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Ein Lorbeerkranz.

Das Ende eines Dichterlebens.

Ein heftiger Disput seiner Wirtsleute weckte den Dichter am nächsten Morgen. Trozdem sein Kopf noch wüst und ihm über­haupt erbärmlich zu Mute war, hörte er doch die Worte Sam Case's: An dem ist Hopfen und Malz verdorben, glaub's mir, Mary, ich halte nicht soviel von deinem großen Dichter mer, vollends seit mir Nachbar Butcher erzält hat, daß dieser elende Schwächling eine schöne brave Frau und eine einträgliche Pfarre in Essex   im Stiche ließ, nur um hier in London   dem lüderlichen Leben nachgehen zu können. Und dich wollte er glauben machen, seine Frau sei gestorben der Mann ist kurz und gut, ich verachte ihn Aber Sam," begütigte die Frau, du weckst den armen Bur­schen warhaftig auf mit deinem Toben- ich will dir ja gern zugeben, daß er viel, nur zu viel verschuldete, daß er ein ganz anderer Mann hätte sein können aber er ist doch einmal mein Pflegekind gewesen, das Haus seiner braven Eltern war meine Heimat mer als zwanzig Jare langer ist unheilbar frank, Sam, bedenke das, und laß ihn den Leichtsinn nicht entgelten, zu dem ihn schlechte Gesellschaft und allzu heißes Blut verlockten..." Der Maun brumte noch etwas, was der Lauscher aber nicht mer verstehen konte, der sich leise erhoben hatte und in sein schä­biges Wams geschlüpft war. Meine gute Mary," murmelte er wärend des Ankleidens, wäre ich nur immer in deiner treuen Obhut gewesen" er öffnete vorsichtig das kleine erblindete Fenster. Und Ellen? Daß ich doch jezt so oft an sie denken muß! Ja, sie haben alle recht, alle der brave Sam und Shakespeare  , und Poins sogar, der spöttische Poins- alle- ich muß ein Ende machen" er stieg hinaus lebt wol dort drinnen, ihr sollt um meinetwillen nicht mer zanken vorwärts, zur Themse  !"

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Er schritt der nächsten Brücke zu und lehnte bald in wilden, peinigenden Gedanken an der Brüstung. Schon fülte er, wie die rauschenden, unaufhörlich dahin rollenden Wogen ihn lockten, immer tiefer beugte sich sein Kopf, da faßte jemand seinen Arm: " Holla, Greene, seid kein Narr!"

Aufschreckend erkante der Unglückliche seinen bösen Engel, den dicken Sir John.... Und anstatt das verpfuschte und vergeudete Leben durch einen mutigen Sprung in die Themse   zu sühnen, ließ sich Greene von dem Ritter durch eine Anzal Vorstadtkneipen schleppen, um Studien zu machen", wie Oldcastle spöttisch meinte. Sinlos trunken taumelte er spät Nachmittags in das kleine Haus zu Dowgate, zum Schrecken der treuen Mary.

Sam Case war ausgegangen und erst nach langem Bitten und Zureden ließ sich der Trunkene bewegen, sein Lager in der Kammer aufzusuchen, das er nicht mer verlassen sollte. Denn wenige Stunden nachher erfolgte ein sehr heftiger Bluterguß, so daß die ratlose Frau schon glaubte, der Leidende werde ihr unter den Händen sterben. Sehr langsam nur gewann er das Bewußt­sein und die Sprache wieder.

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Seine Kräfte waren jezt durch diesen neuen Anfall völlig ge­schwunden, wie es bei dem durch Ausschweisungen aller Art zer­rütteten Körper ja auch nicht anders sein konte. Seine ersten Worte, als er das mitleidsvolle Gesicht der treuen Mary über sich erkante, lauteten: Vergeudet und verlumpto, wie recht hatte dieser William:, mit einem Fuß im Grabe das mich so trostlos und dräuend angrinst von ewiger Langweile, von tatenlosem Schlaf nur spricht's zu mir vom Gericht hu, mich schaudert! O, o, Mary, ich wollt ich ginge mit dir noch einmal am schönen Orwell entlang und hörte seine krystallnen Wasser rauschen und murmeln von dem Lorbeer, der mir werden ſollte da war ich ein schuldlos Kind, und ich schwur es mir im Stillen, nicht Ipswich  , nicht Suffolt allein, nein, ganz Bri­tannien sollte meines Ruhmes voll werden und nun?!..." Er wante sich gegen die Wand und Schluchzen erstickte seine Stimme.

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Dann kamen schwere Stunden, bange, qualvolle Tage, wo der lezte Rest von Lebenskraft in dem immer mer und mer ver­fallenden Körper sich ansbäumte gegen den nahenden, bleichen Tod, der in den Phantasien des Kranken seine Hand herüber­streckte über die blutbefleckten Kissen und dem im Fieberfrost Zitternden einen Lorbeerkranz entgegenhielt, den er aber, so oft ihn die hagere Hand des Kranken zu fassen versuchte, wieder zu

( Schluß.)

rückzog mit jenem spöttischen Gelächter, daß dem Dichter an dem Hochstraßenritter Poins stets so unleidlich gewesen. Tag und Nacht saß eines der beiden Wirtsleute an dem Sterbelager des Elenden, den sie als barmherzige Samariter von der Straße in ihr Haus genommen. Aber selbst der rauhe, vom Lebenssturm gefestete Sam sprang oftmals tieferschüttert vom Schemel auf, wenn er die Qualen und die fortwärenden Selbstanklagen des Dichters nicht länger mer mit ansehen und anhören zu können erklärte.

Da, am Morgen des 3. September, verlangte der Kranke nach einigen Stunden fieberfreien Schlafes Schreibzeug und Fe­der vor sein Bett. Mary, die verwundert und kopfschüttelnd herbeitrat, brachte es endlich auf wiederholtes Verlangen.

Mir ist heut so leicht, wie kaum in meinen besten Tagen ich fühle kein Brennen mer in den Lungen und frei hebt sich die wunde Brust- Dank, Dank, du Gute," lächelte er, indem er sich mit Hilfe seiner treuen Pflegerin in den Kissen zurechtrückte und den Niel über das Papier hinfliegen ließ. D, es get, es get, aber ich muß mich sputen get, aber ich muß mich sputen der Himmel will mir nur ge­rade Zeit lassen, daß ich noch fühnen kann, was zu fühnen eben geht wie hoch bin ich in Eurer Schuld, Mary?"

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Immer mer erstaunte die Frau und wollte nichts von einer Schuld wissen, doch Greene bestand hartnäckig auf seiner Frage. Sam, der auch hereingekommen, meinte:" Ei, man soll einen Kranken nicht ärgern schreibt zehn Pfund, und wir sind's zu­frieden!" Und Greene schrieb

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schrieb an seine verlassene Gattin, sie möge ihm verzeihen, was er an ihr gesündigt, und den armen braven Leuten, die ihn in seinen lezten Tagen verpflegt, seine Schuld, in Höhe von zehn Pfund, begleichen, da er selbst so bettelarm, wie er einst die Welt betreten, wieder hinausgehe " Der Himmel ist gerecht, du aber, Ellen, bist gerächt!" schloß der Bettel, den Sam nach Tollesbury zu bringen versprach.

Hierauf ließ sich der Kranke aus der Tasche seines verschosse­nen Wamses einige beschriebene Blätter reichen, in denen er eifrig zu lesen begann. Gegen Mittag schwand ihm indes wieder das Bewußtsein, und er lag lange Zeit stumm und regungslos, ob­schon die blutlosen, unablässig zuckenden Lippen und die starr zur Decke gekehrten Augen einen heftigen inneren Kampf verrieten. Als aber ein einsamer, verlorener Stral der untergehenden Sonne durch das Fenster der Kammer über das Haupt des Sterbenden Hinguckte, sezte sich dieser plözlich im Bette auf und murmelte hastig, mit den zitternden Händen seine Schläfen betastend: Bei Gott  , mein Lorbeer- mein Dichterkranz- endlich endlich -Dank dir, England ich sterbe ruhig-" Mary trat aus dem Nebenzimmer herein und hörte ihn noch lächelnd flüstern, wärend sie ihn sanft in die Kissen zurücklegte: Mary ich habe meinen Schwur eingelöst Ellen- Mary - mit Lorbeer gekrönt Verzeihung-" Der Sonnenstral erlosch plöglich. Die Blätter aber, darin er zulezt gelesen, waren gleich­sam sein Vermächtniß an Mit- und Nachwelt, eine kurze Bro­schüre betitelt:" Groschenwerter Wiz, erkauft mit einer Million Reue"....

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Am nächsten Tage rute der Tote in einem engen, ärmlichen Sarge, aber es däuchte der treuen Mary, die in stillem Gebete davor kniete, als verschönere ein gewisser friedenkündender Schein die verhärmten Züge und als erinnere nun erst dieses Toten­antliz sie so recht lebendig an den schönen Knaben in jenem lieben stattlichen Hause zu Ipswich  , dessen Jugend sie behütet. Und dann beschäftigte sie noch ein Gedanke: Der Verstorbene hatte in seinen Phantasien immer von einem Lorbeer gesprochen, den er verdient und den man ihm vorenthalten, und noch im Verscheiden lispelte er von diesem Dichterlorbeer. Nun hatte sie heut bei der Totenwäscherin drüben, bei der Frau des Toten­gräbers von Dowgate, um ein verräuchertes, unscheinliches Bild, Sas   nach Versicherung seiner Besizerin die regierende Königin Elisabeth in ihrer Jugendblüte vorstellen sollte, solch einen Lor­beerkranz gesehen und so eigentlich was besonderes an den dürren Blättern von gefärbtem Papier nicht finden können. Frau Turn­bridge, die Totenwäscherin aber, der Mary von Robert Greene's Dichterruhm erzält, hatte schließlich den vergilbten Kranz vom Bilde der jungfräulichen Königin herabgelangt und huldreichst