O, jezt seh ich's klar, Friz, es darf nicht sein, und nimmer sollst du dem entsagen, was in dir liegt, du bist ja doch ein Künstler!"
Ich bin es nicht!" Er riefs wie in unmutigem Troz, indes sein rechter Fuß den Boden stieß. Es ist dein gutes Herz und deine Eitelkeit, die mir Talente andichten, die garnicht existiren." „ Lern ' dich besser kennen. Bist du nicht Maler, Musiker, Chemiker sogar? Du komponirſt und schaffst selbständig in allen diesen Fächern."
" Ja, aber ich und du wir würden bei all' diesen Kompositionen verhungern können."
,, Und deine schöne Stimme?"
,, Aha! Na, ich sehe schon, du willst durchaus einen Tenoristen zum Manne haben, einen Teaterhelden. Da bleibt mir freilich nichts andres übrig, als zum Teater zu gehen, aber du wirst dann schön lange warten müssen, bis ich's dort soweit gebracht habe, um heiraten zu können. Und", fügte er hinzu ,,, wenn ich mich nun inzwischen in eine andre, in eine Teaterprinzessin zum Beispiel, verliebte?"
Geh nur, du komst mir doch wieder; ich hab' nun einmal die fröliche Gewißheit, daß wir so ganz zusammen passen, und daß dich doch gar keine so lieb haben könne, wie ich dich habe. Drum sag' ich, gedulden wir uns noch, bis du den Beruf gefunden hast, der dich befriedigen wird; versuch' dein Glück; ich bleib' dir sicher, mag kommen, was da will!"
Er drückte sie in aufstürmendem Entzücken an die Brust. Sie riß sich los und war im nächsten Augenblick in der Tür ihres Zimmers verschwunden.
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Am nächsten Tage hatte Luise ihre Stube wieder bezogen und ihre Lektionen, die sie vier Wochen hindurch sistirt hatte, wieder aufgenommen. Das Wiedersehen der Schwestern war ein zärtliches gewesen. Elvira war einen Augenblick betroffen über die Veränderung, welche die Krankheit bei Marie hervorgebracht. Sie fand sie blaß und abgemagert, die dunklen Augen erschienen so groß in dem schmalen, zarten Gesichtchen. Vielleicht war sie noch schöner, als ehedem, aber die Frische, die Blüte der Gesund heit, die vor einigen Wochen noch sie so heiter kleidete, war abgestreift. Aber Marie war gesund, der Arzt versicherte es, und wenn er auch durch die Untersuchung einen kleinen Klappenfeler an ihrem Herzen entdeckt, so war das ein so häufiges Vorkomnis und, wie er meinte, nicht von Belang. Sie solle sich nur schonen, und das gute Aussehen werde bald wiederkehren. Alle hofften es, vor allem Marie selbst. Als Elvira ihre Schwester befragte, wie ihr Bräutigam die Nachricht von ihrer Erkrankung aufgenommen, gestand sie ihr mit einem glücklichen Lächeln, daß er davon noch garnichts wisse.
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,, Wieviel Sorge und Kummer habe ich ihm dadurch erspart," sagte sie und die innigste Freude leuchtete aus ihren Augen; wenn er gewußt hätte, daß ich gefärlich erkrankt sei, und wenn er nun trozdem nicht hätte zu mir eilen können, ich weiß, was er gelitten hätte!"
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Elvira sah sie nachdenklich eine Weile an, dann küßte sie sie auf die Stirn. Du bist von Herzen gut, Marie, zu gut vielleicht, du denkst immer nur an andre, nie an dich selbst. Wie glücklich wirst du deinen Gatten machen, wie wird er dich lieben!" Alfred schrieb regelmäßig jeden zweiten Tag an seine Braut; der Brif, den sie an diesem Nachmittag von ihm erhielt, brachte bei allen Gliedern der Familie Weiß eine gewisse Aufregung hervor. Er schrieb ihr, daß er abermals in seiner Hoffnung, auf einige Tage loszukommen, sich getäuscht sehe. Mit den Modellen gehe die Arbeit langsam vorwärts, er werde vier Wochen noch wie ein Sklave arbeiten müssen, ehe er einige Tage der Ruhe und Erholung fich werde vergönnen dürfen. Und dann solle er sie doch wieder nur auf Stunden sehen und wieder scheiden müssen? Und wieder auf lange Zeit? Es scheine ihm unmöglich!„ Aber was zwingt uns denn, unser Glück hinauszuschieben?" so fragte er. Alles wolerwogen, können wir in vier Wochen Hochzeit machen; ihr willigt ein, nicht war? Du schreibst mir sogleich zurück; ich werde keinen frohen Augenblick haben, ehe ich nicht die Entscheidung kenne, d. h. eine zusagende. Wir können eine ganz stille Hochzeit haben, durch keinen lästigen Zwang gestört. Nur unter uns, nur im Kreise derjenigen, die wir mit aller Sympatie umfassen und die auch uns zärtlich lieben, one Geräusch, one Pomp wollen wir diesen schönen Tag begehen; ich bitte darum. Ich werde, wenn ich morgens von hier abreise, am Nachmittage bei euch eintreffen, am nächsten Tag ist dann unsre Trauung und darnach füre ich dich heim, und so werden wir Mann und Frau geworden sein, ehe man sich's versiet, und ab
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gereist, ehe die Leute noch recht angefangen haben, von unsrer Hochzeit zu sprechen."
Marie las den Brif immer wieder. Sie begriff Alfreds Sehnsucht, sie teilte sie, aber diese rasche Erfüllung erschreckte sie dennoch. Es kam ihr vor, als sei sie noch nicht gehörig vorbereitet, um alles zu verlassen, was sie bisher geliebt. Mutter und Tante rieten ebenfalls ab. Die leztere meinte, dieser Alfred solle sich nur gedulden und sich beherrschen lernen, das könne ihm garnicht schaden.
" Ich werde ihm schreiben, daß Marie krank gewesen ist," sagte die Mutter.
Elvira aber fand, daß dies ein unnötiges Baudern sei; mit jedem Tage würde sich das Aussehen Mariens bessern und in vier Wochen müsse sie so vollständig sich erholt haben, daß niemand auch nur eine Spur dieser Krankheit werde entdecken können. Für Mariens Entschluß wurde der Gedanke, daß Alfred leide, ausschlaggebend. So schrieb sie ihm denn nach oft wiederholter banger Ueberlegung ihre Einwilligung. Sie hätte es mit ihrem guten, selbstlosen Herzen nicht anders können.
Als acht Tage später Marie und Alfred von der Kanzel herunter als Brautleute verkündet wurden, erregte dies das ungeheuerste Aufsehen. Die ganze Stadt nam von diesem Ereignis Notiz, die guten Freunde und näheren Bekanten aber gerieten förmlich außer Rand und Band. Ja, wie war denn das nur gekommen, wie war denn das nur möglich gewesen!? Die beiden hatten keine Liebschaft, nicht einmal ein Verhältnis gehabt; so etwas hätte man doch merken müssen, dergleichen bliebe einent doch nicht ganz verborgen; man habe auch garnichts von einer Verlobung gehört, und jezt gleich eine Hochzeit, das sei doch ganz unmöglich, das heiße ja die Welt auf den Kopf stellen!
Frau Germanet namentlich und auch die Hofrätin waren außer sich über die Falschheit der Familie Weiß. Die Hofrätin ver sicherte, mit ihrer Freundschaft für diese Ünwürdigen sei es nun zu Ende, sie lasse sich nicht düpiren, und es würde sie nur freuen, wenn aus der ganzen Sache nichts würde. Trozdem erschien sie schon am nächsten Tage bei diesen Unwürdigen und umarmite unter Tränen der Rürung, wie sie versicherte, die glückliche Mutter, die glückliche Braut; dann wollte sie wissen, wie denn das alles gekommen war. Sie hätte gern Stunde und Minute erfaren, wann sie sich verliebt und wann der erste Kuß gewechselt und ob sie dabei glücklich gewesen. Marie senkte die Augen und ergriff den ersten Anlaß, um das Zimmer zu verlassen. Die Mutter aber war weniger zugeknöpft. Sie erzälte, was sie selbst über dieses Verhältnis wußte und wie die Hochzeit gefeiert werden solle, und daß es nur eine kleine, ganz stille Hochzeit sein werde.
,, D, Sie haben recht, ganz recht, meine liebe Freundin, wozu auch diese lärmenden Festlichkeiten; ich finde es viel hübscher, wenn man sich mit den nächsten Verwanten und Freunden begnügt und alles übrige nur in die Kirche ladet."
"
Wir müssen es sehr, sehr einfach machen, mein Schwiegerson wünscht es so," erklärte Frau Weiß, wie um Entschuldigung bittend.
,, Natürlich, nur die besten Freunde, eine beschränkte Anzal von Wagen und das Diner oder Souper ebenfalls ganz einfach, obwol eine Hochzeit nichts alltägliches ist; aber Sie dürfen Sich eben nicht in allzu große Unkosten stecken; ich glaube, Sie kom men am besten und billigsten heraus, wenn Sie sie im Hotel ausrichten. Nur nicht zuhause, liebe Freundin! Da würden Ihnen die Arbeit und die Sorgen über den Kopf wachsen; ich muß Ihnen entschieden davon abraten. Aber Sie affordiren mit dem goldenen Löwen: so und soviel per Couvert, und Sie wissen, was Sie kriegen und was Sie dafür zu zalen haben, das ist das einfachste."
" Ich weiß nur nicht, ob das meinem Schwiegerson recht wäre." " Wie denn nicht, die Hochzeit haben Sie auszurichten, nicht er, das get ihn also nichts an, und er wird natürlich, schon aus Bescheidenheit, mit allem zufrieden sein, aber das können Sie Ihrer Tochter nicht antun; mein Gott, man heiratet doch nur einmal in seinem Leben, und die ärmsten Leute selbst-"
Frau Weiß richtete sich mit beleidigter Würde in die Höhe. Zu denen zälen wir noch nicht, Gott sei Dank, und was sich gehört, das werden auch wir nicht außer acht lassen."
Die Hofrätin versicherte mit ihrem unangenemsten Lächeln, daß sie dies vorher gewußt und daß dies bei einer guten Familie anders ganz unmöglich sei. Nachdem sie dann auch noch die Ausstattung besehen und im stillen bekrittelt hatte, entfernte sie sich, mit dem Ergebnis ihres Besuches ziemlich zufrieden. Sie stattete an diesem Nachmittag noch merere Besuche ab; konte sie doch die Neugierde