Oberstein an der Nahe, im oldenburgischen Fürstentum Birken­feld, zu bringen, wo die Achatschleiferei großartiger betrieben wird, als sonstwo in der Welt.

Das von Deutschen   im Verhältnis zu den übrigen Süd­provinzen noch am wenigsten bevölkerte Parana   ist auch die jenige von den dreien, in welche die deutsche Einwanderung zulezt eingedrungen ist und welche auch als Provinz die neueste ist, indem sie erst vor garnicht langer Zeit aus Teilen der Provinz Sao Paolo   gebildet worden ist. Trotzdem macht die Bevölkerung von noch unverwischter europäischer Abkunft die Merheit der Be­völkerung aus, und in dieser Merheit ist dem deutschen   Element bereits das Uebergewicht zugefallen.

Die Hauptstadt von Parana   ist Curitiba  , das jezt etwa 12 000 Einwoner hat und mit dem Dom- Pedrohafen durch eine 104 Kilometer lange Eiſenban verbunden ist, welche in neuester Zeit wol dem Verkehr übergeben worden sein wird. Südwestlich von Curitiba   liegt Lapa, welches unter den deutschen Kolonien eine hervorragende Stelle einnimt. Außer der großen Zal deutscher Ansiedlungen in der Nähe der Hauptstadt liegen näher an der Küste, um die Hafenstadt Baranagua herum, die Kolonien Alessandria   und Euphrasina, und nordwestlich, in schöner frucht barer Gegend, von Paranagua   so etwas wie eine Tagereise ent­fernt, die 1858 von der brasilischen Regierung angelegte, nach dem an ihr vorbeiströmenden Flusse Araçungi benante Kolonie.

Die Industrie Paranas   ist noch im Aufblühen. Ihr Haupt­sächlichstes Produkt sind gröbere Wollenzeuge. In einigen gleich­falls von der Regierung angelegten Indianerdörfern hat man in Buckerfabriken und auch einigen andern industriellen Etablissements versucht, die Indianer an ein kulturmodernes Arbeiterleben zu gewönen. Ob das die rechte Art ist, in den roten Menschen Sympatie für unsre Kultur zu erwecken, mag hier ununtersucht bleiben.

Die nächste der südbrasilischen Provinzen, Santa Catharina, wird von vielen als die schönste unter den dreien hervorgehoben. Besonders soll die Lage der Hauptstadt S. Desterro auf der 35 bis 40 Quadratmeilen großen Insel Santa Catharina un gemein malerisch gelegen und mit herrlichem, lungenstärkenden Klima bedacht sein. Der Hafen von S. Desterro zeigt sich rings von Bergen eingerahmt, welche den Blicken die schmalen Wasserstraßen nach dem Meere im Norden und Süden verdecken. Auf den Abhängen liegen zalreiche Landhäuser verstreut, umgeben von den in allen Nuancen der Goldfarbe schimmernden Früchten des Drangenbaums.

S. Desterro ist beinahe 2%, Jarhunderte alt, aber erst seit 50 Jaren in den Rang der Städte erhoben worden. Auch heute wird es noch kaum 10 000 Einwoner haben, unter denen sich die Verbrecher aus den dunkelfarbigen Rassen bemerklich genug machen, für welche die brasilische Regierung die Stadt seit längerer Zeit als Deportationsort benutzt. Dieser Umstand trägt jedenfalls nicht dazu bei, das Leben in der Hauptstadt von Santa Catharina angenem zu machen, und die ziemlich zalreichen deutschen   Kauf­leute, Lehrer, Handwerker werden trotz der schönen Gegend schwer lich um das Leben in dem sehr unregelmäßig und schlecht gebauten Orte zu beneiden sein.

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Nicht weit von der Insel Santa Catharina liegt auf dem Festlande S. Izabel, wohin von der Regierung im Jare 1846 etwa 80 Deutsche   gebracht wurden, denen es nach vieljärigen harten Kämpfen mit der eigenwilligen südtropischen Natur gelang, eine Reihe von Kolonien zum Gedeihen zu bringen, die heute gut bevölkert sind und unter denen die an dem schiffbaren Küstenfluß Cubatao gelegenen Cederbach, Theresiopolis und Angelina hervorzuheben sind. An dem ebenso breiten und tiefen als schönen Jtajahy, dem nach Norden zu nächsten der Küstenströme, liegt die einst vielgenante Kolonie Blumenau  , 1852 gegründet von dem reichen Braunschweiger gleichen Namens, der sie acht Jare später, nachdem sein ganzes Vermögen in der Gründung aufgegangen war, an die brasilische Regierung abtrat. Gegenwärtig befinden sich die Blumenauer im allgemeinen in guten Verhältnissen; über ein halbes hundert Brauereien, Brenne­reien und Zuckermülen und fast ebensoviel Windmülen sind im Gange, daneben bestehen Cigarrenfabriken und Bierbrauereien, und demzufolge vermehrt sich auch die Bevölkerung rasch. Durch gute Landwege nach dem Meere hin wie ins Gebirge hinauf zeichnet sich Blumenau   vor den anderen deutschen Kolonien sehr zu seinem Vorteile aus.

Der eigentliche Mittelpunkt deutschen   Lebens in der Provinz Santa Catharina   ist das etwas nördlicher als Blumenau   gelegene

Donna Francisca, mit dem anmutigen Gartenstädtchen Joinville  . Von Donna Francisca fürt eine mit allen Vorteilen ausgestattete Wasserstraße nach dem nahen, äußerst geräumigen Seehafen, vor dem eine Insel mit dem Handelsplaze S. Francisco liegt. Zwei Meilen landeinwärts, durch wolbestellte Felder, fürt eine Straße nach der Kolonie Annaburg  ; Brennereien und Möbelfabriken gibt es eine erfleckliche Zal in dem gewerbfleißigen Kleindeutschland, das sich da gebildet hat. Auch eine deutsche Buchhandlung forgt für die geistigen Bedürfnisse der Bevölkerung.

So entwickelt deutsches Leben und Treiben in den beiden eben behandelten Provinzen des südlichen Brasiliens   auch ist, so wenig kann es sich doch mit dem in der dritten Provinz, in Rio grande do Sul   vergleichen. Hier spielt in jeder größeren Stadt, wie in fast allen Teilen des Landes das deutsche Element eine Hauptrolle. Schon in der Stadt Rio grande, die in der unheimlichen Sandwüste an der Lagoa dos Patos liegt, ist das deutlich zu bemerken. Ueberall trifft man auf Deutsche  ; deutsche Vereine find in Menge vorhanden, und neben dem an Größe den berliner Vorstadtteatern gleichen brasilischen Teater traf Canstatt auch ein deutsches Liebhaberteater, bei dem der merkwürdige Brauch bestand, daß jeder Deutsche  , mochte er sein, wer er wollte, und war er selbst der Teatergesellschaft gänzlich unbekannt, an den Vorstellungen als Schauspieler teilnemen konnte, falls er nur Lust dazu hatte.

Zerstreuungen, wie sie Unterhaltungsvereine und Liebhaber­teater bieten, tönnen übrigens die Riograndenser sehr wol brauchen. Die unmittelbare Umgebung der Stadt ist in der Tat trostlos, und ihr Charakter als reine Handelsstadt trägt zum Behagen der Einwonerschaft sicherlich auch nicht bei.

Einwoner hat Rio grande einige zwanzigtausend, und seine Bedeutung erhellt schon daraus, daß es an dem einzigen Hafen liegt, den die ganze, nahe an hundert deutsche Meilen lange Küste der Provinz Rio grande do Sul   aufzuweisen hat.

Mittels einer Dampfschiffart durch die ganze Lagoa dos Patos und einen Teil des Jakuhy gelangt man nach der Provinzial­hauptstadt Porto Alegre  . Größere Unterschiede in der Lage zweier Städte, als sie zwischen Rio grande und Porto Alegre   bestehen, sind kaum denkbar. Lezteres liegt außerordentlich schön. Mitten in lachendem Grün auf hügliger Halbinsel gelegen, zu Füßen den mächtigen Strom, im Hintergrunde die malerisch schönen Berge der Serra Geral, ist Porto Alegre   so schön, wie das wegen seiner prachtvollen Umgebungen berühmte Rio de Janeiro  , dabei aber im Innern nicht den zehnten Teil so schmutzig, als dieses.

Porto Alegre   ist regelmäßig gebaut, seine Bauwerke sind architektonisch lange nicht so geschmacklos, als sonst in brasilischen Städten, und es hat merere stattliche, mit reich ornamentirten Brunnen geschmückte Plätze. Daran, daß keine Rose one Dornen ist, erinnert in Porto Alegre   am meisten das jämmerliche Straßen­pflaster.

Unter den 25 000 Einwonern befinden sich 3-4000 Deutsche  , die sich fast sämtlich wolbefinden sollen. Unter den zalreichen Unterrichtsanstalten sind auch deutsche   Schulen. An Gesang- und Turnvereinen, wie an deutschen   Festlichkeiten felt es natürlich erst recht nicht.

Von Porto Alegre   nach der deutschen   Stadt San Leopoldo ist es nur wenige Meilen weit. Dieselbe ist der Mittelpunkt einer größeren 8al von Kolonien, welche so recht eigentlich die deutsche Welt der Provinz Rio grande ausmachen. Des Sonn­tags strömen tausende von deutschen   Ansiedlern aus nah und fern hier zusammen. Man kann von San Leopoldo aus auf den, hauptsächlich bei ungünstiger Witterung, schauerlich schlechten Land­wegen durch die wildromantische Gegend tagelang reisen, ehe man anders als deutsch   sprechen hört. Selbst die Neger, denen man begegnet, schwäbeln oder sprechen das reinste Sächsisch, wie man es sonst nur zwischen Pirna   und Meißen   zu hören gewönt ist. Auch die Namen der meisten Orte, Berge, Täler sind deutsch  : von San Leopoldo 12 Meilen weit liegt der Ort Hamburgerberg oder Neuhamburg; ehe man dorthin kommt, pasirt man u. a. drei Täler: das Bonental, das Konzlertal und das Holländer­fal und einen Berg, den Petersenberg.

So lautete denn alles so günstig für die deutsche Auswan­derung nach Brasilien  , als man es nur verlangen fann; trotz­alledem aber bleibt das Aufgeben der Heimat ein außerordentlich bedenklicher und auf das reiflichste zu überlegender Schritt, dessen Gefaren und Schwierigkeiten wir in einem nächsten kleineren Artikel beleuchten werden.