( Porträt Seite 236.)
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Ein Mann one Vaterland; ein Franzose, der zu den Klassikern der deutschen Literatur zält; ein preußischer Offizier, der die deutsche Festung, zu deren Besaßung er gehört, seinen preußischen Kameraden nicht an die französischen Feinde verraten half, trozdem er doch selbst Franzose war; ein Mann von altadeliger Abstammung, dem die Revolution von 1789 alles genommen hat, was einen Menschen seiner Geburt über die breite, befiz-, recht- und ehrberaubte Voltsmasse von damals erhob, die seine Eltern in die Verbannung getrieben, das Schloß seiner Väter dem Erdboden gleich gemacht hat, und der dennoch dieselbe Revolution und die, die ihr nachfolgten bei seinen Lebzeiten, in hohem, begeisterungsvollen Andenken hielt; ein Heimatloser, der die innigste Heimatsliebe fülte und dessen Herz doch warm und groß für die ganze Menschheit schlug; ein guter Soldat, der ein großer Naturforscher wurde; ein großer Gelehrter, der ein großer Dichter war dieser Chamisso alles in allem eine Erscheinung, wie sie die Menschheit bisher nicht viele aufzuweisen gehabt und auf die sie Ursache hat, stolz zu sein. Louis Charles Adelaide de Chamisso , gewönlich Adelbert von Chamisso genannt, wurde am 27. Januar des Jares 1781 auf Schloß Boncourt in der Champagne geboren. Von seinem neunten Lebensjare an befand sich Chamisso mit seinen Eltern auf der Wanderschaft, eine neue Heimat suchend. Die Niederlande, in denen sie sich merere Jare aufhielten, boten ihnen keine dauernde Wonstätte, 1795 wanten sie sich nach Süd deutschland und von da zwei Jare später nach Berlin . Hier fand die bertriebene Aristokratenfamilie vielseitiges Entgegenkommen und in der französischen Kolonie ein Häuflein Landsleute, das ihnen wenigstens zu einem kleinen Teile das Vaterland ersezte. Chamisso ward Page der Königin, besuchte das französische Gymnasium, wurde 1798 als Fändrich in die preußische Armee aufgenommen und avancirte 1801 zum Lieutenant. Diese Stellung bildete nicht, wie es bei den meisten andern, den minder willensstarken Geistern, geschiet, den Schlußstein seiner allgemein menschlichen Bildung, im Gegenteil, jezt erst begann er seine reicher bemessenen Mußestunden auf ein tieferes Studium der Sprache und Literatur des Volkes zu wenden, dem das Schicksal den Heimatlosen in die Arme getrieben hatte. Und so wie er in der deutschen Sprache und über sie zu denken begann, dichtete er auch in ihr, und zwar mit einem so entschiedenen und liebenswürdigen Talente, daß sich bald ein Kreis junger, gleich schaffenslustiger und begabter Männer um ihn schaarte. Mit diesen, insbesondere mit dem noch vier Jahre jüngeren Varnhagen von Ense , gab er 1804 ein Musenalmanach heraus. Sein Umgang mit hochgebildeten Deutschen regte ihn zu neuen Studien an und diese warfen sich neben der Beschäftigung mit den griechischen Klassikern auf die Naturwissenschaften. Die Zeitereignisse raubten ihm indes bald die wissenschaftliche Wuße. 1805 nahm er mit seinem Regiment von Berlin Abschied und 1806 sollte er in der Festung Hameln in Hannover den Siegeslauf des übermütigen Corsen aufhalten helfen. Aber er konnte an dem untergeordneten Plaze, den er in der preußischen Militärhierarchie einnam, nichts besseres tun, als dem Festungsfommandanten, dem sich der größte Teil seiner Offiziere in gleicher Jämmerlichkeit anschloß, bei der verräterischen Uebergabe des Plages nicht helfen. Selbst wärend des Kriegslebens hatte Chamisso nicht aufgehört zu studiren und zu dichten; aber er hatte doch nicht vermocht, soviel zu leisten, als ihm Bedürfniß war. Zudem mußte ihn die Schmach, mit der sich das preußische Heer bedeckt hatte, aus deffen Reihen vertreiben. Vorläufig freilich bannte ihn noch die Kriegsgefangenschaft in die Uniform. Auf sein Ehrenwort erhielt er einen Paß nach Frankreich , wo er seine Eltern aufsuchen wollte, welche im Jare 1801 von dem damaligen ersten Konsul Bonaparte die Erlaubniß zur Rückkehr in die Heimat erhalten hatten. Aber er fand nur das Grab seiner Eltern; ein rascher Tod war zwischen ihn und sie getreten. Es gelang den Geschwistern nicht, ihn an Frankreich zu fesseln, unwiderstehlich zog es ihn zurück in das Land seiner Erziehung. Als er nach Friedensschluß, im September 1807, aus der Kriegsgefangenschaft erlöst wurde, begab er sich nach einem kurzen Besuche auf dem Gute jeines Freundes Fouqué wieder nach Berlin . Hier ward ihm die gewünschte Entlassung aus der preußischen Armee, aber nicht so rasch die geistige Wiederaufrichtung, deren er dringend bedurfte. Irr an mir selber, ohne Stand und Geschäft, gebeugt, zerknirscht, verbrachte ich in Berlin die düstere Zeit", schreibt er selbst. Er wußte aber, wo allein für ihn Rettung aus der schweren Not ver Zeit und der eigenen Gemutszerrissenheit zu suchen war. Mit neuem Eifer warf er sich auf das Studium. Hatte er schon früher mit Varnhagen griechische Sprachstudien getrieben, so legte er sich jetzt mit allem Fleiße auf das Lateinische, dann auch auf die spanische und italienische Sprache und verband damit, soweit das möglich war, das Studium der bezüglichen Literaturen. Troßalledem wollte die Zerknirschung", wie er das Gefül nannte, welches damals den Grundton seines Wesens angab, nicht völlig weichen. Eine Natur, wie er, brauchte einen bestimmten Lebenszweck, eine zielsichere Tätigkeit, und diese vermochte er in Berlin sich nicht zu schaffen. Daher war ihm der Ruf zur Uebername einer Professur am Lyceum zu Napoleonville in Frankreich , den ein alter Freund seiner Familie an ihn ergehen ließ, willkommen. Er reiste im Februar 1810 nach Paris ; aber ehe er noch den Ort seiner Bestimmung erreicht hatte, traf ihn die Nachricht, daß die für ihn bestimmte Stelle aufgehoben sei. Die Hoffnung, eine andere feste Anstellung zu finden, hielt ihn in Paris .
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Sie erfüllte sich nicht, dafür aber vermochte er eine zeitlang ungestört seine spanischen Studien fortzusehen und konnte mit Helmine von Chezy, der an den französischen Orientalisten gleichen Namens verheiratheten Enkelin der deutschen Volksdichterin Karschin , an die Uebersetzung der Vorlesungen August Wilhelm Schlegel's über die dramatische Literatur gehen. Schlegel , das geistige Haupt der deutschen Romantiker und selbst der größte Uebersezer, den die Literatur aller Kulturvölker aufzuweisen hat, lebte zu jener Zeit vereint mit Anna Louise Germaine von StaëlHolstein, der genialen Tochter Necker's, des letzten Finanzministers Ludwig XVI . Chamisso tam daher in die Kreise dieser wunderbar begabten Frau, die, von Napoleon aus Paris und dessen vierzigstündigem Umkreise ausgewiesen, auf dem Schlosse Chaumont oder auf ihrem Landgute Coppet in der Schweiz wohnte. Napoleon führte einen förmlichen Krieg mit der Staël , deren großer Einfluß, beruhend auf einer starken Individualität und berauschend- geistvoller Schreibfähigkeit, ihm verhaßt war. Gerade zur Zeit als Chamisso sich ihr angeschlossen hatte und mit ihrem Sohne August von Staël ein inniges Freundschaftsbündnis eingegangen war, ließ sie der französische Gewalthaber von einem Aufenthaltsorte zum anderen jagen. 1812 nam Chamisso teil an ihrer Flucht aus Frankreich und blieb bis zum Herbste dieses Jares bei ihr in Coppet . Als die unnachsichtige Feindschaft des Imperators sie auch aus der Schweiz bis nach Rußland vertrieb, ging Chamisso nach Berlin , um auf der eben gegründeten Universität die in Coppet mit gewontem Fleiß aufgenommenen naturwissenschaftlichen, besonders botanischen Studien fortzusegen. ( Schluß folgt.)
Hippopotamus im Sambesi. ( S. Illustr. S. 237.) Einer der größten und bedeutendsten Ströme des südöstlichen Afrikas ist der Sambesi . Unter 11° 30' südl. Breite und 221/20 östl. Länge in den Sümpfen Dilolo in einer Höhe von 1450 Meter entspringend, fließt er gegen Süden und ergießt sich, 2200 Kilometer lang, ein breites Delta bildend, in 7 Armen in den indischen Ozean. Wie verschiedene andere Flüsse Afrikas ist auch er wenig zur Schiffart geeignet, wegen seiner Stromschnellen und vielen Katarakten, deren größter, der Viktoriafall, bei Seschete( 17° 30' südl. Breite) in einer Höhe von 760 Meter Herabstürzt, seine mächtigen Dampfwollen gen Himmel sendend. Menschliche Kultur ist an seinen durch die Sommerregen mit üppiger Begetation bedeckten Ufern wenig oder fast gar nicht zu finden und die Eingebornen leben dort noch in tiefster Barbarei. Dieser Urzustand macht denn auch die Existenz eines Bewoners erklärlich, der überall, wo er früher lebte, durch die Civilisation verdrängt wurde und heute nur noch als ein Rest der vorweltlichen Riesentiere existirt: der ,, Be hemot " der Bibel( siehe Buch Hiob ) dessen Knochen nach dieser Quelle wie Erz und dessen Gebeine wie eiserne Stäbe sind, der von den Bachweiden gedeckt, den Strom in sich schlucke und sich dünken ließe, als wolle er mit seinem Maule den Jordan ausschöpfen": das Niloder Flußpferd( Hippopotamus amphibius, H. australis) wie wir das ungeschlachte Tier nennen. Es ist der einzige noch lebende Vertreter einer besonderen Familie, der man auch den Namen Plump- oder Feisttier gegeben, das aber nach seinen Gewonheiten am richtigsten von den alten Egyptern mit dem Namen Flußschwein" bezeichnet wurde. Aeußerlich unterscheidet sich dieses ein Gewicht von ca. 2500 Kilogr. erreichende, mit seinem 45 Ctm. langen Schwanz 45-42 Meter in der Länge und ungefär 112 Meter Schulterhöhe messende plumpe Vieh durch seinen viereckigen Kopf mit den kleinen Oren, sowie den schief gegeneinander gestellten großen Augen und schlißförmigen Nasenlöchern von allen andern Säugetieren. Dazu kommt noch die unförmliche Schnauze, der kurze kräftige Hals, der gestreckte, aber über alles Maß verdickte Leib, der ihm sein plumpes Aussehen verleit. Der Bauch ist so voll und rund, daß er damit auf schlammigem Grunde den Boden berührt. Seine unverhältnißmäßig furzen Beine haben breite, hinten und vorn vierhufige Füße, deren Zehen mit Schwimmhäuten verbunden sind. Der kurze dünne Schwanz ist der einzige Körperteil, der am Ende mit kurzen dratänlichen Borsten bedeckt ist, denn sonst bemerkt man auf der 2 Centimeter dicken Haut nur spärlich kurze borstenartige Haare. Dagegen ist die Haut durch sich kreuzende Furchen in schuppenartige Felder geteilt; sie ist kupferbraun, auf der Oberseite mer schmutzig dunkelrot und auf der Unterseite hell purpurbräunlich. Durch die ziem lich regelmäßig auf der Haut verteilten bräunlichen und bläulichen Flecken wird eine gewisse Abwechslung erzeugt. Die Gesammtfärbung ändert sich jedoch je nachdem es naß oder trocken ist. Sein Gebiß bestet aus 40 3änen, von denen die Eckzäne des Unterkiefers riesige Hauer sind und ein Gewicht von 4-6 Kilogr. erreichen. Das Flußpferd ist jetzt in Egypten und Nubien gänzlich ausgerottet und ist fast nur noch im Innern Afrikas zu finden. Es lebt meistens im Wasser und get nur ausnamsweise ans Land, und dies geschiet, wo der Strom nicht reich an den seine Narung bildenden Pflanzen ist, des Nachts, ausnamsweise auch des Tages an menschenleeren Stellen, um sich auf den Sandbänken zu sonnen oder sich im seichten Wasser im Schilfe, änlich dem Schweine, einem traumhaften Halbschlummer hinzugeben. Am leichtesten entdeckt man das unheimliche Individuum an den Flußstellen, wo Felder oder reiche Waldungen am Ufer liegen oder wo das Bett des Flußes als Weide dienen kann. Befindet es sich im Wasser, so bekommt man nur den Kopf zu sehen. Es schwimmt ser behende, taucht auch öfters unter, jedoch nur auf einige Minuten und legt in engeren weniger tiefen Gewässern auf dem Grunde Gruben an, die