuchungen Pasteurs lassen kaum mer einen Zweifel, daß es die Regenwürmer sind, welche dieses liebenswürdige Amt auf sich nemen und den schrecklichen Parasiten aus der Tiefe des Bodens zu­tage fördern. Es sind kleine, erdige Cylinder oder ganz niedliche Erd­teilchen von frümlichem Aussehen, welche die Regenwürmer morgens nach einem Tau oder nach einem warmen Regen an die Oberfläche der Erde schaffen. Leben die Würmer in einem Boden, der Milzbrand­Bakteridien enthält, so enthalten auch die Erdcylinder, welche die Leibes­höle der Würmer füllen, eine Unmasse dieser Organismen, welche sich unter dem Mikroskop leicht nachweisen lassen. Wir unterlassen es, auf die enorme Tragweite dieser Entdeckung noch des näheren einzu­gehen. Der Name Pasteur   bürgt dafür, daß das großartige Versuchs­feld, welches sich hier der Lehre von den Entstehungsursachen der Krank­heiten auftut, nicht brach liegen bleiben wird. Dr. A. Mülberger.

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Etliche Proben des Humors unserer Vorfaren. Wenn es gegenwärtig noch viele Leute gibt, welche den Kulturfortschritt der Neu­zeit mit Mißtrauen betrachten, indem sie bestenfalls zugeben, daß das menschliche Wissen und der menschliche Verstand Fortschritte gemacht, aber bestreiten, daß es mit der Hauptsache, mit der allgemeinen Sitt­lichkeit nämlich, vorwärts gegangen ist, so gibt es unter anderen keinen besseren Beweis von der sittlichen Ueberlegenheit unserer Zeit über die vor zwei Jarhunderten zum Beispiel, als die Darlegung der Art und Weise, was unseren Ahnen Vergnügen bereitet hat. Wie er sich freut, so ist der Mensch, daß kann man gewiß mit größter Berech­tigung sagen. Wer sich nur an edlem ergößt, ist gewiß kein schlechter Mensch, am wenigsten der, der sich am höchsten freut an der edlen Freude anderer. Wer aber im stande ist, sich zu ergößen am Schaber­nack, den er andern spielt, wen der Schaden, der Schreck oder der Aerger auf das Köstlichste amüsirt, wer förmlich darauf studirt, wie er sich über andere lustig machen, wie er Menschen oder Tiere erschrecke oder quäle der ist sicher ein unmoralisches Individuum, das nicht wert ist, sich Mensch zu nennen. Es kann nun leicht nachgewiesen werden, daß un­sere biedren Ahnherren und Ahnfrauen nicht nur förmlich darauf raf­finirten, wie sie ihren Nächsten einen Schabernack antäten, sondern daß sogar schwergelehrte und höchst angesehene Bücher, noch dazu von den Dienern des Herrn verfaßt, die ja die Weisheit gepachtet hatten, zu allerlei unverständiger, unästhetischer und unsittlicher Kurzweil ein­gehende und mannigfaltige Unterweisung gaben. Vor mir liegt ein dicker Foliant, fein säuberlich, oder vielmer unfein und unsäuberlich in das unverwüstliche Schweinsleder gebunden, 3 Teile von je 400 bis 600 Seiten umfassend und folgenden interessanten Titel fürend: Fleis­figes Herren- Auge| Oder Wohl- Ab- und Angeführter Haus: Halter das ist: Grüntlich- und kurz zusammen gefasster Unterricht von Be­stell- und Führung eines nuz: und einträglichen Land: Lebens und

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nur

Wirthschafft| Worinnen gar außführlich| und aus vielfältig- gründlicher Erfahrung| Anweisung geschihet| wie nicht nur der Feld: und Ackerbau Teiche und Fischereyen Brauerey| Brandtwein- Brennerey| Küchen­und Obst- Gärten| Weinberge| Waldung| und Gehölz| Schäfereyen und andere Vieh- Zucht| sampt dem Geflügel- werck leicht| ordentlich und nüßlich anzulegen und zu führen sondern auch wie die vor­fallenden mancherley Fehler, Hindernissen| Abgang und Schäden zu verhüten oder zu verbessern seyn. Anfänglich in Lateinischer Sprache beschrieben von R. P.  *) Christophoro Fischern| Soc. J.**)| Hernach in's Teutsche übersehet von Agatho- Carione. Mit Röm. Kayserl. Majestät sonderbarer Gnad und Freyheit nicht nachzudrucken. Auch mit Bewiligung der hohen geistlichen Obrigkeit. Nürnberg  | In Ver­legung Johann Ziegers| Buchhändlers.| Druckts Johann Michael Sporlin 1696." Dies der gewiß an Ausfürlichkeit nichts zu wünschen übriglassende Titel des Buches. Es selbst ist noch viel reichhaltiger, als sein Titel vermuten läßt, und um auch nur annähernd angeben zu fönnen, was es alles enthält, müßten wir wenigstens eine kleine Broschüre schreiben. Für den Zweck dieser Zeilen genügt es völlig, wenn wir mitteilen, daß des dritten Teiles dritte Abteilung von allerhand raren und kurieusen Künsten und Zubereitungen aus vielerhand Wissenschaften, von den Elementen und andern in der Natur befindlichen Dingen her­genommen; darbey auch solche Dinge abgehandelt werden| Welche zum Kochen| Haus Arzneyen| Distilliren| Vogelfangen| Jägerey| Stutte­rey u. s. f. a. erfordert werden| Welche ist benannte Materien ver­mittels nachfolgender 1000 Kunststücken zu des Curieusen Lesers Nutzen und Ergößen sich vorstellig machen. Von diesen 1000 Kunststücken, die, nebenbei gesagt, funterbunt untereinander interessante physikalische und chemische Experimente und harsträubenden Unsinn enthalten, einige, besonders den Humor der Deutschen vor 200 Jaren beleuch­tende Pröbchen. So z. B. wäre es gewiß spaßig, wenn man Geflügel lebendig braten könnte. Unsere Anen konnten das nicht blos, sondern sie taten es auch. Hier ein Rezept: Eine Henne zuzurichten, daß sie aus der Schüssel laufft, wann man drein schneidet. Gib einer Hennen Wein zu trinken| so läßt sie sich berupffen, und lege ihr das Haupt zwischen die Flügel| nimm acht Eyerdotter| schlichte und schmiere das damit wol| und lege Feuer zu den Hun so wird's gelb| darnach lege es in eine Schüssel bedeckt und setze es auf den Tisch und wenn man davon schneiden will so lauffts davon. Mit einer Gans kann man sich denselben Scherz leisten. Kunststück 602: Eine Gans lebendig zu braten| daß sie in der Schüssel schreyet| wann man von ihr schneidet. Nimm eine Gans| berupffe sie bis an den Halß und Kopff| mache rings um sie ein Feuer| nicht allzu nahe| auf daß sie nicht ersticke sondern daß sie allgemach brate seze zu ihr ein Gefäß voll Wasser darunter Honig und Salz vermischt damit sie offt möge trinken. Darnach nimm Aepffel| schneide sie klein| koche sie in einer Brat­pfanne| betreuffel damit offt die Gans| daß sie desto ehe gebraten werde rücke das Feuer näher zu ihr aber doch eile nicht zu ge­schwinde| und wenn sie anhebet zu kochen| laufft sie innwendig im Feuer herumb und begehrt zu fliegen| welches so sie( von wegen des Feuers) nicht kann zuwegen bringen| trincket sie ohn Unterlaß sich zu erlaben| und zu erkühlen: und wenn sie heiß worden| brät und kocht sie auch innwendig| du mußt aber ohn Unterlaß das Haupt und Herz mit einem feuchten Schwamm erkühlen und wenn sie anhebt zu fallen und zu zappeln| so nimm sie hinweg vom Feuer| lege sie in eine Schüffel und gib sie den Gästen zu essen| so ist sie gebraten| und lebet noch und schreyet| wann man von ihr schneidet| welches fast lustig zu sehen.

Ein weiteres Kunststück, auch mit einer Henne zu verüben, trägt nicht minder den Stempel der Roheit, noch mer aber den der Unglaub­würdigkeit an der Stirn. Kunststück 639 will nämlich lehren, eine Henne durch den Kopff zu stechen| daß es ihr im geringsten nicht schade. So man einer Hennen den Kopff auf den Tisch leget ihr ein Messer recht mitten auf den Kopff setzet| und mit einem Teller oder Hammer gang durch den Koff schlägt| also| daß das Messer in dem Tisch stecket| wird es der Hennen nichts schaden| wenn nur das Messer geschwind wieder aus dem Tisch gezogen| der Hennen aber der Schnabel ge­öffnet| und ein Bröcklein Brot darein geschoben wird. Hätte ich es nicht selber probieret| so würde ich solches zu glauben schwehrlich be­weget worden seyn.

Das 644. Kunststück des hochwürdigsten Paters Christophorus Fischer gibt gelehrte Unterweisung in einer sinnreichen Metode des Taubenstelens. Es lautet: Zu verschaffen| daß die Dauben frembde mit sich heimbringen. Es sagen Etliche| wann man Weiden   oder Band­saamen| etliche nennens Künschbaum oder Schafmülle| sonst nennet mans Salicem marinam oder Agnum Castum, oder Arborem Abrahae, nimmt und einen Tag in alten Wein weichet, darnach Wicken in den Wein leget und quellet sie| und dieselben den Dauben vorwirfft| wann sie jetzt ausfliegen wollen so kommen die frembden alle mit in das Dauben Haus| wann sie nur den Geruch empfinden. Damit die einmal auf diese Weise zugelockten Tauben fein dableiben und nicht etwa ebenso leicht, wie sie dem biedern Michel zugeflogen, sich wieder zu dem Nachbar- Besizer Hinz, oder dem Nachbar- Spizbuben Kunz verirrt, gibt der Pater eine sehr schöne Anweisung im Kunststück 645: Zu machen, daß die Dauben nicht entfliegen," und in 646 eine noch

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D. h. reverendissimo patri, zu Deutsch  : dem hochwürdigsten Vater. Societate Jesu, zu Deutsch  : von der Gesellschaft Jesu  , von den Jesuiten  .