daß dies nicht Ablehnung bedeutet, daß es Verwirrung ist, und dies verwirrt ihn selbst. Aber es macht ihn auch ungeduldig, und um rasch über dies aufsteigende Unbehagen hinwegzukommen, färt er in seinem jugendlichen Ungestüm gradheraus:
,, Mein Fräulein, ich bin gekommen, weil ich mit Ihnen zu reden habe."
Sie schlug die Auge zu ihm auf. Friz gestand es sich in diesem Augenblicke zu, daß ein eigentümlicher Zauber in ihnen lag; o gewiß, sie hatte wunderbare Augen. Sie sagte etwas, er fonte es nicht verstehen. Sie tat hierauf einige ungewisse Schritte an ihm vorüber, aber jezt hatte sie das Sopha, das in der tiefen Ecke stand, erreicht, und sie deutete, indem sie sich darauf niederließ, auf einen nahen Sessel.
,, Nemen Sie Plaz," sagte sie. Es klang so konventionell, als möglich.
Er sezte sich. Und wieder trat eine Pause ein. Der junge Mann faltete die dichten Brauen:
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,, Fräulein, Sie erschweren mir die Ausfürung meines Vorhabens durch dies geringe Entgegenkommen; warlich, ich weiß nicht, ist es die Ueberraschung, daß ich es gewagt habe, hier ein zudringen, die Sie so stumm macht, oder" er sah sie scharf an ,, wissen Sie bereits, weshalb ich komme?"
,, Nein," flüsterte sie, aber ich will es hören. Sei es, was es sei, Sie sollen es mir sagen."
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,, Das will ich auch," bemerkte er kurz. Dann sah er doch wieder nach ihr hinüber und seine Augen und seine Stimme gewannen plözlich einen weicheren, innigeren Ausdruck:„ Es ist mir so vorgekommen und ich habe immer gedacht, daß ich etwas über Sie vermöchte, daß daß ich einigen Einfluß auf Sie haben müßte, ich möchte ihn heute geltend machen, Elvira-" Er brach ab, als er die dunklen Flammen bemerkte, die bei dieser vertraulichen Benennung über des Mädchens Wangen jagten. ,, Verzeihen Sie," begann er dann etwas zurückhaltender und doch kaum minder herzlich ,,, ich will mir keine Vertraulichkeiten anmaßen, aber der Grund meines Hierseins ist so eigentümlich, und nur ein Freund, ein Bruder darf es wagen, so zu Ihnen zu sprechen, wie ich es tun will."
Sie preßte die Hand aufs Herz, als könne sie sein Schlagen dadurch zurückdrängen, ihre Lippen öffneten sich ein wenig, fragend sah sie ihn an:
Sie haben mir also eine ernste Mitteilung zu machen, und sie betrifft-?"
,, Sie allein, mein Fräulein."
,, Ach!" rief sie überrascht, in jähem Selbstvergessen.„ Mich allein?" wiederholte sie, indes eine Flut von Gedanken auf sie einstürmte, Gedanken der verschiedensten Art, freudig, ängstlich, unausdenkbar.
„ Mit einem Wort," sagte er rasch und kräftig, ich sehe Sie in Gefar und ich bin gekommen, um Sie zu warnen." Sie heftete ihre großen Augen auf ihn. Ich verstehe Sie nicht."
Er rückte seinen Sessel etwas zurück und dann wieder vor, sodaß er ihr noch näher gekommen war, dann tat er mit der Hand einen kräftigen Griff in sein Har, durchwülte es und warf es mit einem furzen Auffeufzen, das einige Desperation ausdrückte, zurück.
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und
wie
aber
,, Die Sache ist schwerer, als ich gedacht, meiner Treu, unangenemer, Sie sind ein so junges Mädchen und soll ich es Ihnen sagen?" Er fing wieder zu rücken an, nach einem furzen Besinnen begann er mit einem Anstrich von Laune in einem erzälenden Ton: ,, Denken Sie einmal, ein Vogelsteller, ein listiger, verschlagener Bursche, der seit Jaren dieses Gewerbe mit Glück betreibt, sei hierhergekommen, und zufällig hätte ich seine Absicht erfaren, einen kleinen, lustigen Vogel, dessen Schönheit ihn bezaubert hat, dessen Gesang ihn lockt, einzufangen. Er stellt seine glizernden Neze auf und der junge, unerfarene Sänger hält sie für Wasser und flattert näher und näher, um seinen Durst zu stillen. Ich sehe das; ich kenne die Gefar; werden Sie es nicht natürlich finden, wenn ich den Vogel verscheuchen, wenn ich ihn der Nachstellung entziehen will? Elvira" sein Ton wurde lebhafter und wärmer werden Sie es mir verdenken, wenn ich Sie retten will aus den Händen eines Mannes, der nichts weniger achtet als die Unschuld und der Ihre Unbesonnenheit und Unerfarenheit misbrauchen wird, um seine niedere Genußsucht zu befriedigen."
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Sie hatte ihn angehört; Scham und ein Gefül der Freude brausten gleichzeitig in ihrem Herzen auf. Seine Einmischung
behagte ihr nicht, aber hatte er ihr nicht dadurch seine Teilname verraten? waren sie sich dadurch nicht näher gekommen? Sie war ihm nicht mer gleichgiltig, er wollte sie ja retten; aber er übertrieb die Gefar, und tief unterschäzte er ihre eigene Kraft; das sollte er nicht, sie empfand das lebhafteste Bedürfnis, sich ihm gegenüber zu rechtfertigen. So ist es nicht," rief sie ,,, und Sie sind schlecht berichtet."
,, Und wenn ich es mit eignen Augen gesehen hätte? Seit jenem Ballabend und seit Baron Hellenbach so gar fleißig unsere Chorübungen besuchen kam, ahnte ich, daß er mit Ihnen Beziehungen angeknüpft, heute ist es mir zur Gewißheit geworden. Ich sah Sie gegen fünf Uhr morgens in seinen Park treten-" " Sie passen mir auf, Sie folgen mir nach?"
" Nein, der Zufall war es, der mich dies entdecken ließ. Jch habe als Anstreicher Arbeit gesucht und gefunden. Mein Arbeitgeber hatte nun gestern den Auftrag erhalten, das Stacket, das von der Waldseite diesen Park umgibt, frisch anzustreichen; ich hatte diese Arbeit zu verrichten. Ich mußte hingehen, aber ich wollte es vermeiden, dabei von dem Baron gesehen zu werden; nicht als ob ich mich der Arbeit schämte, aber mir wären seine Fragen zuwider gewesen, und noch mer seine Teilname; er hätte mir vielleicht in irgend einer Weise eine Unterstützung angeboten, aber ich will keine Woltaten von diesem Manne. Ich beschloß daher, die Arbeit in so früher Morgenstunde zu verrichten, wärend alles noch im Hause schläft, ich hatte keine Ahnung, daß ich Ihnen dort begegnen könte, daß ich dadurch zum Mitwisser Ihrer geheimen Zusammenkünfte würde."
" Sie waren der Arbeiter, den ich gesehen?"
" Ich war es; ich konte erst nicht begreifen, das heißt, ich wollte es nicht glauben, daß Sie allein und in der bestimten Absicht, den Baron zu treffen, hierher gekommen seien, aber da eilte er Ihnen schon entgegen, er hatte Sie erwartet, und wie im Triumphe fürte er Sie in seine Behausung. Elvira, als ich Sie da eintreten sah, sorglos lächelnd, in heiterem Geplauder, und als ich nun bedachte, daß Sie mit diesem Manne allein sind da" er hielt inne.
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" Da?" fragte sie in atemloser Spannung, von einer wilden Freude durchzittert, die ihre ängstlichen Zweifel schon wieder zurückzudrängen suchte.
" Da entbrante in mir der Zorn über den elenden Verfürer und das Mitleid mit dem armen Kinde, das sich mit so heiterem Vertrauen ihm anheim gibt."
Aus Elvira's tiefen Augen schlug eine Flamme der Empörung. Mitleid?!" rief sie.
„ Das Wort verlezt Sie, und Sie haben recht, es ist nicht passend; noch ist das Böglein nicht zur Beute geworden, wenn es auch schon in dem Neze flattert. Einen Augenblick dachte ich daran, Ihnen nachzugehen, ungeladen in das Haus zu treten, aber ich besann mich; nichts hätte mir ein Recht darauf gegeben, aber ich blieb unter dem Fenster stehen, es war geöffnet, ich hörte fast jedes Ihrer Worte; ich hörte Sie singen, Sie lachen, ich beruhigte mich. Und als Sie fortgegangen waren, da erkante ich an seinen Mienen, daß er sich nicht befriedigt fült, daß er nicht glücklich ist. Noch ist sie zu retten, dachte ich, und ich will Sie retten. Ich konte es kaum erwarten, von der Arbeit loszukommen, der Tag erschien mir endlos; aber nun bin ich hier, und ich sage Ihnen: Sie dürfen nicht mer nach jener Villa kommen, und Sie müssen jede Verbindung mit diesem Manne abbrechen, denn er ist ein Wüstling. Mag er sich Ihnen gegenüber noch so ehrlich geben, mag er noch so heilige Versprechungen leisten, er denkt nicht daran, sie zu halten, und er wird Sie vergessen haben, sobald Sie sein Werben erhört. Ich kenne seine Grundsäze, er selbst hat seine Gesinnungen mir gegenüber ausgesprochen; oberflächlich in allem, ist er es auch in seinen Neigungen, ein legitimes Weib ist ihm eine Lächerlichkeit und die Ehe unter allen Verhältnissen eine Kalamität, und so wird er Sie zu gewinnen, suchen mit allen Mitteln und allen Künsten der Verfürung, aber er wird nicht daran denken, Sie zu heiraten."
Elvira sprang in die Höhe. Ihre Wangen glüten in übergroßer Erregung. All das neue, sie verwirrende Glück, das sein Kommen und seine Teilname ihr gebracht, es war dahin. Krampfhaft, wie im Schmerz, zog sich ihr das Herz zusammen. Warum konte auch er, gerade er sie nicht verstehen. Niemand, so schien es ihr, hatte ihr noch so unverdientes Weh bereitet, niemand hatte sie noch in dieser Weise verlegt. Ihr ganzer Stolz empörte sich gegen seine Voraussezungen, sie mußte ihnen entgegentreten, und in diesem Widerstande fand sie ihre Würde wieder und sich