die Augen, und es hat auch tatsächlich nicht an Versuchen zur Interpretirung dieser Aenlichkeit gefelt. Vermuten läßt sich freilich viel, beweisen aber garnichts, wenigstens bis zur Stunde. Kehren wir jedoch nach dieser Abschweifung zu unserm Tema zurück.
Alles, was Farbe hat, gehört zu unseren Untersuchungsobjeften; und der Vollständigkeit halber mögen noch einige genant werden. Da sind von Lebensmitteln besonders noch Butter und Käse, an denen man oft eine künstliche Färbung entdeckt. Außer dem untersucht man gefärbte Zeuge, um über die chemische Natur der angewanten Farbmaterialien und somit über die dadurch bedingte Haltbarkeit, d. h. Licht- und Waschfestigkeit der Farben ein Urteil zu erhalten. Natürlich werden die Farbmaterialien selbst zu demselben Zwecke untersucht. Ferner prüft man auch Edelsteine in dieser Weise mit den besten Resultaten; nicht allein kann man die Frage der Echtheit oft in der allereinfachsten Weise lösen, und zwar one den Stein zu zertrümmern, was zum Zwecke der chemischen Analyse unumgänglich notwendig ist, sondern oft gelingt es sogar, den Fundort festzustellen, da für manche Vorfomnisse eine gewisse Farbe und somit ein gewisses Spektrum charakteristisch ist.
Wenden wir uns zum Schluß noch einmal um und lassen
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diese eigentlich recht bunten Bilder an unserem Geiste vorüberziehen, so müssen wir erstaunen, mit wie einfachen Hilfsmitteln es dem Menschen gelang, an der Hand einer so anspruchslosen Erscheinung, wie es doch der Regenbogen ist, einzudringen in die tiefsten Geheimnisse der Natur und dadurch die Hülle zu nemen von einem Gebäude menschlichen Elends und menschlicher Verderbtheit, welches im anderen Falle wol leicht ins grenzenloſe gewachsen wäre, Glück und Vertrauen in seinen finstern Räumen für immer begrabend. Und erstaunen müssen wir auch, wenn wir die hohe Poesie begreifen, welche hier verbocgen liegt im Schoße einer so oft und mit so vielem Ünrecht als materialistisch verschrieenen Wissenschaft. Dem Dichter der Zukunft bleibt es vorbehalten, zu singen von dieser diamantenen Brücke, auf welcher die Götter zur Erde herabsteigen, um mit ihrer ewigen Warheit und Klarheit die Menschen von Irrtum und Finsternis zu erlösen.
Noch schweigt aber der Sänger; deshalb begnügen wir uns, bei einem Glase chemisch untersuchten" Stoffes der holden Jris zu gedenken und zu staunen über den tiefen Sinn eines Lieblingssprüchleins unseres Großmütterchens:
Nichts ist so fein gesponnen, Es komt an's Licht der Sonnen!
Ein Blick in unterseeische Gärten.
( Hierzu das Bild auf Seite 308.)
Aenlich wie die große Klasse der Würmer in der Zoologie für das Verständnis der Abstammungslehre zur höchsten Bedeutung gelangte, so geschah dies auf botanischem Gebiete mit der großen Abteilung der Algen oder Tange, jener vielgestaltigen und vielfarbigen niedrigen Gewächse, aus denen sich in den vorhistorischen Zeiten die übrigen Pflanzen in langsamem Umwandlungsprozeß herausentwickelt haben. Die Tange- zumeist Wasserpflanzen- bilden bilden in der Tat die Basis des Stamm baumes der Pflanzenwelt, und daher haben sie in neuerer Zeit das Interesse aller Freunde der Abstammungslehre auf sich gezogen. Linné, der Vater der Botanik", war kein Freund des Mikroskopes, im Gegenteil ser gegen dieses„ wunderbare" In strument voreingenommen. Wir begreifen es darum, wenn von ihm behauptet wird, daß er blos ungefär 60 verschiedene Algenarten tante, was soviel bedeutet, als daß damals, als er seine " Pflanzenarten" herausgab( in den fünfziger Jaren des vorigen Jarhunderts) überhaupt nur einige duzend Tange bekant waren. Wie anders heute! Nach kaum 130 Jaren sind bereits 6000 bis 7000 verschiedene Algenarten bekant, und alljärlich werden noch neue Formen entdeckt und beschrieben. Jedes Jar eilen mutige Jünger der Wissenschaft ans Meer, um dort die Entwicklungsgeschichte dieser oder jener Tangformen durch mühsame mikroskopische Untersuchungen kennen zu lernen, und sie alle sind der selben Ansicht, daß es keine andre Gruppe von Pflanzen gibt, die an Vielgestaltigkeit, an Farbenpracht und Lebensweise soviel des Anziehenden und Fesselnden böte, wie die Meertange. Einem solchen Besuche zu wissenschaftlichen Zwecken verdankt unser Bild seine Entstehung. Es fürt den Leser an die felsigen Ufer des Adriatischen Meeres, dorthin, wo der nachmalige unglückliche Kaiser von Mexiko, Erzherzog Maximilian , aus einem öden Felsgestade ein Paradies geschaffen hat.
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An den felsigen Südabhängen des Karstes, welcher hier seinen Fuß in das Meerbecken der Adria sezt, gedeihen auf dem Trocknen die Oliven und Pomeranzen, Weinreben und Lorbeeren, Palmen und Cypressen, Cedern und Mammuthbäume; im Wasser an den Felsen festsizend die wunderlichen Gestalten der Meertange, von denen dies Bild einige typische Formen zur Anschauung bringt. Sie bilden stellenweise ganze Wälder oder eigentliche Gärten, welche Meerwasser betrachtet einen feenhaften Anblick gewären. von oben durch das krystallklare Die einen Tange sind robuste, blattähnliche, dunkelgrüne Gestalten, wie die unter Nummer 15 in der Mitte des Bildes oben am Wasserspiegel dargestellte Salat- lllve( Ulva Lactuca). Andere gleichen grasgrünen Därmen, wie Nr. 8 in der Mitte unten, Chorda lomentaria. Wieder andere sehen aus wie glashelle, feine Violinsaiten mit dunkelgrünen Gürteln( Nr. 19, Chaetomorpha aerea). Viele Meertange sind bandartig, so die grüne
Lanzett- Ulve( Enteromorpha lanceolata, Nr. 3, links oben) und der gelbbraune, dunkelpunktirte Asperococcus bullosus und der bandartige Punkt- Tang( Punctaria latifolia, Nr. 16, rechts unten). Andere stellen im kleinen bis ins unendliche verzweigte, purpurn oder dunkelviolett gefärbte Buschwerke dar, wie der unter Nr. 18, rechts unten, dargestellte Horntang( Ceramium diaphanum) und das äußerst zarte, karminrote Federbäumchen( Callithamnion Plumula, Nr. 14, in der Mitte). Wieder andere gleichen flatternden, tief sepiabraunen, seidenglänzenden Wimpeln, ein Spiel des ewig bewegten Meereswassers, so die unter Nr. 6 an verschiedenen Stellen des Bildes zu treffende Porphyra leucosticta. In den tieferen Regionen treffen wir auch auf Korallenalgen, in Aufbau und Konsistenz so sehr an wirkliche Korallen erinnernd, daß fossile Formen dieser Kalfalgen in der Tat lange Zeit für vorweltliche Korallen angesehen wurden( vergl. Nr. 11, in der Mitte ganz unten, dicht dem Felsengrund auffizend, Corallina officinalis). Zu den robustesten Formen, welche oft riesenhafte Ausdehnungen annemen, gehören die Brauntange( Fucoideen), von denen der Leser 3 Formen in unserem Bilde dargestellt sindet: den adriatischen Blasentang( Fucus Sherardi, Nr. 1, oben links) mit gabeligen Aesten, den leinblättrigen Beerentang, Sargassum linifolium( Nr. 13, in der Mitte des Bildes), der merere Fuß lang wird und einer schlanken, beblätterten Stengelpflanze gleicht, die anscheinend sogar Früchte trägt; leztere sind aber nur gestilte, mit Luft erfüllte Blasen, die als Schwimmorgan dienen. Dieser Tang hilft mit an der Zusammensezung der Tangwiesen verschie dener Meere, von denen die eine durch Columbus weltberümt geworden, da er vor seiner Entdeckung Amerikas im atlantischen Ocean erst eine schwimmende Wiese von Meertangen zu passiren hatte, die ihn vierzehn Tage aufhielt. Ein dritter Brauntang ist die bärtige Blasenkette( Cystosira barbata, Nr. 21, rechts), von gelbbrauner, lederiger Konsistenz, wie die beiden vorgenanten, aber von sehr zierlichem Aufbau. aber von sehr zierlichem Aufbau. Er komt in den ruhigen Buch ten der Adria stellenweise so massenhaft vor, daß er die eigentlichen Hochwälder in den Gärten der Nereïden bildet. Es ist unmöglich, in einem schwarzen Bild und durch beschreibende Worte einen Begriff von der Herrlichkeit der untergetauchten Gärten zu geben; selbst der Farbenpinsel des besten Künstlers würde umsonst versuchen, diesen Reiz der Farbenspiele mariner Algen wiederzugeben. Aber wer diese Gewächse an ihren natürlichen Standorten nur einmal gesehen, wird den Zauber derselben nie wieder. vergessen. Wer ein mereres über das Leben und Treiben dieser feenhaften Gestalten zu erfaren wünschen möchte, der sei auf dasselbe Werk hingewiesen, das der Schreiber dieser Zeilen soeben unter dem Titel:„ Illustrirtes Pflanzenleben" in Lieferungen erscheinen läßt, von denen bereits in früheren Nummern der„ Neuen Welt" Notiz genommen wurde.
Prof. Dr. A. Todel- Port.