machen sich die Moskitos oft ziemlich unangenem bemerklich, in Rio grande dagegen sollen sie nicht lästiger sein, als unsere Mücken, die uns in gewissen Gegenden des deutschen   Vaterlandes, z. B. in Leipzigs   nächster Umgebung, im Hochsommer allerdings auch schon in gelinde Verzweiflung sezen können.

Sehr verdient um die Kolonisten macht sich der Ameisen­bär, der in Südbrasilien in zwei Arten Verbreitung gefunden hat, nämlich als der bis zur Größe unsrer Fleischerhunde gedeihende große Ameisenbär und der Tamandua oder mittlere Ameisen­bär, der nur etwa halb so groß wird, als der erstere. Bei der ungeheuren Ameisenbevölkerung Südbrasiliens ist die Liebhaberei der Ameisenbäre, jene dem Ackerbauer feindlichen Insekten auf zuspeisen, von größter Bedeutung. Der große Ameisenbär ist zwar träge und langsam, er klettert auch nicht, wie die übrigen Mitglieder seiner Familie, aber er hat das auch nicht nötig, um sich seinen Lieblingenuß zu leisten und möglichst viele Ameisen zu verzeren. Er vertritt nämlich den in großen Heerzügen wandernden Ameisen einfach den Weg, hält ihnen seine Zunge, die er bis zur Länge von zwei Fuß aus dem Maule hervor strecken kann, entgegen und fängt damit immer die vordersten Reihen der Ameisenheerscharen auf, bis schließlich die ganze Armee den Weg in seinen Magen gefunden hat.

Leider erweisen die Kolonisten dem Ameisenbär die zweifel­hafte Ere, sein allerdings schmackhaftes Fleisch mit großem Wol­behagen zu verspeisen, und jagen ihn darum eifrig, statt ihn seiner Ameisenfeindschaft halber vernünftigerweise zu schonen. Noch einen andern Insektenfeind essen die südbrasilianischen Ansiedler mit großer Vorliebe, nämlich eine bis drei Fuß lang werdende Eidechsenart, deren Fleisch änlich dem unsrer Hüner schmeckt.

Wie schon oben gesagt, bestet die Arbeit des Ansiedlers haupt sächlich in Ackerbau und Viehzucht. Mit der Urbarmachung des Bodens beginnt und überwindet sie ihren schwierigsten und auch gefärlichsten Teil, schwierig, weil der urwaldbestandene Boden nicht gar leicht von allen Hemnissen der Beaderung befreit werden kann, und gefärlich, weil der vielfach sumpfige Boden des Ur­waldes gesundheitswidrige Miasmen aushaucht und leicht das mal da terra genannte Sumpf- oder Waldfieber erzeugt, dem schwächere Konstitutionen leicht zum Opfer fallen.

Die Kolonisten machen es sich freilich mit der Ausrodung des Urwaldes so leicht, als nur möglich. Sie legen zunächst alle Bäume und Sträucher nieder eine natürlich nicht grade bequeme Arbeit!-, lassen dann das Gewirre von Holz und Laub, dem glühenden Sonnenbrand ausgesezt, ungefär sechs Wochen lang liegen und zünden es, sobald es gründlich gedörrt ist, an. Die zurückbleibende Asche dient dann gleich als Dünger, und so wird nun flott drauflos gesät und geerntet, im Jare zwei bis dreimal, und wenn der Boden, was erklärlicherweise sehr bald geschiet, nicht mer reiche Frucht trägt, get man von neuem dem Urwald zuleibe und läßt den ersten Acker einfach brach liegen.

Es wird behauptet, daß der deutsche Ansiedler seinen Acker doch etwas besser behandle, als der bequeme und leichtfertige Brasilianer den seinen, ein großer Unterschied bestet aber nach dieser Richtung hin zwischen beiden warscheinlich nicht, und wenn die deutschen Kolonien überall von üppigen Feldern, bestanden mit Mandiocca, Mais, Hafer, Roggen, Gerste, Zuckerror, Flachs, Klee und Kartoffeln umgeben sind, so haben sie das sicherlich mer der Gunst der Natur, als der Sorgfalt und Umsicht der Bebauer des Bodens zu danken.

Auch in Bezug auf die Viehzucht stellt man hie und da dem deutschen Besiedler südbrasilianischen Landes ein günstigeres Zeugniß aus, als dem einheimischen. Wolgenärte Pferde und Rinder, woltuend abstechend von dem dürftigen Vieh der brasiliani­schen Züchter, ganze Herden stattlicher Schweine und Scharen von Geflügel sollen in erfreulichster Weise das Gehöft des deutschen  Einwanderers beleben. Auf die Ansiedlungen der einsichtigeren und insbesondere auch der wolhabenderen deutschen Kolonisten mag solche Beschreibung in der Tat passen, dieselben pflegen auch ihr Vieh besser, als es der Brasilianer tut, und füttern es z. B. mit Palmblättern und Maiskörnern, wärend es sonst nichts weiter zu fressen hat, als die magere Narung, die ihm die Campos  bieten. Im allgemeinen bleibt aber auch hier noch sehr viel zu wünschen übrig. Der ärmere Kolonist, wie der, welcher von der Viehzucht nicht viel verstet, macht es hier, nicht minder wie beim Ackerbau, ganz so oder ganz änlich wie der Brasilianer: er über­läßt zu allen Jareszeiten Pferde, Rindvieh, Schweine und Ziegen einfach sich selbst; ob im Sommer reichlicher Grasvorrat da ist

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oder im Winter das Gras verdorrt, oder vom Nachtreif zerstört und zur Viehäzung nichts weiter vorhanden ist, als das sehr wenig narhafte Bambusror, das ist ihm gleichgiltig; die Tiere mögen sehen, was sie zu fressen finden und wo sie in der Nacht unterkommen; er kümmert sich nur um sie, wenn er ein Stück braucht. Dann treibt er es mit anderm Vieh in die mit Steinen eingezäunte Viehtrift, sondert es hier von dem übrigen Vieh ab und treibt es in den Hof, wo er es mit dem Lasso fängt. Zum Teil infolge dieser Vernachlässigung stet auch das beste Vieh Südbrasiliens hinter dem unsrigen nicht nur in seinem kleineren und magern Körperbau, sondern auch in dem Wolgeschmack und der Narhaftigkeit des Fleisches weit zurück; es gilt für das Vieh eben, was so ziemlich von allen Nußerzeugnissen der brasiliani­schen Natur gesagt werden muß, nur etwa mit Ausname der gleichfalls oben bereits gerümten Maultierzucht: es könnte viel aus ihm gemacht werden, wenn seine Zucht mit Eifer betrieben und von allen in Europa   längst zur Anwendung gelangenden Hülfs­mitteln verständnisvoller Praxis und Teorie getragen würde. So ursprünglich und mangelhaft wie Ackerbau und Viehzucht sind auch die Häuser der Ansiedler. Der ganze Innenraum derselben umfaßt kaum irgendwo mer als zwei Stubenräume mit notdürftigster Möbelausstattung. Ein Anbau bildet die Küche- damit ist die 3al der geschlossenen Won- und Aufenthaltsräume auch der wolhabenden Ansiedler erschöpft. In auffälligem Gegen­satz zu der Einfachheit der Häuser und Zimmer, gleichwie der Formen der darin befindlichen Möbel, stet oft das Material, aus welchen die lezteren angefertigt sind. Tische aus kostbarem Cedernholz, Stüle und Waschtische aus Jakaranda, d. i. das bei uns gewönlich Palisander- oder Polixanderholz genannte, sind nichts seltenes in südbrasilischen Kolonistenwonungen all' dieser in seinem Stoffe prächtige Hausrat präsentirt sich aber one Politur wie one jeden sonstigen künstlerischen Schmuck.

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Auf Ackerbau und Viehzucht beschränken sich die Deutschen  , die in den jüdbrasilischen Städten wonen, natürlich nicht. Sie treiben vielmer alle möglichen Gewerbe, sind als Techniker und Lehrer tätig und haben sich in besonders hervorragendem Maße des Handels bemächtigt. Unter den brasilischen Deutschen   soll das Gefül der Stammverwantschaft und Zusammengehörigkeit so stark sein, daß sie alle Waren, die sie zu kaufen genötigt sind, sich aus deutschen Händen verschaffen. Diese konsequente Bevorzugung des deutschen Handels durch die zalreiche deutsche Bevölkerung half ersterem erklärlicherweise auf das beste, die Konkurrenz von Händlern anderer Nationalitäten aus dem Felde zu schlagen. So ist denn jezt der erheblichste Teil der kaufmännischen Geschäfte, insbesondere der Engrosgeschäfte in den größeren Städten, wie Rio grande, Porto Allegre, San Desterro u. s. w., in deutschen Händen, und alles, was man bedarf, kann man aus ihnen empfangen. Selbst der dem südlichen Amerika   eigentümliche Poncho, ein großes Tuch mit einem Schlitz   zum Durchstecken des Kopfes in der Mitte, der in allen Farben, vorzüglich aber in Dunkelblau und Scharlachrot, üblich ist und von jedermann getragen wird, beziehen die Deutschbrasilianer aus deutschen Fabriken. Nicht minder die riesigen Sporen an den langen Stulpeustifeln und das dolchartige, lange Messer, die Faca, welches zu den verschiedensten Zwecken gebraucht wird, zum Brot- und Futterschneiden, zum Wegbanen im Urwalde und zur Verteidigung. Das deutsche Kapital hat sich übrigens Mühe genug gegeben, mit den deutschen Kolonien in Brasilien   in profitbringender Ver­bindung zu bleiben. Von Hamburg   gehen järlich 50 Schiffe mit deutschen   Waren nach der Provinz Rio grande do Sul   ab, und ungefär ebensoviel findet noch über Brasiliens   Hauptstadt Rio de Janeiro   Eingang in die Südprovinzen. Ferner haben deutsche Handelsfirmen in Brasilien   große Käufe in Grund und Boden abgeschlossen, so hat sich z. B. die eine mächtige Kolenlager in der Nähe von Porto Alegre   erworben, wärend selbst ein Ver­treter des hohen deutschen   Adels, der Fürst von Schönburg­Waldenburg, unternemend genug war, in der Provinz Santa Catharina ein Stück Land von 6000 Morgen anzukaufen, das er ganz gemütlich brachliegen läßt, bis der Fleiß der Ansiedler ringsum den Boden jener Gegend insgesamt erheblich im Preise in die Höhe getrieben haben wird. Gewiß eine praktische und bequeme Art, sein Geld arbeiten" zu lassen!

Eine besondere Art des Handels wird noch von Deutschen  der Provinz Rio grande getrieben. Dieselben sammeln die in großer Menge zu findenden Opale und Achate, verkaufen sie an bemitteltere Landsleute, welche sie ihrerseits dann in ganzen Schiffsladungen nach Europa   bringen, um sie größtenteils in