nicht one Schmerzen ab. Lisbet quält in einem fort und will für ihre Patientin auch etwas zum Eingeben haben. Das schöne Bilderbuch wird achtlos bei Seite geworfen und Tante Eleonora muß unweigerlich ein paar Medizinpillen zurechtmachen, wenn anders sie sich nicht garstig und herzlos zeigen will. Die fleine Lisbet muß ihrem eigenen kleinen, liebevollen Herzen, in dem eine Anung aufdämmert von Mutterliebe und Mutterschmerzen, Genüge tun, und sie weiß es nicht besser denn wie die Alten sungen, so zwitschern halt die Jungen! Drum jammert sie altklug: Ach, nimm nur ein Löffelchen, liebes Gretchen, wenn's auch bitter schmeckt, damit nur menigstens das böse Fieber rasch vorbeiget. Aber es scheinen nicht ein paar homöopatische Tropfen zu sein, welche das Kommerzienratstöchterchen gewissenhaft abzält nein, eine bittere allopatische Mixtur ist's wol, denn Fräulein Puppe schneidet ganz jämmerliche Gesichter und will sich nicht beruhigen, obgleich Lisbet schon zwanzigmal zärtlich gesungen hat:
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Gretchen, was fällt dir ein, Laß doch das Weinen sein!
Nun, sicher wird's bald besser werden; ist doch die kleine Quacksalberin in Wirklichkeit eine echte und rechte Naturheilkünstlerin und gilt im übrigen bei dem franken Gretchen unfelbar das Wort: Wasser tut's freilich! Kein Wunder, daß dies selbst der kluge Bello zu begreifen scheint. Er überläßt sein unterhaltendes Ballspielen, das er vordem mit Lisbet getrieben, dem ausgestopften Aeffchen in der Kaninchenhaut und schaut so sensüchtig drein, als möchte er auch seinen Teil haben von dem so kostbaren Lebenselixir. Schade nur, daß eine derartige Erkenntnis so ser vielen Herren der Schöpfung abget. Denn wenn uns auch die Behauptung keineswegs ganz richtig erscheint, daß der= jenige, welcher stets das Gegenteil von dem tut, was der Arzt ihm anrät, in der Regel am besten gedeit,*) so wird doch sicher auch heute noch mancher sündhafte Mensch mit Hilfe der Medizin, insbesondere mit Hilfe der ihrer eignen Bequemlichkeit und dem Apoteker zulieb nach altem Stil furirenden Aerzte vorzeitig ins Jenseits befördert.
im
-Z
*) Vgl. Dr. Didtmann's Hygieinische Lebensregeln für die heranwachsende Jugend ,, Deutschen Jugendschaz"." Leipzig , Berlag von W. Fink.
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Glücklich die Blonden. Blondes Haar zu besigen, hat zu allen Zeiten für einen großen Vorzug gegolten, und die Damen, denen die Natur dieses Glück versagt, haben sichs schon viel Mühe und schweres Geld kosten lassen, die Natur zu forrigiren. Le donne di Venetia si fanno biondi i capelli( die Damen von Venedig färben sich ihre Haare blond), erzählt Cesare Vecellio , der im 16. Jarhundert ein Buch über die alten und neuen Kleidertrachten der ganzen Welt" schrieb. Er teilt die Rezepte mit. Die Florentinerinnen ahmten in ihrer Leidenschaft für blonde Haare bekanntlich nur den alten Römerinnen nach, die um jeden Preis mit den schönen Germaninnen konkurriren wollten. Jm 17. und 18. Jahrhundert herrschte unter den französischen Damen die ,, Wut" der blonden Haare. Die Königin Anna( von Desterreich, d'Autrich) war blond, ebenso die Herzogin von Longueville, und die Kaiserin Maria Theresia war sogar hochblond. Jede Dame, die am Hofe war oder an den Hof kam, mußte blondes Haar haben oder wenigstens tragen. Madame de la Valliere und Fräulein de la Fontanges, deren Regiment dann fam, waren beide blond, lettere sogar etwas riskirt" oder„, impertinent" blond, und Madame de Montespan , etwas ,, riskirt" die ihnen folgte, beseitigte sorgfältig den Naturfeler dunkelen Haares und prangte bei Hof im schönsten Blond. Blond war gleichbedeutend mit schön. Und im englischen bedeutet heute noch dasselbe Wort- fair blond und schön.
Auch die alten Griechen, die Meister des Schönen, verbanden die Begriffe blond und schön, indem sie die Göttin der Schönheit und Liebe, die Schaumentstiegene( Aphrodite ) mit blondem Lockenhaar darstellten. In Frankreich beschränkte sich beiläufig die Mode der blonden Haare nicht auf das schöne Geschlecht. Wir haben einen Vers des Dichters Guillaume Coquillart , aus dem 15. Jarhundert, also lautend:
Tant aux jours ouvriers qu'à la feste( fête), A Paris un tas de béjaunes
Lavent trois fois le jour leur teste( tête) Afin qu'ils aient le chevalure blonde.
An den Tagen der Arbeit, wie der Feste Wäscht in Paris ein Haufe von Gelbschnäbeln Sich dreimal des Tages den Kopf, Um einen blonden Haarwuchs zu haben.
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Auch heute sind blonde Haare in Paris noch besonders gesucht". Unsere blonden Landsmänner wissen in der Tat gar nicht, was für einen Schatz sie auf dem Kopfe tragen.
lb.
Aus der vierten Dimension. In der vierten Dimension muß irgend eine Schraube los sein, denn es kommen da ganz bedenkliche Dinge vor. Am 30. November v. J. erschienen vor der Queens Bench in London Mrs. Lowe und Mr. Fizgerald, die Mrs. eine ,, Lady" und der Mr. Redakteur des Central- Spiritisten- Organs ,, Spiritual Notes", nebenbei natürlich ,, Gentleman", und beide Mitglieder der ,, British
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National Association of Spiritualists"( britischen nationalen Spiritistenbunds in der vierten Dimension scheints also auch„ Nationalitäten" zu geben). Der Mr. hatte die Mrs. in seinem Blatte verspottet, sie, wegen irgend einer Behauptung für ,, berrückt"( mad) erklärt daher der Prozeß. Die Mrs. gab zu, daß sie öfters im Irrenhaus gewesen und erregte durch ihre viertdimensionalen Aeußerungen allgemeines Erstaunen, daß sie es nicht noch war, imponirte aber dem Mr. dadurch so gewaltig, daß er ihr Abbitte tat, worauf eine Aussönung erfolgte und das Paar vergnügt abzog.
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Und genau vier Tage später am 3. Dezember d. J.- standen sich in London wieder zwei viertdimensionale Parteien vor Gericht gegenüber diesmal wird aber die Sache nicht so harmlos verlaufen, denn der Prozeß ist ser verwickelt. Die Klägerin ist abermals eine Dame, eine Mrs. Davies, und zwar eine sehr reiche Dame, gewesen, ihres Glaubensbekenntnisses Spiritistin . Die Angeklagten, Mr. und Mrs. Fletcher, Mann und Frau, zwei berümte spiritistische Media". Mrs. Davies, die von ihrem Manne getrennt lebt, ist seit Jaren kränklich und hatte sich, zunächst wol zu Heilzwecken, den ,, berümten Medien"( importirt aus Amerika ) angeschlossen. Bald war sie in die geheimsten Geheimnisse der vierten Dimension eingeweiht. Wenn Professor Zöllner die Schilderung der ,, séances"( Sigungen) liest, in denen ihr das Licht der Erkenntniß aufgesteckt wurde, muß ihm das Wasser im Mnnde zusammen laufen. Es wurde geklopft und geschrieben nach Noten; Engelspfötchen und Füßchen à discretion; tanzende, springende Stüle, Tische, Sophas, en gros und en masse. Und da wurde denn auch die vierte Dimension richtig entdeckt. Allerdings nicht von Mrs. Davies, aber doch von ihren Juwelen und Schmucksachen im Betrag von 4000 Pfd. St.( 80,000 Mark), die bei dieser Gelegenheit in die vierte Dimension verschwunden, jedenfalls in keiner andern Dimension zu finden sind. Zur Gesellschaft haben sie für etliche 10 000 Pfd. St. Schuldverschreibungen und Schenkungsurkunden mitgenommen, die indes ,, in jener besseren Welt" nichts nüßen werden, weil unsere grobsinnliche Welt sie für ungültig erflärt. Der modus procedendi( die Art des Vorgehens, d. h. des Einseifens) war: die längst verstorbene Mutter der Mrs. Davies schrieb auf das bekannte Täfelchen, dieſe, Mrs. Davies, solle alles tun, was Mrs. Fletcher, ihre geistige Schwester, ihr anrate". Mrs. Davies hat als fromme Tochter den Rath ihrer Mutter befolgt, und Mr. und Mrs. Fletcher werden auf
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ein paar Järchen aus der vierten Dimension in ein grobsinnliches englb. lisches Gefängniß zu wandern haben.
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Aus allen Winkeln der Beitliteratur.
Was wir dem Dampfe danken. Vor jezt hundert Jaren begann der Dampf mit der Erfindung der Dampfmaschine durch James Watt seine umwälzende Tätigkeit. Welch kolossale Umgestaltung unsere gesellschaftlichen Verhältnisse durch ihn erfaren haben und welche Vorteile er der Menschheit gebracht, mag hier unerörtert bleiben, nur einige Balen aus den statistischen Angaben des Dr. Engel, Direktor des Stat. Bureaus zu Berlin , mögen den gewaltigen Aufschwung, den das Maschinenwesen bisher genommen, illustriren. Nach diesen besitzt Deutsch land gegenwärtig 59 000 Dampfkessel, 10 500 Lokomotiven und 1700 Schiffskessel, darunter Preußen an feststehenden Dampfkesseln aller Art 32 411, an beweglichen Dampffesseln und Lokomobilen 5536 und in Summa 29 895 feststehende Dampfmaschinen; dazu kommen noch 702. Schiffsdampfkessel, 623 Schiffsdampfmaschinen und 6991 Lokomotiven, wärend das Königreich Sachsen 4974 feststehende Dampfkessel aufweist. Desterreich besitzt 12 600 Dampfkessel und 2800 Lokomotiven, Frankreich 49 500 Dampfkessel, 7000 Lokomotiven und 1850 Schiffsteffel. Die Zal der Lokomotiven in den genannten Ländern nebst denen Nordame rikas und Englands beträgt 105 000; die Länge der Eisenbanlinien, auf denen sie sich bewegen, 350 000 Kilometer. Sämmtliche aufgefürten Dampftessel die Lokomotiven mit inbegriffen- erreichen eine Mächtigkeit von 46 millionen Pferdekräften, verrichten also eine Arbeit, welche der von 966 millionen Menschen gleich geschäßt wird. Um sämmtliche Eisenbanen diesseits und jenseits des Kanals in Betrieb zu sehen, war ein Kapitalaufwand von 100 milliarden Franken notwendig, dagegen fosteten die industriellen Dampfmaschinen 65 Milliarden. Nach Dr. Engel beträgt die Zeit, welche die Reisenden seit 1844 auf der Eisenban verbrachten, für Preußen 1061 mill. Stunden. Hätten diese Reisen mit gewönlichem Furwerk gemacht werden müssen, so hätte man zehnmal mer Zeit dazu gebraucht. Der Eisenbanverkehr kostete nun 2030 Mill. Mark; rechnet man noch dazu den auf der Eisenban verbrachten Zeitaufwand à Stunde mit 10 Pfg.= 106,1 Mill. Mark, so erhält man die Gesammtsumme der Kosten von 2136,1 Mill. Mark. Mit Landfurwerk würde aber nach Engel ein Kostenaufwand von 2830 Mill. Mark dafür nötig gewesen sein, wozu noch der dazu erforderliche zehnmal größere Zeitaufwand tommt; das macht, die Stunde wieder zu 10 Pfg. berechnet, 1061 Mill. Mart, also eine Gesammtausgabe von 3891 Mill. Mart. Dies ergiebt ein Mer von 1754 Mill. Mark, die durch die Eisenban erspart wurden. In änlicher Weise berechnet Dr. Engel auch die Ersparnisse im Güterverkehr und erhält 20 Milliarden Mark als Ergebnis. Darf man sich da wol die Frage erlauben, wo die Milliarden hingekommen sind? Auch nicht übel wäre, wenn man erfaren könnte, welchen Einfluß dieser gewaltige Verkehrs- und Betriebsapparat auf das Kleingewerbe ausgeübt hat!
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nrt.