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geistigen lebendigen Prinzips. Der schroffe Gegensatz zwischen Geist und Natur kommt natürlich Cartesius als ein Mangel seiner Philosophie zum Bewußtsein. Er ringt sich müsam ab, eine Vereinigung beider zu Stande zu bringen, aber nirgends sind seine Aussprüche dunkler, unbestimmter, widerspruchsvoller, als über diesen Punkt. Dem mußte so sein, denu der von aller Wirklichkeit abstrahirende, nur sich auf sich selbst beziehende Geist der cartesianischen Philosophie ist eben tatsächlich mit der Natur unvereinbar und selbst sein Gott bringt eine Verschmelzung nimmermer fertig.
Ist es zu verwundern, wenn der menschliche Geist aus tiefer Grabesruh erwachend, sich zuerst und insbesondere in seinem Gegensatz zur Natur erkennt? War nicht die Heraus- und Gegenüberstellung seiner selbst im Verhältniß zur Natur eine förmliche Vorbedingung freier, unbefangener Prüfung? Und darin liegt des Cartesius unsterbliches Verdienst. Er ruft den Geist wach aus dem dumpfen Schlafe des Glaubens, bringt ihm Selbstgewißheit und Zuversicht, flößt ihm wieder Vertrauen ein zur menschlichen Vernunft. War diese Philosophie doch, wie einer ihrer damaligen Bekämpfer, Huetius sagt, so frech, zu behaupten,
daß die Evidenz ebensoviel Gehorsam vom Menschen zu fordern berechtigt sei, als der Glaube. Auch ist bekannt, daß die Naturwissenschaften selbst, insbesondere die Matematik, dem Cartesius manche Errungenschaften verdanken. Ja, es ist vollkommen war, was Feuerbach im Jare 1833 sagt:„ Die Naturwissenschaften, besonders aber die Physik, standen bis auf die neuesten Zeiten im wesentlichen und allgemeinen, d. H. dem metaphysischen oder naturphilosophischen Teil nach, auf dem Standpunkt der Philosophie des Cartesius , obwol die meisten Physiker keine Cartesianer waren, sondern im Gegenteil mer dem Atomismus huldigten, der aber im wesentlichen selbst nicht von der Naturphilosophie des Cartesius verschieden ist, da er ebenso wie diese auf bloßem Mechanismus und Materialismus berut. Denn die allgemeinen Prinzipien der Naturphilosophie des Cartesius , seine Anschauung von der Natur als einer bloßen Materie, von der Bewegung als einem äußerlich oder unbegreiflich mit der Materie Verbun denen, von den Poren, von der Indifferenz der Materie blieb auch die Grundlage der späteren Physik."
Die Philosophie des Cartesius enthält die Elemente Spinoza's . ( Fortsetzung folgt.)
Ein flandrischer Hund.
Aus dem Englischen von Quida.
Ein Schleier legte sich Nello über die Augen, sein Kopf schwindelte, die Beine knickten fast unter ihm zusammen. Als er seine Sehkraft wieder erlangt hatte, schaute er. nach dem auserwälten Bild es war nicht seins!
Eine klangvolle Stimme verkündete laut, daß der Sieg dem Stephan Kießlinger, geboren in der Stadt Antwerpen , Son eines Hafenbeamten daselbst zuerkannt worden sei.
Als Nello wieder zum Bewußtsein kam, lag er draußen auf den Steinen und Patrasche gab sich alle mögliche Mühe, ihn wieder ins Leben zu rufen. In der Entfernung sah er eine Schar von antwerpener Jungen, die sich um ihren glücklichen Genossen drängten, und ihm mit Jubelrufen das Geleite nach seiner Wonung im Hafen gaben.
Der Knabe richtete sich auf so gut es ginger hatte seit dem Morgen des vorhergehenden Tages nichts gegessen und wanderte nach dem Dorf zurück. Patrasche schritt mit gesenktem Kopf neben ihm her, die alten sonst so starken Glieder schwach durch Hunger, Sorge und Alter.
Der Schnee fiel in dichten Flocken; ein schneidender Nordost peitschte ihn den Wanderern ins Gesicht; es war tötlich kalt auf der Ebene, die keinen Schutz gegen den unbarmherzigen Wind bot. Es war schwer vorwärts zu kommen und die Turmur schlug schon vier, als sie, halb erstarrt, sich dem Dorf näherten. Plöß lich blieb Patrasche stehn; eine Spur im Schnee hatte ihn aufgehalten. Er fragte winselnd den Schnee mit den Pfoten weg, und zog mit den Zänen einen kleinen Lederbeutel hervor, den er Nello hinreichte. Es war stichdunkel. Aber in der Nähe stand ein Cruzifir, vor dem ein Dellämpchen brannte. Der Knabe hielt mechanisch den Beutel ans Licht: der Name Baas Copez war darauf gestickt, und in dem Beutel waren sechstausend Francs.
Der Anblick erweckte den Knaben einigermaßen aus seiner Betäubung. Er steckte den Beutel in sein Hemd über den Gürtel, streichelte Batrasche und zog ihn vorwärts. Der Hund sah ihm traurig ins Gesicht.
Nello ging geradewegs nach der Müle und klopfte an die Haustüre. Die Müllerfrau öffnete ihm laut weinend, wärend die kleine Alois sich an sie anklammerte.
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" Du bist's? Du armer Junge?" fragte sie liebreich durch ihre Tränen. Mache, daß du fort kommst, ehe der Baas dich sieht. Wir sind in großer Angst heute Abend. Er sucht draußen auf dem Weg nach einer großen Geldsumme, die er bei der Heimfart auf dem Wagen verloren hat. Ach Gott ! in diesem fürchterlichen Wetter wird er sie nicht finden, und da sind wir so gut wie zu Grund gerichtet! Das ist die Strafe des Himmels für das Unrecht, das wir dir getan!"
Nello überreichte ihr den Lederbeutel und winkte Patrasche ins Haus. Patrasche hat das Geld vorhin gefunden," sagte er rasch. " Sagen Sie das dem Bacs Copez; ich hoffe, er wird dem Hund
( Schluß.)
nun ein Obdach und Narung für seine alten Tage nicht verweigern. Geben Sie acht, daß er mir nicht nachläuft, und bitte, seien Sie gut gegen ihn."
Ehe die Frau oder der Hund wußte, was er tat, hatte er sich niedergebeugt und Patrasche geküßt, dann rasch die Türe zugeschlagen und war im Düster der schnell niederfallenden Nacht verschwunden.
Die Frau und das Kind standen sprachlos da vor Freude und vor Angst. Patrasche stürmte vergeblich gegen die eisenbeschlagene Eichenholztüre. Sie wagten die Tür nicht aufzumachen und ihn fortzulassen; sie versuchten alles mögliche, um ihn zu beruhigen. Sie brachten ihm süße Kuchen und saftiges Fleisch; sie boten ihm das beste an, was sie im Haus hatten; sie lockten ihn nach dem warmen Herd es war alles umsonst. Patrasche wies jeden Bissen, jede Freundlichkeit hartnäckig zurück und war nicht von der Türe wegzubringen.
Es war sechs Ur Abends, als der Müller durch eine andere Tür hereintrat, müde und gebrochen.„ Es ist für immer verloren," sagte er mit dumpfer Stimme, die Wangen aschgrau. „ Wir haben mit Laternen überall gesucht es ist fort die Aussteuer des Mädchens und alles!"
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Sein Weib hielt ihm den Lederbeutel hin und erzälte, wie sie ihn wiederbekommen.
Der starke Mann sank zitternd auf einen Stul und bedeckte sein Gesicht mit den Händen, beschämt und fast erschreckt.
Ich bin gegen den Jungen grausam gewesen," murmelte er endlich, ich habe es nicht verdient, daß er mir Gutes tat." Die kleine Alois faßte Mut, näherte sich dem Vater und legte ihr blondes Lockenköpfchen schmeichelnd an seine Brust. ,, Nello darf jetzt wieder herkommen, Papa?" flüsterte sie; ,, er darf morgen wieder kommen, wie sonst?"
Der Müller schloß sie in seine Arme. Sein hartes, sonnenverbranntes Gesicht war sehr bleich und sein Mund zuckte.
,, Gewiß, gewiß, mein Kind! Er soll am Weinachtstag hier sein, und jeden Tag so oft er will. In meiner Geldgier habe ich gesündigt und der Herr hat mich milde gestraft. Mit Gottes Hülfe will ich's an dem Burschen wieder gut machen. Ich will's wieder gut machen."
Die kleine Alois küßte ihn voll Dankbarkeit und Freude, schlüpfte dann von ihm weg und lief zu dem Hund, der fortwärend an der Tür auf der Lauer stand.
,, Und heut Abend kann ich Patrasche ein Fest geben?" rief sie mit kindlicher Heiterkeit.
Der Vater nickte ernst: Ja, ja; der Hund soll das Beste haben." Der alte Mann war tief bewegt und bis ins innerste Herz hinein erschüttert.
Es war heiliger Abend und das Haus des Müllers war gefüllt mit Klößen von Eichenholz und Torfstücken, mit Milch und