Die rätselhafte Frau selbst riß ihn aus seiner Verlegenheit, indem sie ungezwungen auf ihn zutrat und ihn an das intereffante Abenteuer erinnerte. Schnell hatte sie ihn in ein Gespräch verwickelt, und war er früher geblendet von ihrer Schönheit, so war er es jezt noch in weit höherem Maße von ihrem Geist, dem großen vorurteilsfreien Blick, mit dem sie Menschen und Verhältnisse beurteilte. Armand fülte sich fast beschämt dieser Frau gegenüber, die ihm berufen schien zu herrschen und die Geschicke ganzer Völker zu lenken. Der Zauber ihrer Er scheinung hielt ihn gebannt, bis sie wieder aufbrach, um Abschied
zu nemen.
,, Kommen Sie auf mein Schloß im Libanon und bleiben Sie einige Zeit bei mir," sagte sie ihm herzlich die Hand reichend, ,, wir wollen über Politik sprechen." Lucnay sagte zu, und sie ging, einen unauslöschlichen Eindruck in der Seele des jungen Mannes zurücklaffend.
Armand beeilte sich nun so ser er konnte, seine Arbeiten in Saida zu beenden und der Einladung Lady Hesters zu folgen. Eine Woche mußte er der Ungeduld Zügel anlegen, dann war er frei.
Lady Hester Stanhope empfing ihn mit aufrichtiger Freude. Ich bin ser dankbar, daß Sie kommen," sagte sie ihm die Hand reichend, die er ehrerbietig füßte, manchmal wird es mir doch zu einsam hier und ich sehne mich nach Gesellschaft, nnd Sie fommen ja aus der großen Welt aus Paris ."
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Der Gast erhielt einen Flügel des Schlosses zu seiner Wonung und ein ganzes Duzend Sklaven zur Bedienung. Hester hauste auf ihrem Felsenschlosse Dar- Dschun wie eine echte asiatische Despotin, von ihren Untertanen ebenso geehrt als gefürchtet. Die Bevölkerung des Libanon hielt sie für eine heilige Frau", für eine Seherin, die in den Sternen lesen und den Menschen und Völkern ihre Zukunft vorhersagen könne. Tatsache war, daß Hester oft in sternenhellen Nächten auf einen der Türme des Schlosses stieg und dort den Gang der Gestirne beobachtete, bis sie im Morgengrau verschwanden. Auch liebte sie es, ihre Träume zu beobachten und zu deuten und sie wußte jedes wich
( Fortsetzung.)
Es war ein alter Student der Medizin, der da am 17. Oftober 1812 auf der jungen Universität Berlin seinen Einzug hielt, nachdem er bereits Offizier gewesen und zwei Jare vorher schon hatte Professor werden sollen. Der im folgenden Jare ausbrechende Befreiungskrieg wider Napoleons Zwingherrschaft wurde für seinen schwer zu zügelnden Taten- und Freiheitsdrang wieder zu einer harten Prüfung. Er bewunderte zwar Napoleons Geistesgröße, aber er haßte glühend seinen Despotismus und hätte leidenschaftlich gern zu dessen Sturze beigetragen. Aber er hätte ja seinen Degen gegen Franzosen zücken müssen, und jede Kugel, die an seiner Seite auf des mit seinen Riesenplänen scheiternden Welteroberers Truppen abgefeuert worden wäre, hätte sein edles Herz mit getroffen. Das erwägten die Freunde sorglicher, als er selbst, darum hinderten sie ihn an der Ausfürung seiner Absicht, als Freiwilliger an dem gewaltigen Kampfe teilzunemen. Daß es ,, aufreibend" für ihn war ,,, bei solcher waffenfreudigen Volksbewegung müßiger Zuschauer bleiben zu müssen", wird ihm niemand bezweifeln. Aber auch jener Spott und Hon, welcher sich über seine unterliegenden Landsleute und ihren Kaiser ergoß, der ungeheure, parteiblinde Haß gegen das Volk seiner Geburt, der ihn in Deutschland in wilden Wogen jarelang umbrandete, zerriß ihm das Herz. Seine damalige Gemütsstimmung fennzeichnet am besten ein Brief, worin der Gründer der großen Buchhandlung von Perthes, Friedrich Cristoph Perthes im Jare 1813 an Fouqué über ihn berichtete.„ Ein wunderbarer und wunderlicher Mann! Ich habe ihn sehr liebenswürdig, sehr geistreich und sehr verstandvoll gefunden. Aber höchst unglücklich ist der Mann: er hat kein Vaterland! seine Natur gehört ganz seinem Mutterlande an und er kann davon sich nicht trennen, und kann doch auch nicht zu den Menschen gehören, die dort wachsen." Ein Glück war es für ihn, daß ihm die Familie Ibenpliz in jener peinvollen Zeit ein Asyl bot in ihrem Landsize Cunersdorf , wo er in stiller Weltabgeschiedenheit die Muße zum Studiren und Schaffen wiederfand. Hier entstand ein kleines Werk, das zuerst seinen Namen weltberümt machen sollte; ,, Peter Schlemihl's wundersame Historie". Wer den Inhalt der Historie des Peter Schlemiht" versteht, begreift den gewaltigen Erfolg, den sie in dem ersten Jarzehnte ihrer literarischen Existenz erzielte und wird der Behauptung recht geben, daß sicherlich noch viele, viele Jarzehnte, wenn nicht noch ein Jarhundert, darüber vergehen werden, bis der Peter Schlemiht" als veraltet gelten, bis sein innerster Gehalt dem Volksgefüle fremd geworden sein wird. Ein junger Mensch, ein armer Teufel von Haus her, verkauft einem mysteriösen, mit den sonderbarsten Zauberkräften ausgestatteten Alten, den er im Hause eines
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tige Ereignis ihres Lebens vorherzusagen. Wie in den Sternen, so las sie auch in den Seelen der Menschen, kein Gedanke konnte ihr verborgen bleiben, ihr scharfer Blick erriet alles.
Ellis, ein junges Mädchen, das sie aus England mitgebracht hatte, war ihre einzige Gesellschaft, alle andern waren Diener und Sklaven. Hester hatte die Gewonheit einer Königin, und so überfloß ihr Haushalt von Reichtum und Pracht. Der Luxus einer ganzen Welt war in ihren Wonzimmern zusammengetragen worden, um ihr das Verweilen in denselben angenem zu machen. Berauschender Blumenduft erfüllte die Räume, und sie sog ihn mit Behagen ein, wenn sie, hingestreckt auf die schwellenden Divans aus rotem golddurchwirkten Damast, ihre herrlichen Glieder ausruhen ließ. Dann ließ sie sich gerne von ihren Dienerinnen die schweren Flechten lösen, deren goldene Wellen bis auf die Erde fluteten. Bei Tage schlief sie. Erst nach Sonnenuntergang stand sie auf und begann ihre Tätigkeit. Stundenlang saß sie am Schreibtisch; ihre Korrespondenz erstreckte sich über die ganze Welt, mit allen großen Männern ihrer Zeit stand sie in geistigem Verkehr, an allen politischen Ereignissen nam sie regen Anteil. Fortwärend kamen und gingen Sendboten aus allen Teilen des Orients, um sich bei ihr Rat und Beistand zu erbitten. Ihr Einfluß auf die türkischen Paschas, die Fürsten der Drusen, die Anfürer der Maroniten war so groß, daß man nichts zu unternemen wagte, one sie vorher um ihre Meinung befragt zu haben. Ihre Sklaven und Diener behandelte sie strenge, oft grausam, aber immer gerecht. Armand Lucnay bewunderte dieses Weib, das durch seine eigene geistige Kraft sich zu dieser Höhe emporgeschwungen hatte, und fürchtete sich zugleich ein wenig vor ihr. Wenn er nach langen und ernsten Gesprächen von Lady Hester kam, dann liebte er es, mit der kleinen bescheidenen Ellis über unbedeutende, nichtssagende Dinge zu plaudern. Der Geist Hesters regte ihn auf, und er mußte alle seine Kräfte anspannen, um demselben zu folgen, wärend die milde weiche Stimme Ellis ihn beruhigte und besänftigte. ( Fortsetzung folgt.)
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vielbegüterten Kaufmanns begegnet, seinen Schatten für einen Geldsack, in welchen der Besizer nur hineinzugreifen braucht, um haufenweise immer neue Schäze herauszuholen. Er ist nun unermäßlich reich, aber er ist unglücklicher als zuvor, denn den Schattenlosen flieht alle Welt, man weist auf ihn mit Fingern, man entsezt sich vor ihm ärger als vor dem schlimsten Verbrecher. Den aus der Welt gleich einem Aussäßigen Ausgestoßenen sucht der Teufel er war jener mit Reichen und Vornemen aller Art auf dem vertrautesten Fuße lebende Herenmeister, der den Schatten gekauft zu einem weiteren Geschäfte zu verfüren. Er will ihm den Schatten wiedergeben und seinen Reichtum lassen, nichts weiter als seine Seele soll er ihm verschreiben. Aber Schlemihl läßt sich ein zweitesmal nicht fangen; er verzichtet auf Schatten und Reichthum und läßt sich um seine Seele nicht prellen. Dafür spielt ihm das Schicksal Siebenmeilenstiefel in die Hände, oder richtiger: an die Füße, und mit diesen durchstreift er nun kreuz und quer die Welt im Dienste der Wissenschaft und damit im Dienste der Menschheit. Das ist der Kern der Historie: ein kleiner unscheinbarer Kern, wenn man ihn in so nackter Darstellung bietet, und schier unerschöpflich an ideellen Beziehungen und unergründlich im Gemüt, das sich darin offenbart, wenn man die äußerlich so anspruchslose kleine Geschichte selbst liest. Natürlich hat man, und vornemlich in Deutschland , viel darüber nachgedacht und geforscht, was der Dichter denn eigentlich unter dem Schatten verstanden haben möchte, und fast ergöglich ist es, zu sehen, wie sich deutsche Literaturhistoriker Mühe geben, sich und die Welt über das zu täuschen, was Schlemihls Schatten in Wirklichkeit ist. Der demokratische Kurz sogar findet die Auslegung, daß Chamisso unter dem Schatten nichts anderes habe bezeichnen wollen, als das Vaterland ,,, durchaus verfelt" und meint, er habe ,, ganz einfach den alten Erfarungssatz zur Anschauung gebracht, daß der Mensch in der gesellschaftlichen Welt sich nur durch den Besitz der bedeutungslosesten, nichtigsten Dinge Ansehen und Anerkennung verschaffen könne. Er muß sich in der Gesellschaft bewegen können, der Mode huldigen, einen Orden, einen Titel haben, sich in nichts von den anderen Menschenkindern unterscheiden, mit einem Worte: im hergebrachten Geleise leben." Nun bedenke man die Zeit, in der Chamisso den Peter Schlemihl geschrieben es war das Jar der einmütigen Kriegserhebung des deutschen Volkes, ja Europas , eine Zeit, in der nur die allerbeschränktesten, aller besseren und höheren Gefüle baren Menschen an solche Nebensachen, wie Titel, Orden, gesellschaftliche Anerkennung noch zu denken vermochten. Und Chamisso, derselbe Chamisso, der sich bitter darüber grämt, daß er in einer solchen waffenfreudigen Zeit daheim bleiben muß hinter dem Ofen hervor der erhofften Völkerbefreiung tatenlos zuschauen er soll versuchen wollen, der Welt in diesem denkbar unpassendsten Moment zu Gemüte zu füren, wie grausam sie ist gegen die Titel- und Ordensarmen,