Unendlichkeiten oder wenigstens Uudenkbarkeiten. Die Leser dieses Blattes wissen, was ein Radiometer ist, jenes interessante Stralenmülchen, welches im möglichst luftverdünnten Raume die mechanische Wirkung von Licht und Wärmestralen zur Erscheinung bringt. Man rechnet, daß unter der Glasglocke des Radiometers die Luft auf ein Millionstel von der Dichtigkeit unserer gewönlichen atmosphärischen Luft verdünnt ist und daß eine noch um das zwanzigfache weitergehende Verdünnung möglich ist. Der Erfinder des Radiometers, der englische Gelehrte Crookes, ziet nun aus der Möglichkeit solcher Luftverdünnung allerlei geistreiche und für unsere wissenschaftliche Erkenntnis außer ordentlich belangreiche Schlüsse, von denen hier nur folgendes erwänt sein möge. Crookes sagt:„ Eine Glaskugel von 0,135 Meter( also etwas weniger als 1/8 Meter) Durchmesser enthält nach ungefärer Schäßung mer als eine Quadrillion Moleküle... Eine Quadrillion! Eine Eins, der 24 Rullen folgen; teilt man diese Zal durch eine Million, so repräsentirt der Quotient die Zal der in der gedachten Kugel enthaltenen Moleküle, nachdem die Luft darin auf den millionsten Teil einer Atmosphäre verdünnt ist. Dieser Duotient ist eine Trillion, d. h. eine Million zweimal mit sich selbst multiplizirt: die Eins, gefolgt von 18 Nullen. Der Geist vermag solche Unendlichkeiten nicht zu erfassen; ebenso ist es ihm unmöglich, sich die Kleinheit der materiellen Moleküle vorzustellen. Denken wir uns die Glaskugel bis auf ein millionstel Atmosphäre entleert. Mittels eines fräftigen Funkens können wir ihre Wand durchboren, und die so entstandene Spalte ist so klein, daß man sie nur durch eine starke Lupe zu erkennen vermag. Aber durch diese unbemerkbare Spalte stüzen die Moleküle der äußeren Luft in die Kugel, und wenn wir annemen( eine Anname, welche weit unter der Wirklichfeit bleibt und nur gemacht wird, um eine Idee von diesen Unendlich teiten zu geben), daß in einer Sekunde zehn Millionen Moleküle durch die Spalte eindringen können, wie viel Zeit wird es wol brauchen, bis diese kleine Kugel mit Luft von gewönlichem Drucke vollständig gefüllt ist? Wird es eine Stunde, einen Tag, ein Jar, ein Jarhundert Nein: es würde für menschliche Begriffe eine Ewigkeit dauern, nämlich ungefär 10 Millionen Jare, und wenn wir annemen, das Experiment habe begonnen, als unser Sonnensystem sich gebildet, so wäre es nicht vollendet, wenn einst die Sonne, die reichliche, aber nicht unerschöpfliche Quelle von Wärme, Licht und Kraft, erkaltet sein wird. Xz.
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Literarische Umschau.
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Barlamentarisches über Kunst und Kunsthandwerk nebst Gloffen dazu von A. Reichensperger. Köln . Bachem. Die Kunstgewerbefrage nimmt immer mer das öffentliche Juteresse in Anspruch. Bisher hatten die diesbezüglichen Kreise eine so exklusive Stellung eingenommen, daß entweder der Künstler dem Handwerk fremd gegenüber stand und seine Aufgabe in ,, höheren Regionen" suchte oder indem Handwerker und Gewerbtreibende die Erreichung irer Ziele nur einseitig auf materiellem Gebiete zu finden hofften. Man vergaß, daß der ge werbliche Berufsarbeiter nicht nur die Aufgabe hat, technisch gutes und dauerhaftes zu liefern, um dafür eine entsprechende Entschädigung zu erhalten, sondern daß er auch in Rücksicht auf geschmackvolle Ausführung Pflichten zu erfüllen habe. Ihn hier durch Lieferung guter Vorlagen und Entwürfe zu fördern, ist Pflicht des Künstlers. Die Notlage des Gewerbes hat nun wol in erster Linie dazu beigetragen, daß man dies mer und mer einzusehen anfängt. Auch den auf diesem Gebiete durch merere Schriften bekannten Verfasser mag dieser Umstand bestimmt haben, seine bei den verschiedensten Gelegenheiten im Parlament über diese Frage gehaltenen Reden mit einleitenden Glossen herauszugeben. Sein Standpuft in politischer und religiöser Beziehung ist bekannt, und dieser macht uns auch seine Anschauungen über Kunst und Kunstgewerbe erklärlich. Können wir aber nicht in allem mit ihm übereinstimmen, so gestehen wir doch gern, daß er zum weitaus größten Teile recht hat. Sehr angebracht ist z. B. der scharfe Tadel über das verderbliche Submissionswesen, die systematische Pflege der Vielwisserei und die Vernachlässigung der Förderung der praktischen Kenntnisse auf unseren Kunstschulen. Die von ihm angeführten Beispiele bilden eine treffliche Illustration. Beistimmen muß man ihm auch, wenn er die Praxis der deutschen Künstler angreift, welch lettere mit großer Vorliebe namentlich in der Plastik ihre Stoffe aus der Antike entlehnen, wodurch sie dem gesammten Volte fremd und unverständlich bleiben müssen. Er hat dabei das ,, Nationalmuseum" zu Berlin im Auge, welches eine große Anzal der bedeutendsten Werke besitzt, die dieser Vorwurf trifft. Schon das im Stil der antiken Architektur aufgeführte Gebäude entspräche nicht den auf dem Fries befindlichen Worten: Für deutsche
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Kunst". Mit vollem Rechte weist er darauf hin, daß zu solchem Zwecke die vaterländische Geschichte dem Künstler an Stoffen die ergiebigste Ausbeute gewäre. Auch der Tadel gegen den den Stilgefeßen fernstehenden und sich auf diesem Gebiete in echt bureaukratischer Weise geltendmachenden Staatsmechanismus ist am Blaze. Hatte doch der Chef des Reichspostwesens, Herr Dr. Stephan, als der Verfasser gegen die dem Reichstage in seiner vorjärigen Session vorgelegten Entwürfe zu neuen Postgebäuden Bedenken geäußert, da die Merzal der Pläne nicht zu ihrem Vorteile Anläufe nach den verschiedenartigsten Stilen hin zu erkennen gäben, erwidert ,,, sein Bestreben gehe dahin, die Postund Telegrafengebäude möglichst in einem der architektonischen Physiognomie der betreffenden Stadt entsprechenden Stile zu halten". Diese der in der antik- klassischen Kunstperiode sowohl als auch der heute von den genialſten Künstlern und Teoretikern gelehrten und geübten Kunstpraxis gegenüber sehr naiv erscheinde, Auffassung findet denn auch in der vorliegenden Broschüre die ihr gebürende Antwort. Reichensperger sagt: Fast sollte man glauben, auf dem Baubureau des Generalpostmeisters ständen, etwa wie in Apoteken, die Stile in Büchsen bereit, so daß je nach Bedarf der mit dem Bauwesen betraute Beamte nur zuzugreifen brauche. Solcher Verfarungsweise liegt der weit verbreitete Irrtum zu Grunde, es sei der Stil etwas rein Aeußerliches 2c." Wie erklärlich, richtet sich sein Vorwurf auch namentlich gegen das Nackte. Das herrschende Christenthum hat in der Ertötung des Fleisches immer seine erste Aufgabe gesehen, und es ist deshalb kein Wunder, wenn einer seiner hervorragendsten Repräsentanten auch heute noch diese Marime als Maßstab für die philosofischen und künstlerischen Bestrebungen betrachtet. Seine Einwände mögen gelten, wo die Sinnlichkeit um ihrer selbst willen dargestellt wird, was ja heute vielfach der Fall ist. Aber nicht da, wo es sich beispielsweise um die Darstellung des personifizirten Schmerzes wie beim Laokoon oder des Schönheitsideals der Aphrodite handelt. Hier das Nackte negiren, heißt die menschlichen Gefüle, also den ganzen Menschen negiren, denn diese haben ihren Siz nicht allein im Gesicht. Troß alledem und troß der von uns nicht getheilten Hoffnung, die der Verfasser auf die für das Kunsthandwerk fördernd sein sollenden Zunftbestrebungen der Neuzeit seßt, enthält die Schrift so viel des Guten und Beherzigenswerten, daß wir dieselbe allen nur zum Selbstlesen empfelen können.
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nrt.
Der Arbeiterfreund." Kalender für das Jar 1881. Berlin , Wiegandt& Grieben. In der christlich- sozialen Arbeiterpartei liegt das Heil der Welt und Stöcker verrichtet, wie er meint, zur Ehre seines Herrn und Heilandes Jesu Christi Handlangerdienst an dem großen und herrlichen Einigkeitswerke, durch die Warheit des lauteren evangelischen Christentums einzuwirken auf das öffentliche Leben. Darauf läuft etwa der Inhalt dieses christlich- sozialen Agitationskalenders hinaus. Seine Parole ist selbstverständlich: Mit Gott für König und Vaterland. Am Schlusse ist das Programm, die Statuten und der Organisationsplan der christlich- sozialen Arbeiterpartei, sowie ein Verzeichnis der Agitations- Flugblätter gegeben. Zwei Lichtdruckbilder, von denen das eine
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darstellend die Prinzessin Auguste Viktoria von Schleswig- Holstein aussiet, als sei es in einer Rußkammer fabrizirt, wärend das andere, weniger miserabel gedruckte, das Bild Sr. antisemitischen Heiligkeit( natürlich mit tendenziöser Biographie) zeigt, zieren den wirklich und warhaftigen- ,, Arbeiterfreund".
Redaktionskorrespondenz.
Abonnent Friedr. H. Ueber die Gesamtheit der ,, Nordpolfarten" hat der vor. Jargang der N. W." ausfürlichen Bericht gebracht und Bilder von Landschaften der Eisregionen find gleichfalls öfter gebracht worden.
Breslau . Eine Hausfrau. Durch Wachsmilch lassen sich derlei Figuren aus Gips oder änlichem Material vortrefflich konserviren. Dieselben nemen, damit überzogen, einen matten Glanz an und der stärkste Regen haftet nicht darauf. Nur muß man beim Auftragen der Milch die Vorsicht gebrauchen, die Figuren oder den Körper erst mit Wasser naß zu machen, es würde sich sonst das Wachs stellenweise anhäufen. Ferner eignet sich diese Milch zum Poliren der Möbel ser gut, oder auch zum Bestreichen der Fußböden. Man stellt sie her, indem man 100 Gramm Potasche mit 1/2 Kilo Waffer bis zum Sieden erhizt und unter Umrüren nach und nach 200 Gramm Wachs hinzusezt. Es wird ein Aufbrausen entstehen, und man ſezt, wenn das vorüber, noch 1/2 Kilo Wasser hinzu und erhizt solauge, bis eine gleichartige Masse geworden ist. Aufbewart wird die
Wachsmilch in Flaschen, die vor dem Gebrauch tüchtig durchzuschütteln sind.
Milwaukee. X. Sie werden uns durch einen Bericht über Ihre Reise nach den Indianerreservatorien ser verpflichten. Bezüglich der fraglichen Abbildungen ist uns nicht recht flar, was Sie wünschen. Wenn Sie mit denselben zufrieden sind, so wie sie sich in ber ,, N. W. " vorfinden, so brauchen Sie ja nur die bezüglichen Nummern zu besteden. Wünschen Sie aber besondere Abzüge', so würde die Sache Schwierigkeiten haben, aber doch in Erwägung zu ziehen sein. Ueber die übrigen Punkte Ihrer Anfragen werden wir uns brieflich äußern. Frdl. Gr.
Hamburg . P. T. Sie werden in den folgenden Nummern der ,, N. W. " mer Produkten lyrischer Poesie begegnen, als wir in lestvergangener Zeit zu veröffentlichen in der Lage waren.
Inhalt. Die Schwestern, Roman von M. Kautsky( Fortsetzung). Cartefius und Spinoza . Ihr Verhältniß zur modernen Weltanschauung. Von Dr. A. Mülberger( Fortsetzung). Die Herrin von Dar- Dichun, Zu Lessings 100järiger Todesfeier( mit dem Porträt Lessings). von Wanda v. Dunajew. Bum 100järigen Geburtstage Chamisso's ( Fortsetzung). Studentinnen und Verwantes. Kinderstube( mit Jllustration). Glücklich die Blonden. Aus der vierten Dimension. Heilkunde in der dem Dampfe danken. Unendlichkeiten oder wenigstens Undenkbarkeiten. Aus allen Winkeln der Zeitliteratur: Was wir Redaktionskorrespondenz.
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Literarische Umschau.
Verantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser in Leipzig ( Südstraße 5). Expedition: Färberstraße 12. II. in Leipzig . Drud und Verlag von Franz Goldhausen in Leipzig .
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