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Krücken irgendwelchen religiösen Aberglaubens noch bedarf; aber er empfindet die Verpflichtung, gegen Jud' und Christ gerecht zu sein, und hält es für nicht überflüssig, in Zeiten, wo der Pöbel, sei es der vorneme oder der geringe, in Judenverfolgungsorgien sein bischen Verstand und Tatkraft vergeudet, durch Streiflichter auf die Geschichte der Vergangenheit zu zeigen, daß die Leiden dieses Volkes tausendmal schwerer wiegen, als seine schlimsten Untugenden in die Wagschale fallen könten. Hätte das Juden­tum selbst zehnmal mer Verbrecher zur Welt gebracht, als irgend ein andres Volk, irgendeine andre Religion, hätten sie nur den zehnten Teil von dem für ware Kultur und Humanität ge­leistet, was wir ihnen wirklich zuzuschreiben haben, das was sie mer erdulden mußten, als die Angehörigen andrer Völker, die Bekenner andrer Religionen, haben sie doch nicht zum tausendsten Teile verdient. Wie man ihnen in allen Christenländern Kinder­morde, Brunnenvergiftungen, Seuchenanstiftung u. s. w. auf den Hals log, um sie berauben und verjagen, martern und morden zu können, das ist so bekannt, daß ich hier, nachdem ich einen Abriß ihrer spanischen Leidensgeschichte gegeben habe, nicht darauf zurückzukommen brauche.

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Um zu einem einigermaßen versöhnenden Schlusse zu kom­men, will ich von den Königen im fernen Osten erzälen, auf welche sich schon die Juden des westgotischen Reiches, wie wir sahen, berufen haben, zum Beweise, daß das Szepter noch nicht gewichen sei von Juda, der ware Messias also noch nicht gekommen sein könne.

In den ersten Jarhunderten nach Christi Geburt hingen merere arabische Fürsten, z. B. der des parthischen Vasallen­staates Adiabene und die der unter römischer Hoheit stehenden Kommagene dem Judentum an. Um 230 errang sich ein Jude den Fürstentron von Jemen in Arabien . In Abessinien gründeten alexandrinische Juden einen Staat, der sich bis ins 15. Jarhundert erhalten hat. Indische Juden sollen ferner am Ende des 5. Jarhunderts eine staatlich unabhängige Gemein­schaft gebildet haben, die erst nach tausendjärigem Bestande von einem indischen Fürsten zerstört werden konnte.

Im achten Jarhundert nach Christi jedoch kam das Juden­tum in einem seiner Teile zu dem höchsten Glanze, der es seit dem Untergange seines palästinensischen Reiches bis heute um­stralt hat, indem sich Bulan, der Chakan der Chasaren , zur Religion Abrahams , Isaaks und Jakobs bekehrte.

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Die Chasaren traten in dem Massengedränge der Völker­wanderung im vierten oder fünften Jarhundert der christlichen Zeitrechnung in den Kaukasusländern auf und gewannen lange Zeit stetig an Herrschergewalt über Land und Leute. Finnisch­ugrischen Stammes, also Brudervolk der Magyaren, oder, wie andre meinen, türkischer Abstammung, in späterer Zeit jeden­falls aus Völkern von ser verschiedener Herkunft gemischt, waren sie ein kriegerisches Volk, welches von der Jagd und Viehzucht lebte und seinen Nachbarn durch beständige Raubzüge recht läftig gefallen sein mag. Regiert wurde jeder ihrer Stämme von einem Fürsten , der mit allen seinen Standesgenossen einem Oberkönig, Chakan genannt, untergeben war.

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- jüdischen dennoch aber etwa 250 Jare lang frühes Ende Königen gehorsam und hier durfte sich Israel nicht blos das auserwälte Volk zu sein glauben, sondern es konnte sich mit bestem Grunde auserwält vor allen andern fülen. Und es hat von seiner Herrschergewalt unvergleichlich besseren Gebrauch gemacht als jedes der christlichen Reiche, nicht nur der damaligen Zeit, sondern aller Zeiten bis heute. Die Juden unter den Chasaren quälten und verfolgten Andersgläubige nicht, nein, sie ließen jeden ganz ungestört nach seiner Façon selig werden. Und sie duldeten die fremden Religionen nicht blos, sondern sie räumten ihnen volle Gleichberechtigung ein und gewärten allen ihren religiösen Gegnern Anteil an der Regierung.

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Unter dem jüdischen Könige und neben dem jüdischen Minister stand ein aus Mitgliedern aller im Lande vertretenen Religions­parteien zusammengesezter Ministerrat; und damit religiöse Partei­lichkeit bei der Rechtsprechung ausgeschlossen sei, wurden moha­medanische Angeschuldigte von mohamedanischen Richtern, christliche von christlichen, Anhänger asiatischer Naturreligionen von ihren Religionsbrüdern und jüdische gleichfalls von jüdischen Richtern gerichtet. Alle die Berichte aus jener Zeit, welche sich in freilich äußerst spärlicher und lückenhafter Weise mit den Chasaren be= schäftigen, beweisen übereinstimmend, daß diese zu einer verhältnis­mäßig hohen Kultur emporgestiegen waren.

Unter den Judenkönigen gelangten die Chasaren auch auf den Gipfel ihrer Macht. Ihr Reich umspante in der zweiten Hälfte des neunten Jarhunderts das ganze Südrußland von heute. Vom Ural reichte es bis zu den Karpathen und vom Südende des Kaukasus bis hinauf zur mittlern Wolga . Anfäng­lich war in Balangiar, dem jezigen Astrachan , am Kaspischen Meere die Residenz der Chasarentönige, später riefen sie byzan­tinische Baumeister ins Land und ließen sich in Sarket, zu deutsch soviel als Weißenturm oder Weißenburg , dem heut gänzlich bedeutungslosen Nest Bjelalaweza im Gouvernement Orenburg, eine neue prächtige Hauptstadt bauen.

Doch nicht viel über ein Jarhundert dauerte die glorreiche Judenherrschaft. Am Ausgange des zehnten oder am Anfange des elften Jarhunderts gerieten sie in Kämpfe mit den Russen, die unter der Herrschaft der normannischen Waräger sich mit den Chasaren zwar nicht im geringsten in der Kultur, wol aber in der Kriegsmacht messen konten. Nach wiederholten furchtbaren Schlägen wurde endlich Sarkel erobert und zerstört, und die geistig höherstehenden Chasaren gingen auf oder vielmer unter im Barbarenvolke der Russen.

Der arme, verachtete russische Jude ist der Nachkomme jenes herrschenden Teils des einst gewaltigen und anscheinend für eine große Zukunft bestimten Vasallenvoltes, und auch in den nicht ganz eine halbe Million zälenden, unsauberen und faulen, aber nicht gemütsarmen und unredlichen Tschuwaschen in den Wald­schluchten an der Wolga in den Gouvernements Kasan , Simbirsk und Nischninowgorod, will man einen Teil der traurigen Ueber­reste des interessanten Volkes wiederfinden.

Sei aber dem, wie ihm mag- das eine stet fest: wärend Im achten Jarhundert kamen die Chasaren mit den gegen die fanatisch- religiösen Christen mit Feuer und Schwert die ihnen den Kaukasus vordringenden Mohamedanern in blutige Kämpfe, eigentümliche Art des Kulturkampfs fürten und damit sich das die sie siegreich bestanden. Darnach scheinen sie, oder wenigstens Brandmal der Schande auf die Stirn drückten, hatten Juden die herrschenden Familien, zum Islam übergetreten zu sein, denn einen Musterstaat religiöser Toleranz gegründet, dessen sich kaum noch im selben Jarhundert sehen wir das Judentum mit der Lessings Natan der Weise geschämt haben würde, einen Staat, Religion Mohameds im Streite um die Herrschaft im Chasaren den das, was in unsern Schulen Weltgeschichte genannt wird, reiche. Auch dabei unterlag der siegesgewonte Mohamedanismus vornem übersiet und von dem auch die Juden des Abendlandes gegen die sonst in der gauzen Welt verachteten und mit Füßen im Mittelalter nur wie von einem unerreichbaren Sagenlande getretenen Nachkommen Jakobs- in der Mitte des achten zu erzälen wußten. in der Mitte des achten zu erzälen wußten. Es war auch ein Kulturkampf, den die Jarhunderts war es ungefär, daß es gelang, den Chakan Bulan Juden in den Ebenen zwischen Wolga, Don und Dnieper fürten, ein Kulturkampf, an dem sich die frommen Christen des 19. Jar­zum Judentum zu bekehren. hunderts noch ein Muster nemen tönnten.

Seitdem blieb das Reich der Chasaren bis an sein unverdient

Der Eingang zur Grotte von Antiparos, wie er sich( S. 272) auf unserm Bilde den Blicken der Leser darbietet, läßt es begreiflich erscheinen, daß diese herrliche Tropfsteinhöle den Alten unbekannt ge­blieben ist. Das ist schon nicht mer Eingang, sondern Einkletterung, wenn man, wie hier, an Seilen und auf Strickleitern über Abgründe hinweg steigen muß, und dabei natürlich jeden Augenblick in die fatale Lage kommen fann, sein bischen Leben einzubüßen. Antiparos iſt eine kleine unbedeutende griechische Insel, welche zu der im aegaeischen Meere( Archipel, Inselmeer) liegenden Cycladengruppe gehört und neben dem, nur durch eine ser schmale Meereno rennten, im Altertum

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durch seinen feinen weißen Marmor berümten Paros sich befindet. Die Zal der Einwoner auf dem 28 Quadratkilometer großen Flächenraum ist in den mir vorliegenden Quellen abweichend mit 1200, 800 und 500 angegeben sie ist also jedenfalls sehr gering und wird es war­scheinlich bleiben, da außer dem Betriebe einiger Bleigruben und neben Wein- und Baumwollenbau Viehzucht den einzigen Narungszweig der Bewoner bildet. Die Landschaft ist nicht one Reiz- ein Cedern und Cypressenhain hat immer etwas Anmutendes, und der Duft des wilden Tymian ist sicher dem Knoblauchgeruch, wie ihn z. B. das Leipziger Rosental so freigebig bietet, vorzuziehen. Weltruf hat die Insel durch

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