Der erste Saz, welcher die Bedingungen für Verflüssigung von Gasen enthält, ist wol von Carnelley wesentlich deshalb hier wieder aufgestellt, um den zweiten in einem gewissen Gegensaz dazu, als eine Art Umkehrung formuliren zu können. Denn er ist feineswegs neu! Nachdem schon Cagniard Latour gefunden hatte, daß Schwefeläter bei einer gewissen höheren Temperatur unter keinem Druck verflüssigt werden könne, zog Faraday daraus den Schluß, daß bei starkem Druck allein nicht verdichtbare Gase es wol werden könten, wenn sie gleichzeitig durch Kälte erzeugende Mittel stark abgekült würden. Indem er in Glas­rören stark komprimirte Gase in einem Bad von starrer Kolen­säure und Schwefeläter unter die Luftpumpe brachte, um die Verdunstung der lez teren Substanz noch zu beschleunigen, gelang es ihm, Aethylengas, Schwefelwasserstoff, Fluorkieselgas, lezteres bei 110 Grad Kälte und 9 Atmosphären Druck, flüssig zu machen. Nach änlichen Verfaren sind nachher noch vielerlei andere Gase verflüssigt worden. Die mechanische Wärmeteorie läßt uns die Vorgänge dabei ganz gut einsehen. Wir wissen, daß die einem Gase zugefürte Wärme entweder Temperaturerhöhung desselben bewirkt, die wir mit dem Termometer messen können, wobei zu gleich seine Spannung erhöt wird, oder aber eine Volumenver­merung oder Ausdehnung, wenn das Gas nämlich sich in einem Gefäße befindet, dessen eine Wand verschiebbar ist( wie z. B. im Cylinder der Dampfmaschine), und wobei die Spannung dieselbe bleiben kann; im lezteren Falle zeigt das Termometer keine Wärmezuname an: die zugefürte Wärme ist durch Vermittlung der Ausdehnung des Gases in mechanische Arbeit übergegangen. Die Wirkung der Zufürung von Wärme auf ein Gas ist also in dem einen Falle eine Vermerung der Anzal der Vibrationen seiner kleinsten Teile oder Temperatur- und Spannungserhöhung, im andern Vermerung der Schwingungsweite der Moleküle, die zur Ausdehnung des Volumens fürt. Umgekehrt nun fürt er­farungsgemäß die gewaltsame Verringerung der Schwingungs­weite der Moleküle eines Gases durch Zusammenpressen zu einer Vermerung der Anzal der Vibrationen der Moleküle oder zu Temperaturerhöhung und daher zu vermerter Spannung. Da eine solche Spannung oder nach allen Seiten wirkender Druck nur eine Eigenschaft der Gase, nicht aber der Flüssigkeiten ist, und da sie der von außen versuchten weiteren Kompression des Gases entgegenwirkt, so ist leicht zu verstehen, daß one Entfernung dieser auf's neue Spannung erzeugenden Wärme aus dem Gase ein Flüssigwerden nicht stattfinden kann. Es ist daher die An­wendung hoher Kältegrade durch künstliche Kältemischungen an­gezeigt.

Die Bedingungen, unter denen Flüssigkeiten verdampft oder vergast werden, sind als ganz in gegensäzlicher Uebereinstimmung mit den oben erläuterten für das Flüssigwerden von Gasen befind­lich bekant: Erleichterung der Vergajung oder geringerer Wärme­verbrauch bei vermindertem Druck, vermerter Wärmeverbrauch bei erhötem Druck. Diese Erfarungen sehen wir in ausgedehntem Maße praktisch nuzbar gemacht z. B. beim Zuckersaftkochen im Vakuum und andrerseits bei der Verwendung von Hochdruck dämpfen.

Ueber den Zusammenhang des Schmelzpunktes verschiedener Körper mit dem natürlichen atmosphärischen oder fünstlich ver­mertem oder vermindertem Druck liegen bisher nur wenig Ver suche vor und noch keineswegs genügende wissenschaftlich- physika lische Erfarungen. Bei den Metallen hindert der hohe Schmelzpunkt vorläufig noch solche Versuche. Es haben, wie natürlich ist, die Forscher zuerst ihre Aufmerksamkeit auf die am allgemeinsten ver­breitete Flüssigkeit, das Wasser und dessen festen Zustand, das Eis, gerichtet. James Thomson in Belfast hatte, fast gleichzeitig mit Clausius in Zürich , und zwar beide gestüzt auf die mecha­nische Wärmelehre, aus teoretischen Erwägungen über die Wärme geschlossen, daß durch Druck der Schmelzpunkt von Stoffen er niedrigt werden müsse. W. Thomson in Glasgow , des obigen Bruder, bestätigte durch den Versuch diese Teorie für das Wasser. Er fand, daß für jede Atmosphäre Ueberdruck über den gewön lichen der Schmelzpunkt des Wassers sich 74/10000 Grad C. erniedrige, also bei 100 Atmosphären Druck um ungefär 34 Grad C. Bunsen aber untersuchte infolge dieser Entdeckung den Schmelzpunkt an­derer Körper bei erhötem Druck und machte gerade die gegen­teilige Bemerkung. So erstarrt z. B. Walrat unter gewönlichem Luftdruck bei 47,7 Grad C., unter einem Druck von 141 Atmo­sphären aber schon bei 50,5 Grad C. Der Schmelzpunkt ist also hier durch Druck erhöt worden, nicht aber erniedrigt.

Dieser Gegensaz berut auf den das Wasser vor allen andern

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Flüssigkeiten auszeichnenden Ausdehnungsverhältnissen. Es besizt bekantlich seine größte Dichte bei 4 Grad Wärme, so daß es sich bei weiterer Abkülung bis zum Gefrierpunkt ausdehnt und Eis bei nur 0,92 der Dichtigkeit des Wassers auf demselben schwimt. Wenn man nun ein Gemenge von Eis und Wasser, das bei natürlichem Druck beständig 0 Grad zeigt, einer starken Pressung in einer hydraulischen oder andern Druckvorrichtung unterwirft, so sinkt die Temperatur und das Volumen vermindert sich, wä­rend die Wirkung des Druckes eine Steigerung der Temperatur ist, wenn man nur Wasser von 0 Grad in dem Apparat hatte. Die Temperaturerniedrigung im ersten Fall ist begleitet vom Schmelzen eines Teils des Eises und auch durch diesen Umstand allein erklärlich. Durch das Zusammenpressen wird bei Eis, wie bei jedem Körper, das Volumen verringert. Allein, dieses klei­nere Volumen komt an sich nur dem flüssigen Wasser zu, und indem man ein größeres Volumen Eis durch Druck sozusagen hineinzwängt in das eines gleichen Gewichts Wasser, erteilt man ihm auch die Eigenschaften des flüssigen Wassers. Es besizt aber ein größeres Quantum von Molekularbewegung als Eis( Be­weis das sogenante Latentwerden von Wärme bei Schmelzen von Eis!), und die durch Druck zu Wasser verflüssigte Quantität Eis muß diese für den flüssigen Zustand nötige Menge Molekular­bewegung notwendigerweise dem übrigen Teil von Wasser und Eis entziehen: das Gemenge besizt nun eine Temperatur unter O Grad, one daß sich bei gleichbleibenden Verhältnissen Eis oder Wasser in ihrem Verhältnis vermeren oder vermindern. Wird der Druck aufgehoben, so erstarrt sofort wieder ein Teil des Wassers und die Temperatur steigt auf genau 0 Grad.*)

Wir haben hier also die bemerkenswerte Erscheinung, daß Eis zum Schmelzen gekommen ist, one daß Wärme zugefürt wurde; vielmer ist das einzig Wirksame dabei, also die Ursache, in dem Druck zu suchen.

Die Tatsache, daß der Schmelzpunkt oder Gefrierpunkt vom Wasser in Abhängigkeit von dem äußern Druck stet, ist also eine schon feststehende. Es sei aber nochmals darauf hingewiesen, daß diese Einwirkung sich bei andern Körpern in gegensäzlicher Weise geltend macht: erhöhter Druck erniedrigt bei Wasser, das beim Schmelzen sein Volumen verkleinert, den Gefrierpunkt, bei andern Körpern, die sich nach dem Schmelzen ausdehnen, wird dieser Temperaturpunkt der Verflüssigung oder Erstarrung erhöht. Es liegt nämlich hier das kleinere Volumen des komprimirten Körpers in der Ausdehnungsweise des festen Körpers unter seinem Schmelzpunkt, und dieser muß durch Druck um ebensoviel erhöht werden, als das Volumen des komprimirten Körpers unter dem Volumen des bei natürlichem Druck schmelzenden Körpers liegt.

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Indem es nun also Carnelley, nach vielen vergeblichen Ver­suchen, wiederholt gelungen ist, Eis darzustellen, das so heiß war, daß man das Gefäß, in dem es sich befand, nicht anfassen konte, one sich zu verbrennen, scheint man es nur mit einer Umkehrung des angefürten Naturgefezes für Wasser zu tun zu haben; statt der Formel: erhöhter Druck der Formel: erhöhter Druckerniedrigter Schmelzpunk, haben wir: erniedrigter Druck erhöhter Schmelzpunkt. Das Be­merkenswerte ist nur, daß die Verhältnisse von Druck, Schmelz­punkt und Temperatur hier etwas andre zu sein scheinen. Im obigen Fall entsprachen etwa 135 Atmosphären Druck einer Schmelzpunkterniedrigung von 1 Grad, hier behauptet Carnelley, Eis von Temperaturen weit über den gewönlichen Siedepunkt lange aufbewart zu haben, das sich durch Verdampfen oder Sublimiren verzehrte, one vorher zu schmelzen. Es ist zunächst in Carnelley's Experiment die Abweichung des Drucks von den normalen Verhältnissen nicht minder groß, denn sein kritischer Druck"( der Ausdruck ist, wie man aus dem vorhergehenden siet, nicht ganz im analogen Sinne mit Andrews' kritischer Tempe­ratur" zu nemen) beträgt hier sogar nur etwa 1/165 des Atmo­sphärendrucks. Er mußte also mit der Luftpumpe die normale Barometerhöhe von 760 Millimeter Quecksilber bis auf 4,6 Milli­meter herabbringen. Dem Umstand aber, daß Eis hart und fest bleiben und dabei eine Temperatur bis gegen, ja über Siedehize annemen könne, benimt die Vergegenwärtigung folgender Tat­sachen den Anschein des Wunderbaren. Um i Pfund Eis von 0 Grad in 1 Pfund Wasser von 0 Grad umzuwandeln, bedarf

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*) Die Tatsache, daß Wasser bei vollkommenster Ruhe an der Luft bis 5 Grad unter Null, im luftleeren Raum sogar bis 12 Grad erkaltet werden kann, one zu gefrieren, was aber sofort geschiet, wenn man es schüttelt, und wobei sich teilweis Eis, teilweis Wasser von 0 Grad ergibt, gehört in eine andre Kategorie von Erscheinungen, da sie mit Druck nicht zusammenhängt.

D. V.