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Wortes voller Bedeutung überhaupt, soweit sie von ihm weiß und ihn begreift- denn auch Lessing gehört ihr ganz mit jeder Faser seines warmen Herzens, mit jedem Akte seines mächtigen Wollens, mit jedem Werke seines großartigen Schaffens. Er war nicht nur einer der größten und besten Deutschen er war schlechthin einer der allergrößten und edelsten Menschen, die je gelebt, ein Geist, der in mancher seiner Leistungen von keinem andern Menschen auch von dem größten nicht erreicht worden ist. Die Leser der ,, Neuen Welt" mögen mir gestatten, zu der Feier dieses Gedenktages dadurch mein äußerst bescheidenes Scherflein beizutragen, daß ich kurz hindeute auf einen Punkt in Lessings Wirksamkeit, welcher Mittel- und Brennpunkt der selben gewesen, oder auch die unerschöpf= liche Quelle desselben.
Wie er nach Warheit rang und wie er ihr Wesen begriff, darin vor allem ist er Meister und Muster für alle Zeiten.
In der 1778 ge Duplik
schriebenen
,, Ein Mann, der Unwarheit unter ent gegengesezter Ueberzeugung in guter Absicht ebenso scharfsinnig als bescheiden durchzusezen sucht, ist unendlich mer wert, als ein Mann, der die beste, edelste Warheit aus Vorurteil mit Verschreiung seiner Gegner auf alltägliche Weise verteidigt.
Nicht die Warheit, in deren Besiz irgendein Mensch ist, oder zu sein vermeint, sondern die aufrichtige Mühe, die er angewant hat, hinter die Warheit zu kommen, macht den Wert des Menschen. Denn nicht durch den Besiz, sondern durch die Nachforschung der War heit erweitern sich seine Kräfte, worin allein seine immer wachsende Vollkom menheit bestet. Der Besitz macht ruhig, träge, stolz
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urteil" verficht, hat darüber nicht tiefer nachgedacht, er hat das Ware nicht mit eigener Mühe gefunden, er stieß darauf, wie um ein triviales Bild zu gebrauchen die blinde Henne auf das Korn, daß er in diesem bestimten Falle im Besize eines Granes Warheit ist, daran hat er kein Verdienst. Und auch auf diesem Gebiete gilt der Grundsaz: wie man etwas gewonnen, so gibt man es gemeinhin auch aus. Wer nicht mit saurem Gedankenschweiß sich eine Erkentnis errungen, der schwäzt, wenn er seine Meinung verteidigt, leichtsinnig ins Zeug hin, siet geringschäzig auf die Leute herab, die andrer Meinung sind ist es doch so leicht, zur richtigen Ansicht zu kommen, wie er glaubt. Dieser wird mit seiner Verteidigung von etwas Warem die schärfer
Wenn Gott in seiner Rechten alle Warheit und in seiner Linken den einzigen, immer regen Trieb nach Warheit, obschon mit dem Zusaße, mich immer und ewig zu irren, verschlossen hielte und spräche zu mir: wäle! Ich fiele ihm in Demut in seine Linke und sagte: Vater, gib! die reine Warheit ist ja doch nur für dich allein!"
Gewiß wird es viele geben, welche auf den ersten Blick und der landläufigen Anschauungsweise folgend, sich garnicht in das, was Lessing über die Warheit und das Streben nach ihr sagt, hineinzufinden vermögen.
Ein Mann, der die Warheit, noch dazu die beste, edelste Warheit, verteidigt, soll unter Umständen viel weniger wert sein, als ein andrer, der etwas, was er zwar für war hält, das aber den noch irrig ist, in gewisser Weise zur Anerkennung zu bringen sucht. Indessen ist das Verständnis für diese Behauptung Lessings wol nicht so schwer zu gewinnen. Wer etwas Wares aus Vor
denkenden und edler fülenden Gegner nicht überzeugen, sondern vor den Kopf stoßen, er wird die Warheit nur kompromittiren und im allgemeinen mer schaden als nüzen.
Wie ganz anders der Mann, der seinen Irrtum in guter Absicht ebenso bescheiden als scharfsinnig" durchzusezen sucht! Er leistet sich selbst damit den größten Dienst, indem er, wie Lessing selbst hervorhebt, seine Kraft, zu forschen und durch eigene Dentfähigkeit zu erkennen nicht mit Hülfe eines glücklichen Zufalls ein Stück Warheit vom Wege aufzulesen erweitert
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und stärkt. Dabei nüzt dieser Mann der Warheit, indem er auch andere zum Denken anregt und anreizt, statt sie davon abzuschrecken.
Und im ganzen und großen wird der leztere dem ersteren immer überlegen sein. Neben einer Warheit schwirren hundert und tausend Irrtümer in der geistigen Atmosphäre herum,- wer da gewont ist, one viel Besinnen den Mund aufzusperren, wenn es gilt, sich geistig zu nären, der wird und muß eher von Torheit gefüllt
sein bis zum Ersticken, bevor vom Weine der Warheit auch nur wenige Tröpflein über seine Lippen gekommen sind.
Aber Lessing ziet ja sogar das unausgesezte Frren dem Besiz alles dessen, was Warheit ist, vor. Nun, grade dieser Teil der zitirten Aeußerung beweist, wie tief Lessing das Wesen der Warheit erfaßte. Absolut war ist unsre Erkentnis von den Dingen nur, wenn wir diese in ihrem ganzen Sein und in allen ihren Beziehungen, d. h. in und mit allem, was da ist, erfassen. Solch ein Allesumfassen der menschlichen Erkentnis ist aber undenkbar, das menschliche Wissen ist und kann nur bleiben ein Fortschreiten vom weiter umfassenden, tieferen Nichtwissen zum minder umfassenden, minder tiefen, und grade in diesem Fortschreiten liegt alle Befriedigung, die der menschliche Geist zu empfinden fähig ist.
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Lessing hat uns also auch mit dieser Auffassung des Waren und der Forschung danach auf die rechte Ban gewiesen, ein Stück unbezalbarer Selbsterkentnis uns gelert. B. G.