Rufen Sie nicht, sie schläft, ich bitte, wecken Sie sie nicht, sie bedarf der Ruhe, sie ist drei Tage und Nächte nicht von Ihrem Bett gekommen, Malchen, haben Sie nun auch etwas Erbarmen mit ihr; oder mißgönnen Sie ihr das bischen Schlaf?"

Nein," entgegnete Malchen leise, aber noch immer in einem gereizten Tone, sie soll schlafen; aber was haben Sie hier zu tun? Gehen Sie hinaus."

,, Aber Malchen, Sie brauchen Wartung und Pflege." ,, Nicht die Ihrige."

,, Sie müssen Umschläge bekommen, der Arzt hat es befolen." Ich brauche keine mer, mein Kopf ist nicht mer heiß, ich bin schon ganz gesund."

,, Dho, Fräulein Malchen."

,, Nichts, oho, Sie gehen hinaus, ich will es!" ,, Aber da werde ich doch vorher Minna wecken." ,, Nein, nein, lassen Sie sie schlafen."

,, Dann nemen Sie wenigstens einen Löffel Medizin von mir." Ich werde sie nemen, wenn Sie draußen sind." ,, Sie sind eigensinnig."

,, Nein, aber es empört mich, daß Sie nun schon des Nachts zu uns hereinkommen; das gehört sich nicht, und das leide ich nicht, nein, das leide ich nicht. Sie haben hier nichts zu schaffen, und ich begreife Minna nicht, daß sie so etwas"

Sie kam nicht weiter. Das lauter werdende Gespräch der beiden hatte Minna erweckt; sie hatte sich rasch erhoben und war herangekommen, one daß sie von den Streitenden bemerkt worden wäre, jezt aber umschlang sie Malchen mit ihren Armen und drückte sie sanft in die Kissen zurück.

,, Sei ruhig und rege dich nicht auf, vergieb mir und ihm, er meint es so gut."

,, Ach ja, gut," murmelte Malchen, sich grollend zur Seite wendend, was brauchen wir seine Gutheit, und wenn wir jeden guten Mann in unser Zimmer-"

Wieder unterbrach sie Minna, und diesmal in einem ver­weisenden Tone: Jeden? aber Fritz ist nicht jeder und nicht der erste beste, er ist der Mann, dem ich für's Leben angehören will und für mich deshalb der einzige, den ich liebe und dem ich

vertraue."

Friz faßte ihre Hand und drückte sie fest in der seinen.

,, Nicht in allem, Minna, aber ich werde mir dein volles Ver­trauen zu verdienen suchen; und nun gehe ich, zufrieden, daß du doch einige Stunden wenigstens geschlafen hast."

,, Einige Stunden!" rief Minna mit ungemessenem Erstaunen. Aber das ist doch nicht möglich-"

Ja wol, mein Liebchen, es ist Morgen; die Lerche ist's und nicht die Nachtigall, und nun adieu." Er füßte sie rasch und heftig einige mal nacheinander, und als Malchen, dies mit an­sehend, einen Laut des Misvergnügens nicht unterdrücken konte, rief er ihr neckend zu: Jezt nemen Sie Sich nur zusammen, Malchen, daß Sie baldigst gesund werden, sonst komme ich Ihnen noch einmal als Krantenwärter auf den Hals." Im nächsten Augenblick war er aus der Tür.

Den ganzen Tag bekam Minna nichts von ihm zu sehen, noch zu hören. Er war fortgegangen, sie wußte nicht, wohin.

Es war spät am Nachmittag, als sie sein wolbekantes Klopfen vernam. Sie eilte zu ihm hinaus. Er fragte nach Malchens

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Befinden, und sie konte ihm froh berichten, daß es viel, ja ganz bedeutend besser gehe; das Fieber sei fast verschwunden und auch der Hautreiz sei verringert. Der Doktor hätte versichert, daß, wenn die Besserung so fortschreite, sie in einigen Tagen schon das Bett werde verlassen dürfen. Frizz sah sehr glücklich aus und voll guter Laune versicherte er, diese rasche Besserung sei nur durch seine unvergleichliche Behandlung bewirkt worden, und er lasse Malchen sagen, er wäre geneigt, sich ihr noch ferner zu widmen, wenn sie es verlange. Minna aber versicherte lachend, daß die kleine Patientin weniger als je von ihm wissen wolle. Man fonte in dem Augenblicke ihre Stimme hören, die nach der Schwester rief. Minna wollte dem Rufe folgen, er aber hielt sie noch immer an den Händen fest, und seine Augen baten so zärtlich, doch noch ein wenig zu verweilen, daß sie willfarte. Aber als Malchen sich ungeduldiger zeigte, mußte man doch endlich zu dem lezten Händedrud kommen. Minna fülte, daß er ihr dabei etwas in die Hand drückte; rasch wollte sie nachsehen, was es sei; er aber preßte ihr die kleine Faust zusammen, und indem eine Pur­purglut in seinen Wangen aufstieg, sagte er in einem sonderbaren, fast ängstlichen Tone: Sieh es nicht an in meiner Gegenwart, ich schäme mich, daß es so wenig ist, aber du wirst nun alle Tage das gleiche erhalten, bis nun, bis du selbst wieder ar­beiten kanst." Er trat rasch in seine Tür und zog sie hinter sich zu. Sie öffnete die Hand; eine Guldenbanknote lag darin. Eine Träne trat ihr ins Auge. Er arbeitet um Tagelon, dachte sie, für uns, für mich, mein armer, guter, braver Friz!

Sie nam das Geld one Zögern und one jedes beklemmende Gefül. Sie fülte, daß sie jeden Augenblick für ihn dasselbe getan hätte. Sie erwänte jedoch nichts davon gegen Malchen; sie kante das spröde Mädchenherz, diese hätte es nicht angenommen, das wußte sie. Auch Friz sagte sie nichts, als sie ihn wiedersah, aber ihr Blick verriet ihm mer, als Worte hätten aussprechen können. Nur noch inniger verbunden fülten sich die zwei und höher hielten sie sich in ihrem Herzen.

Nur einmal in diesen Tagen, als er ihr wieder den kärglichen Verdienst brachte, fragte sie ihn schüchtern: Friz, sag' mir, wo­mit verdienst du's?" Und er entgegnete lachend: Dadurch, daß ich mich in den Anfangsgründen meiner Kunst vervollkomne." ,, Ach, du scherzest immer; sag' mir die Warheit."

,, Es ist die Warheit; schau, ich war so ein eingebildeter Bursche, zu glauben, ich könnte schon ein Maler sein, und kann doch nicht einmal anstreichen, jezt lerne ich's, und ich werd's bald weg haben."

,, Du bist Anstreicher geworden?"

,, Das heißt, wenn Herr Jordan, bürgerlicher Anstreicher und Schriftenmaler, nicht gerade so viele Aufträge bekommen hätte, hätte ich höchstwarscheinlich nicht das Glück gehabt, von ihm aufgenommen zu werden, denn ich sei doch eigentlich nur ein Stümper, meinte er, aber seither, und besonders als ich ihm gestern einen, Johann Fliegenschnee, bürgerlicher Gastwirt', in schönen reinlichen Buch­staben hinmalte, und noch dazu one einen einzigen ortographischen Feler, ist sein Urteil etwas milder geworden, und heute sagte er mir, das Ding werde sich machen, und er sei sogar geneigt, mir außer seiner Zufriedenheit noch dreißig Kreuzer täglich mer zu geben. Du siehst also, Minchen, meine Aussichten steigen." ( Fortsezung folgt.)

Iris als Schuzgöttin.

Eine physikalische Stizze von Dr. Franz Ferdinand Schmidt.

( Hierzu die umstehenden Zeichnungen.)

Wer hätte nicht schon von den gewaltigen Entdeckungen ge­hört, welche wir der Untersuchung jenes bunten Lichtstreifchens, des Spektrums, dieses künstlichen Regenbogens, verdanken! Staunenerregend sind sie; aber kann es uns gleich mit noch so hoher Genugtuung erfüllen, daß wir über die Zusammensezung unsres eignen Planeten ganz neue, ungeahnte Aufschlüsse erhalten haben; daß wir jezt von der Beschaffenheit der Sonne, der Fir­sterne, ja, der Nebelflecke und Kometen mit fast derselben Sicher heit reden dürfen, als hätten wir ein handgreifliches Stück dieser Weltkörper im chemischen Laboratorium untersucht; daß wir ge­waltige Bewegungen beobachten und sogar messen können, von deren Existenz wir früher nicht einmal eine Ahnung hatten und

haben konten; ist es auch noch so verlockend, alles dieses näher kennen zu lernen, so wollen wir gleichwol zunächst die bescheidenste, aber für das Wol des einzelnen wertvollste Anwendung jener Naturerscheinung betrachten.

Die Natur gibt reichlich, aber nur selten können wir ihre Gaben nach Belieben ausnuzen, und mit der Wissenschaft würde es übel aussehen, wenn wir allein darauf angewiesen wären, uns das, was uns da hin und wieder geboten wird, dienstbar zu machen, und sei es dann auch noch so reichlich vorhanden. Was beginnen wir mit dem gewaltigen Elektrizitätsvorrat, welcher uns in einer Gewitterwolfe geboten wird? Nichts! Und welcher mannichfachen Anwendung ist dagegen das bischen Elektrizität