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Die Feinde der Engländer im Kaplande. II. Die Boers. Von den betschuanischen Basuto zu den Boers ist, räumlich betrachtet, der Weg nicht weit; ihre Gebiete stoßen aneinander das der Boers beginnt wenig mer als hundert deutsche Meilen nordöstlich von der Kapstadt , und auch ihre Interessen sind nach einer gegenwärtig sehr in den Vordergrund getretenen Richtung die gleichen: beide streben danach, von den Engländern, die sie zu ihren Untertanen gemacht haben, sich wieder unabhängig zu machen. Was die Engländer aber einmal haben, das geben sie gutwillig nicht wieder heraus. Dafür blieb den Boers wie den Basuto nur ein Befreiungsmittel, nämlich Der Kampf auf Leben und Tod. Wir werden unsern Lesern später die Vorgeschichte dieses Kampjes erzälen; heute wollen wir die Boers zunächst kennen lernen, wie wir die Basuto kennen gelernt haben, in ihrem Leben und Tun und in ihren Sitten und Gebräuchen. Die Boers( zu sprechen Burs) halten sich für ganz besonders bevorzugte Leute: sie nennen sich selbst mit Vorliebe schlechtweg ,, Menschen" und wollen sich damit nicht blos von den dunkelfarbigen Afrikanern, sondern im Grunde von allen übrigen sonst nicht minder zu der Gattung Mensch gerechneten Zweifüßlern unterschieden haben. Nicht viel be= scheidener nennen sich die Boers auch die ,, Afrikaner", welche Bezeichnung ihnen gleichfalls vermeintlich allein gebürt; im Notfalle gestehen sie allerdings auch zu, daß sie zuidafrikanische Boeren", d. h. süd afrikanische Bauern, sind, als welche sie sich vollauf berechtigt meinen zur Verachtung der rings um sie her wonenden Schepsels", der schwarzen ,, Geschöpfe". Schon der Name ,, Boers" weist auf die holländische Abstammung der Leute hin. In der Tat bestet ein erheblicher Teil ihrer Vorfaren aus den holländischen Einwanderern, welche die holländisch- ostindische Handelskompagnie anfangs des 17. Jarhunderts an dem Kap der guten Hoffnung ansässig machte. Indessen haben sich die Nachkommen jener Holländer mit deutschen, englischen, dänischen, norwegischen Ansiedlern, und selbst mit den Farbigen vielfach vermischt, dadurch ein Mischvolf gebildet, das ein besonders mit deutschen, französischen und englischen Worten und Redensarten reichlich gespicktes Plattholländisch spricht und im allgemeinen eine Hautfarbe zeigt, welche trop der Nähe des Aequators an Weiße der unsrigen wenig nach gibt. Sie sind ein körperlich tüchtiger Menschenschlag, diese Boers, 13/4 bis nahe an 2 Meter hoch gewachsen, stark in Gliedern und breit in Brust und Schultern. Die geistige Entwicklung ist jedoch weit hinter der körperlichen zurückgeblieben; sie sind ungebildet, zum Teil bis zur vollendeten Roheit, und an Aberglauben nemen sie es mit ihren betschuanischen Nachbarn und allen geistig beschränkten Menschen der Welt auf. Dabei bewären sie alle die Tugenden, welche tiefstehenden Völkerschaften eigen zu sein pflegen. Sie sind einfach und erlich, obwol hin und wieder kleine Diebstäle vorkommen, gutmütig, gastfrei, ausdauernd, zähe und natürlich auch fromm. Der Grundzug ihres Wesens ist ein gewaltiges Phlegma, das bei den von harter Arbeit nicht allzusehr in Anspruch genommenen Weibern die Fettbildung in einer Weise fördert, welche die onehin sehr bescheidene Körperschönheit arg beeinträchtigt. Noch die meiste Bildung haben sich diejenigen Boers zu eigen gemacht, welche als Weinbauern zu lebhaftem Verkehr mit der Kapstadt gezwungen sind. Auch die Getreide bauenden ,, Kornboers" sind von der Kultur beleckt; die hauptsächlich Vieh züchtenden Boers, d. i. der weitaus größte Teil des Volkes, ist trop der vielverbreiteten Fertigkeit des Lesens und Schreibens haarsträubend bildungslos. Städte und Dörfer haben die Boers nur wenig angelegt, am liebsten lebt jede Familie für sich auf ihrer von anderen menschlichen Wohnungen fernen Farm. Eine solche, etwa 9000 Morgen Land umfassend, muß ein jeder Boer besigen, wenn er von seinen Stammesgenossen geachtet werden will. Wer ein ,, bywoner" ist, d. h. auf fremden Mannes Boden wont, ist als ein armer Teufel schlecht angesehen. Nur ein geringer Teil der Farm wird mit Getreide oder Feldfrüchten bebaut, das übrige bildet die Weide für das Vieh. Die Boers wonen in dickwandigen Lehmhütten, die mit trockenem Grase gedeckt sind. Die Stelle der Fenster vertreten Lufen, welche geschlossen werden, wenn der Boer mit seiner Familieschlafen geht, was sehr früh geschieht. Sie schlafen immer in voller Kleidung, die nie gewechselt wird. Frühzeitig erheben sie sich auch wieder von ihrem Lager; an irgend eine Art der Reinigung denken sie aber nicht; von dem Schmuze, der bei ihnen herrscht, kann man sich daher kaum eine zu schlimme Vorstellung machen. Mit den Betschuanen haben sie die in aufgelöstem Kuhdünger bestehende Tünche gemein, mit der sie den Lehmfußboden ihrer Behausung bestreichen. Die innern und äußern Hüttenwände sind weiß gestrichen. An Möbeln findet sich bei ihnen weder Ueberfluß noch Lurus: ein oder zwei Tische nebst einigen wenigen Stülen mit Sigen aus Tiersellstreifen und eine große Siz bant, schließlich noch an den Wänden ein paar Bretter, auf denen Bibel, Gesangbücher, Katechismus und verschiedenerlei Hausmedizinen
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stehen, machen das ganze Mobiliar aus. Von irgend welcher gewerblichen Tätigkeit hält der Boer gar nichts, daher werden alle Kleidungsstoffe, sammt den, allerdings wenig mannichfaltigen Gegenständen seines Waarenbedarfs, eingefürt. Der Schnitt ihrer Kleidung ist dem Als Kopfbedeckung tragen die Männer europäischen ziemlich änlich. Hüte mit breiten Krämpen, die Weiber tragen Kattunröcke und die sogenannten Helgoländer Hüte. Das christliche Bekenntniß der Boers ist das evangelische und zumeist das der niederdeutsch- reformirten Gemeinde. Bei den strengen Calvinisten unter ihnen kleiden sich die Frauen gelb. Die Boers nären sich gut, größtenteils essen sie dreimal am Tage warm und Fleisch. Ihr Leib- und Magengetränk ist der Kaffee. Die freundlichen Leser sehen, daß das sonderbare Völkchen am Kap der guten Hoffnung , wenn auch im ganzen von uns sehr verschieden, doch mit vielen, sogar dem zarten Geschlecht zugehörigen Kulturmenschen wenigC. Ch. stens eine Lieblingsneigung gemein hat.
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Selbsttötung durch Politur- Trunksucht. Es wird nicht allen unsern Lesern bekannt sein, daß zu den spirituösen Flüssigkeiten, welche Gegenstand der Trunksucht sind, auch die meist aus einer Spiritusschelllacklösung bestehende Politur gehört, die von unsern Tischlern beständig gebraucht wird. Indessen ist das in Fachkreisen zur genüge bekannt, und um nicht die Politurlösung, wenigstens in nicht zu großen Mengen, ihrem eigentlichen Berufe entfremden zu lassen, vertrauen manche Tischlermeister solchen Leuten, die wegen ihrer Trinkerleidenschaft verdächtig sind, immer nur kleinere Quantitäten dieses sonderbaren Genußmittels an. Wie nun vor kurzem der Prosektor des städtischen Krankenhauses in Berlin , Dr. C. Friedländer, in der berliner medizinischen Gesellschaft berichtet hat, ist in dem obengenannten Institute ein Mann, seines Zeichens Tischler , nach achttägigem Krankenlagers und erfolgloser Behandlung mit Abfürmitteln und Eingießungen an Darmverstopfung( Ileus) gestorben, der ein Politursäufer gewesen ist. Bei der Untersuchung des Toten stellte sich heraus, daß ein fester Körper in dem Dünndarm eingeklemt war, der ihn völlig füllte und absperrte. Diesem Konkrement leisteten noch eine ganze Menge andrer Steine in den Därmen des Verstorbenen Gesellschaft Steine, die zusammen nahezu zwei Pfund schwer waren und von denen einige gänſeeigroß und alle bräunlich gefärbt und nicht leicht zu zerbrechen waren. Diese Konkremente zeigten sich nun als aus Schelllack bestehend, und diese Massen festen Schelllacks, welche den vorzeitigen Tod des betreffenden Tischlers herbeigefürt haben, hatten sich aus der Spiritus- Schelllacklösung, die der Mann zu trinken pflegte, im Magen niedergeschlagen, indem der Spiritus dort resorbirt worden war. Somit hat sich der Politurtrunk als gefärlicher herausgestellt, als jede andre Art, die Trinkerleidenschaft zu befriedigen.
Redaktionskorrespondenz.
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Magdeburg . Junger Kaufmann. Sie machen Gedichte über jedes beliebige Tema, und zwar so vortrefflich, daß Sie uns prophezeien, wir würden garnicht daran denken, Ihre Poëme zurückzuweisen. Recht erfreulich! Leider fügen Sie in einer sehr anerkennenswerteu Anwandlung von Selbsterkenntnis und Bescheidenheit hinzu: ,, Blos die Ideen felen mir manchmal! Also bitte: schreiben Sie mir, was ich Ihnen dichten soll, und Sie sollen umgehend(!) das Gewünschte zu Ihrer vollen Zufriedenheit erhalten." Meinen Sie nicht auch, bester junger Mann, daß es gut wäre, wenn die Dichter eigne Jbeen in Verse seiten? Die poetischen Ideen sind nämlich die Hauptsache beim Dichten, wenn Sie nichts dagegen haben, und Reime schmieden aus fremder Leute Gedankenmetall bas kann schließlich jeder. Wie? Glauben Sie nicht auch?
Altona . Frizz T. Die Khiwaner oder Khiwesen bilden kein eigenes, einheitliches Volk; vielmer bezeichnet man so die vielfach zusammengesetzte Bevölkerung des Chanates Khiwa in Turkestan , die aus einem ansässigen und einem nomadisirenden Teile bestet und ungefär 700 000 Stöpfe umfassen mag. Die ansässige Bevölkerung bestet aus Usbeken, Sarden, Eraniern und einer kleineren Zal von Tadschik, wärend die Nomaden Khiwas Kirgisen, Karakalpaken und Turkmenen sind. Wir kommen auf dieses Völkergemenge gelegentlich wol einmal ausfürlicher zu sprechen.
Stettin . H. D. Eine solche Metode des Schneewegschaffens von den Straßen, wie Sie sie wol meinen, hat sich vor einigen Jaren ein Amerikaner patentiren lassen. Dieselbe will ein Ror, das mit einem Dampfkessel in Verbindung stet, unter dem Straßens pflaster angebracht haben. Der durch das Ror getriebene Dampf soll den Straßenboden so erwärmen, daß der Schnee schmilzt und die Feuchtigkeit rasch verdampft. Versuche, die der Erfinder mit einer 60pferdigen Dampfmaschine gemacht hat, sollen gelehrt haben, daß damit eine unterrorte Straßenstrecke von 5000 Fnß schneefrei und trocken gehalten werden konnte. Ob inzwischen dieses Verfaren irgendwo in großem Maßstabe zur Anwendung gekommen ist, können wir augenblicklich nicht sagen.
Berlin . W. 21., Posen. Frau R., Zürich . Frau E., Hamburg . Dr. B. Die eingesendeten Arbeiten soden baldigst geprüft werden. Dann Bescheid schriftlich oder an dieser Stelle sofort.
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Von jezt an wird die Redaktionsforrespondenz, in zwangloser Reihenfolge mit dem Wissenschaftlichen Ratgeber" wechselnd, anstatt in der von dem gegenwärtigen Berleger der ,, N. W." abgeschafften Annoncenbeilage am Schlusse jeder Nummer derselben erscheinen, soweit es nur irgend der Raum gestattet.
Inhalt. Die Schwestern, Roman von M. Kautsky( Fortsetzung). Aus dem Leben der Insekten. Naturgeschichtliche Skizzen von Dr. L. Jacoby( Schluß). Ein flandrischer Hund. Aus dem Englischen von Quida. Für die ,, N. W. " übersezt von L. v. d. Wieseck ( Fortsetzung). Ein Tanzlied Walthers von der Vogelweide, von Friedrich Volckmar( Schluß). Brasilien und die deutsche Auswanderung( Fortsetzung). Das Volkslied, Gedicht von Leopold Jacoby. Der Postillon zur Winterzeit( mit Illustration). Die Feinde der Engländer im Kaplande. II. Die Boers. Selbsttötung durch Politur- Trunksucht. Redaktionskorreſpondenz.
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