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Von Dr. Arthur Mülberger.
Die Weltanschauung des heidnischen Altertums ist ihrem innersten Wesen nach monistisch", d. h. Religion und Politik, Geist und Natur, Gott und Mensch sind innerlich eins.
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Da der Dichtung zauberische Hülle Sich noch lieblich um die Warheit wand Durch die Schöpfung floß da Lebensfülle Und, was nie empfinden wird, empfand. An der Liebe Busen sie zu drücken, Gab man höhern Adel der Natur, Alles wies den eingeweiten Blicken, Alles eines Gottes Spur.
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„ Aber der Mensch im Heidentume", sagt Ludwig Feuerbach , ,, war nicht der Mensch schlechtweg, sondern der nationell bestimte Mensch: der Grieche, der Römer,
der Aegypter, der Jude, folg lich auch sein Gott ein nationell bestimtes, besondres, dem Wesen oder Gotte andrer Völker ent= gegengeseztes Wesen- ein Wesen also im Widerspruch mit dem Geiste, welcher das Wesen der Menschheit und als ihr Wesen die allgemeine Einheit aller Völker und Menschen ist." Diesen Gegensatz zwischen dem besonderen Geiste und dem allgemeinen Geiste sucht die heidnische Philosophie zu zerbrechen. Es gelingt ihr, wenigstens teilweise, aber nur im Reiche des Gedankens, im Reiche der Lüfte, hoch oben über der Wirklichkeit." Seine wirkliche Lösung", färt Feuerbach fort, „ fand dieser Widerspruch erst im Christentum; denn in ihm wurde der Logos sarx ( das Wort Fleisch), d. h. die allgemeine Vernunft, das alle Völker und Menschen umfassende, alle feindseligen Differenzen und Gegensätze zwischen den Menschen auflösende, allgemeine und reine, deshalb mit dem göttlichen Wesen identische Wesen der Menschheit Gegenstand unmittelbarer Gewißheit Gegenstand der Religion.
Wenn also das Christentum nicht überhaupt das lezte Wort des menschlischen Geistes war, so mußte dieser eine andre Ban einschlagen, und diese Ban konnte nichts andres sein, als Rückkehr zur Natur oder zu seinem eigenen Wesen. Die Natur ist aber nicht blos die Luft, die wir atmen, das Wasser, das wir trinken, das Brot, das wir essen, sondern sie ist auch das uns vordem befreundete Wesen, in dem sich der menschliche Geist eins und glücklich fülte. Und so erwachte er wieder aus der dumpfen Gefangenschaft, in welche ihn der Glaube geworfen, er fülte sich wieder selbst und wurde Philosophie. Das fünfzehnte und sechzehnte Jarhundert komt und mit ihnen die ganze Reihe jener großen Denker, Gelehrten und Künstler, in deren Fußstapfen zu wandeln, wir noch heute stolz sind.
Chamisso.( Seite 242.)
Christus ist nichts andres, als das Bewußtsein des Menschen von der Einheit seines Wesens mit dem göttlichen Wesen, en Bewußt sein, welches, als die Zeit gekommen war, weltgeschichtliches Bewußtsein zu werden, sich als unmittelbare Tatsache auszusprechen, in eine Person sich zusammenfassen, zunächst als ein Individuum sich verwirklichen und der ganzen, noch in der Finsternis des alten Widerspruchs der Volkspartikularitäten liegenden Welt als Schöpfer eines neuen Weltalters entgegensezen mußte." So wurde denn im Christentum Gott als Geist, als der schlechthin allgemeine, alles umfassende Geist gefaßt, der jede Besonderheit und Beschränktheit ausschließt. Der Geist kann aber nur im Geiste, nicht im Fleische begriffen werden, und so kommt im Christentum das Verhältniß zwischen Geist und Fleisch, Uebersinnlichem und Sinnlichem, Mensch und Natur als Widerspruch zum Bewußtsein. Im Lauf der Geschichte steigert sich mit der wachsenden Entwicklung der christlichen Kirche dieser Widerspruch bis zum vollen Gegensatz. Die Natur selbst wird allmälich zu einem dem Leben im Geiste, d. h. dem einzig wirklichen Leben, feindseligen Prinzip. Nur das Geistige, das Uebersinnliche, das Göttliche ist würdig, gedacht und empfunden zu werden, das Leibliche, das Sinnliche, das Natürliche dagegen ist des menschlichen Denkens unwert, unwürdig. Die Geschichte lehrt, wie weit die Menschheit auf dieser Ban gekommen ist: Blut und Tränen bezeichnen ihren Weg.
Wenn das Christentum gelehrt, Gott ist ein Geist und alle unsere Geister sind nur durch ihn Geist, so erhebt sich die Philosophie und verkündet durch den Mund des Cartesius: Ich bin ein Geist. Cogito ( Dubito), ergo sum: Ich denke, ich bin. Und so erfaßt sich in Cartesius der denkende Geist in seinem Unterschied von der Natur. Eben dieser Unterschied ist es, der nach ihm das Wesen des denkenden Geistes bildet.„ Die Erkenntnis Cogito, ergo sum: Ich denke, ich bin, ist die allererste und gewisseste Erkenntnis."
Primum principium est, färt Cartefius fort, quod anima nostra existit, quia nihil est, cujus existentia sit nobis notior. Zu deutsch : Das erste Prinzip ist, daß unsre Seele eristirt, weil nichts ist, dessen Existenz uns bekannter wäre. Ich denke, ich bin, ist ununterscheidbar, ist eins. Die Eristenz des Geistes ist also das allergewisseste, das allerreellste Prinzip der Philosophie, es ist die vom Körper abstrahirende Beziehung des Geistes auf sich selbst.
zige, was durch sich selbst gewiß ist. Alles andere aber ist weit davon entfernt, gewiß zu sein. Der seiner selbst gewisse Geist muß also, wenn er zu andern Gewißheiten weiterschreiten will, zunächst an allem, außer seiner eigenen Existenz zweifeln. Für die Erkenntnisteorie ist das erste und wichtigste Prinzip demnach der Zweifel, aber fein Zweifel, wie man gewönlich glaubt, an diesem oder jenem Ding, sondern ein Zweifel, der von allem, was außer der Existenz meines Geistes ist, abstrahirt, der alles negirt, was von ihm verschieden ist. Denn nur deswegen, sagt er, sei es den Menschen so schwer, das Wesen des Geistes zu erkennen und sich von der Warheit seiner Gedanken zu überzeugen quia mentem a corpore nunquam satis accurate distinxerunt ,, weil sie den Geist vom Körper niemals hinlänglich genau unterschieden haben." Und so spricht er, schon in der Einleitung zu seinen Meditationen, sehr viel von den Vorurteilen, denen der Geist auf seinem Suchen nach Warheit immer begegne. Das hauptsächlichste Vorurteil", sagt er ,,, ist aber das von der Existenz sinnlicher Dinge." Da ich," sagt er kurz nachher,„ in und durch die Abstraktion von allem Sinnlichen und Körperlichen, durch die Verneinung ihrer Existenz mein Wesen gefunden, erkannt habe, daß ich allein nur vom Denken nicht abstrahiren kann, es folglich mein Wesen ist, so erkenne ich daraus, daß die Erkenntnis meiner selbst als Geistes oder denkenden Wesens, das ist eben die Erkenntnis des Geistes, durchaus nicht
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