330
Barchentweber die man„ Schwabenweber" hieß werden in Schwaben als eine besondere Zunft ebenfalls schon im 14. Jarhundert genant. Die sächsische Leinweberei, so alt sie auch ist, fam indes erst seit dem 16. Jarhundert durch„ Vater August " in Schwung, welcher leztere nicht selten Flachs austeilen ließ, um die Landleute zum Spinnen und Weben zu ermuntern. Daher ein Liedchen, welches sich lange in den Rockenstuben erhielt und dessen Anfang lautete:" Gabe der Korferst nit Flachsen zum Fädel, feierten Mädel und Spinrädel." Die mechanische Flachsspinnerei wurde im oberen Erzgebirge zuerst im Jare 1860 eineingefürt. Am weitesten verbreitet ist die Leinweberei in Sachsen bekantlich in der südlichen Lausitz. Wer hätte nicht von den stundenlangen und stadtgleichen Weberdörfern hier und in Schlesien , wo man den Beginn der Leinweberei*) ebenfalls Jarhunderte zurückzudatiren vermag, diesen Dörfern mit mehreren tausend Einwonern, gehört, wo vom Dienstboten bis zum Herrn, vom Kinde bis zum Greise alles spint, spult, bleicht, webt oder auf andre Weise dem Gewerbe förderlich ist? Vor einem halben Jarhundert und länger vermochten die Leute sich hier noch gut zu nären. Große Massen von lausißer und schlesischer Leinwand gingen damals in das Ausland, besonders nach Amerika , Spanien und Italien , und die eigenen gesponnenen und gebleichten Handgarne wurden in großen Mengen versendet. Wie es heute stet, wer weiß es nicht?
-
Eine sehr umfangreiche Geschichte hat die Baumwollenindustrie. Die erste Kultur und Verwendung der Baumwollpflanze fand aller Warscheinlichkeit nach in Indien statt. Die indische Baumwolle ist ungemein zart und hat eine gelbe Farbe; sie wurde die heilige Baumwolle" genant, weil die aus ihr gefertigten Zeuge feiner Färbung bedürfen, ungefärbte Baumwolle aber als unrein von den Brahmanen zu tragen verboten war. Aus dieser Baumwolle bestehen die dichtgewebten Zeuge, welche aus der chinesischen Stadt Nanking zu uns kamen und von lezterer ihren Namen erhielten. Sehr früh war die Baumwollenkultur auch in Aegypten entwickelt( vgl. den Artikel„ Spinnen und Weben" in Nr. 9 der „ Neuen Welt"). Strabo ( im ersten Jarhundert nach Chr. Geb.) spricht von ihrer Anpflanzung in Lusiana am persischen Meerbusen, und Plinius erzält, daß die ägyptischen Priester sich in den daraus gewonnenen Stoff kleideten. Nach Europa kam der Baumwollenbau aller Warscheinlichkeit nach durch die Araber, bei denen zu Mohameds Zeiten der Gebrauch baumwollener Stoffe ganz allgemein war. Das erste Land in Europa , in welchem die Baumwollenpflanze als ein Gegenstand des Anbaus erwänt wird, ist Spanien . Erst später kam sie nach Sizilien, dem südlichen Italien und Griechenland . Wann der Baumwollenbau in China eingefürt worden, ist bisher nicht mit völliger Sicherheit zu bestimmen gewesen; nach den meisten Berichten soll er hier nicht weiter als bis ins neunte Jarhundert n. Chr. zurückgehen, da früher die Seide der allgemeine Kleidungsstoff war. Troz des schon früh vorhandenen Baumwollenhandels zwischen Indien und Europa , der teils über Konstantinopel , teils über Aegypten ging, und sich nach und nach erweiterte, war der Gebrauch von Baumwollenzeugen im ganzen Mittelalter, ja, selbst bis ins 18. Jar hundert, ein noch sehr beschränkter. Im 13. Jarhundert befand sich der Hauptmarkt in Granada , im 14. in Venedig , im 16. in Flandern und im 17. Jarhundert in Holland . Von 1650-1740 war Amsterdam der bedeutendste Baumwollenmarkt in Europa , der Holland entrissen wurde, als England die Stelle der ersten Seeund Handelsmacht an seiner Statt einzunemen begann.
Was die Verarbeitung der Baumwolle zu Garnen und Geweben anlangt, so war, wie bereits bemerkt, dieselbe schon geraume Zeit vor Beginn unserer Zeitrechnung und bei den asiatischen Völkern des grauesten Altertums bekant. Im zweiten Jarhundert unserer Aera brachten arabische Kaufleute Baumwolle aus Indien nach den Häfen am roten Meer. Damals wurden von der indischen Stadt Barygaza allerlei Kattune und Musseline ausgefürt, die hinsichtlich der Feinheit aber von den im Gangesgebiet verfertigten und von den Griechen sehr geschäzten übertroffen wurden. Wärend der Eroberungszüge der Sarazenen verbreitete sich der Gebrauch baumwollener Stoffe nach Afrika . Im Jare 1252 finden wir aus Turkestan bezogene Kattune in der Krim als gewönlichen Handelsartikel; auch verwendete man in der südlichen Tartarei baumwollene Gewebe, die aus Persien und
*) Hinsichtlich der gleichfalls in Schlesien fleißig betriebenen Bandweberei sei z. B. bemerkt, daß die dort vielfach benuzte Bandmüle, die eigentliche Fabrikmaschine bei diesem Geschäftszweig, bereits über 200 Jare alt und ihr Ursprung ganz unbekant ist. D. Verf.
dessen Umgebung kamen, zu Kleidungsstoffen. Nach den Mitteilungen des bekanten Reisenden Marco Polo wurden schon gegen Ende des 13. Jarhunderts zu Arzingan in Armenien sehr feine Kattune fabrizirt und sowol in Persien , wie in den Gebieten längs des Indus Baumwolle in Meuge kultivirt und verarbeitet. Von der Küste von Guinea , aus Benin , kamen hier gefertigte Kattune im Jare 1590 nach London . Auch in Amerika war die Verarbeitung der Baumwolle lange vorher, ehe die Europäer dort landeten, bekant. Nach Fr. von Tschudi hätten schon die Inkas in Peru eine braune Baumwolle gebaut und verwebt. Die beste Baumwolle wird hier in Brasilien erzeugt. Gewiß ist, daß bei den Merikanern schon in sehr früher Zeit dieser Stoff das alleinige Kleidungsmaterial bildete. Sie wußten so feine Zeuge daraus zu weben, daß Cortez u. a. zu den für Kaiser Karl V. bestimten Geschenken auch derartige Baumwollenstoffe wälte. Es ist schon gesagt worden, daß im 13. Jarhundert in Europa Granada den Hauptmarkt für den Baumwollenhandel bildete. Hier in Spanien hatte Abderrahman III. , genant der Große"( 912-961), um die Mitte des zehnten Jarhunderts die Kultur der Baumwolle eingefürt, und im 14. Jarhundert wurde dieselbe in Granada sehr schwunghaft betrieben. Aus dieser Zeit stammen one Zweifel die Benennungen, die bei uns heute noch in Gebrauch sind, wie z. B. das Wort Kattun , da Koton im Arabischen die Baumwolle bedeutet( auch das bei den angelsächsischen Völkern gebräuchliche Cotton ist von diesem arabischen Worte hergeleitet), ferner das Wort Watte, welches im Spanischen die krautartige Baumwollenpflanze( Watta) selbst bedeutet. Wort Musselin bedeutet ein Gewebe aus Mossul in Mesopotamien , welches locker aus Baumwolle gewebt war. Angefürt mag hier. gleich noch werden, daß seit Salomo zur Bezeichnung der Baum wolle das Wort Byssus, welches bei alten Schriftstellern sehr oft wiederkehrt, am gebräuchlichsten wurde. Besonders nent man so jene feinen Musseline, welche von indischen Dichtern„ gewebter Wind" genant wurden, da sie nur die Dichtigkeit eines Spinnennestes haben. Zur Zeit des Plinius hieß die Baumwolle Xylon oder Xylinon, und bezeichnete dieses Wort gleichzeitig eine von der Insel Ceylon( von den Engländern bekantlich Silohn ausgesprochen) kommende Ware. Indienne ist natürlich neueren Ursprungs und bedeutet einen feinen gedruckten Kattun.
Das
Infolge der Vertreibung der Mauren aus Spanien erlosch dort die Baumwollenindustrie wieder und hatte dann ihren- Siz hauptsächlich in Venedig und Mailand , von wo aus schon im 14. bis 16. Jarhundert feinere Dimitins und gröbere Tücher und Barchente in den Handel gelangten. Ferner wurden im 16. Jarhundert in Deutschland Barchente und in den Niederlanden , besonders in Gent und Brügge , Kattune bereits in großer Menge gefertigt.
Von der hohen Vollendung der indischen Baumwollenweberei im 17. Jarhundert erzält der Franzose Tavernier, der um diese Zeit Asien bereiste und als Kaufmann die Güte der Fabrikate zu beurteilen im Stande war, viele dieser Stoffe seien so zart, daß sie in der Hand kaum gefült, und so fein, daß sie vom Auge kaum gesehen zu werden vermögen. Zu Seconge in der Provinz Malwa verfertige man Kleidungen von völliger Durchsichtigkeit, die aber nicht in den Handel kämen, weil der Gouverneur sie ausschließlich dem Serail des Großmoguls und seinem Hofe überlassen müsse, da diese Herschaften ein besonderes Bergnügen daran finden, ihre Weiber in solchen Gewändern tanzen zu sehen". Endlich bemerkt der Genante noch, daß türkische Turbane aus 25 oder 30 Ellen solcher Musselins zusammengewunden seien und doch kaum 4 Unzen wögen. Wie ferner der Missionär Ward angibt, wurden zu Gantipuru und Datta Musseline von solcher Feinheit gewoben, daß, wenn dieselben auf einer Wiese lagen und der Tau darauf gefallen war, sie dem Auge sich vollständig entzogen. Man muß gerechterweise staunen, daß aus den Händen des Hindu Gewebe von so außerordentlicher Feinheit und Schönheit hervorgehen können, wenn man bedenkt, daß derselbe auf die Kultur der Baumwolle so wenig Sorgfalt verwendet und sein Webstul jedwedes Mechanismus beinahe entbehrt*).
Zu welcher Zeit die Baumwollenfabrikation in England, wo sie nachher eine so außerordentliche Ausdehnung gewinnen sollte,
*) Unsere Maschinen vermögen freilich jezt Gespinste und Gewebe von gleicher und noch größerer Feinheit hervorzubringen; doch rühmt man dem indischen Handgespinst eine besondere Weichheit und große Dauerhaftigkeit nach, die von den Maschinenprodukten nur in seltenen Fällen erreicht werde. Ein Spinner aus Manchester brachte sogar die Nummer 2150 zur londoner Ausstellung. Doch war dies natürlich eben nur ein Kunst- und Schaustück, ohne praktische Verwendbarkeit.