Leserin. Jezt komt nichts Schreckliches,

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im Gegenteil. Es ist eine liebliche Gruppe: Er anfang der Dreißig, aber älter aussehend. Sie anfang der Zwanzig und wie 17 aus sehend. Er mittelgroß, hager doch kräftig, die Stirne gefurcht, ein helles, schelmisches Auge, um die Mundwinkel das Lächeln des Wizes Sie, schön, schlank, gesund, jugendfrisch, die Schön­heit vergeistigt, erhöt, durch die Liebe, welche ihr Leben ist. Liebe zu Ihm, Liebe zu dem etwa zweijärigen Knaben, der um ihre Kniee spielt, Liebe zu der ältlichen, aber immer noch schönen Frau, die daneben sizt ihrer Mutter. Keine ,, böse Schwieger­mutter", die! Also die drei großen Lieben" zugleich in dem Herzen des Einen Weibs: Gattenliebe, Mutterliebe, Kindesliebe. Und wie heißen die Glücklichen?

Sie ist Lucile, geborne Duplessis; der kleine Pausback heißt Horace, nach dem Lieblingsdichter des Vaters( Horaz ). Und Er? Er nennt sich Camille Desmoulins ( sprich Camill Demuläng) der Held des 12. Juli 1789 und des Bastillesturms ( 14. Juli 1789), der Prokurator der Laterne", trotz aller Schein­härte der gutherzigste, ja weichherzigste der Menschen, und be­gnadet von den Grazien, die ihn in der Wiege gefüßt und ihm die Wundergabe verliehen, den Zauber der Anmut über alles zu gießen was er berürt. Und sein blinkender, schneidender Wiz blinkend und schneidend wie das Messer der Guillotine, und ebenso tötlich. Es hat's mancher empfunden 3. B. die Gi­rondisten. Und wenn dann der leichten Wizguillotine Camille's das schwere eiserne Fallbeil Samson's( des Scharfrichters von Paris ) folgte, oh da raufte der arme Camille sich die Haare aus und jammerte: Jch Elender, ich habe sie getötet! Doch so weit sind wir noch nicht. Und wir wollen heute ja auch nicht Camille's Leben erzälen. Lucile ist's, der dieses kleine Ge­denkblatt gilt.

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Wärend des Erdbebens und der Vulkanarbeit haben sie sich kennen gelernt- Er, schüchtern gleich einem Pensionsmädchen oder schüchterner, duzendmal entschlossen, die Frage" zu stellen und duzendmal zu feig- Er, der Prokurator der Guillotine", der Redakteur der Revolutionen von Paris und Brabant", die fast so gefürchtet waren, als Marats Volksfreund"-schüch tern, feig, bis ihn endlich ein Zufall das längst erratene Ge­

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Zum Studium der Sprachen. Ein Freund der ,, N. W." schreibt uns: One mich hier auf die Frage einzulassen, ob dem Studium der alten Sprachen der Vorrang vor dem der neuen oder auch nur glei­cher Rang mit ihm gebüre, will ich eine Frage berüren, die eigentlich feine Frage mehr ist, nämlich die Art und Weise des Erlernens der alten und der neuen Sprachen in unseren sogenanten gelehrten Schulen ( Gymnasien 2c.). Daß die Metode eine grundverkehrte ist, daß mit einem ungeheuren Aufwand von Zeit und Arbeit ein relativ winziges Resultat erzielt wird, das stet für jeden fest, der den Sachverhalt kent und die Augen nicht absichtlich verschließt. Ich habe in meiner Jugend mich viel mit dem Gegenstand beschäftigt und, soweit ich es fonte, auch für eine Reform gewirkt, jedoch mit geringem oder keinem Erfolg. Seit langem in andere Bahnen gedrängt, habe ich nicht genau kontrolirt, was in den lezten Jarzehnten zur Beseitigung dieses flagranten Mis­standes versucht worden ist; ich weiß aber, daß die Versuche nichts oder sehr wenig genügt haben, denn ich habe mich leider davon überzeugen müssen, daß der Unterricht noch geradeso widersinnig und zeitverschwen­derisch ist, als vor dreißig und vierzig Jaren.

Von großem Interesse war für mich, was der berühmte Troja­Entdecker Schliemann in der Vorrede zu seinem neuesten Werke: Flios Stadt und Land der Trojaner" über die Metode sagt, die er bei Erlernung der Sprachen anwendete. Dr. Schliemann hat zwar feine der sogenanten ,, Gelehrtenschulen" besucht, ist dafür aber ein um so befferer Sprachkenner; außer den bedeutendsten modernen Sprachen, arabisch mit eingeschlossen, schreibt und spricht er lateinisch und griechisch fließend und korrekt was von 1000 auf Gelehrtenschulen Erzogenen faum einer fann-, hat also in Bezug auf das Sprachstudium jeden falls ein vollwichtiges Urteil. Er fing mit den neueren Sprachen an, und das scheint mir beiläufig überhaupt das vernünftigste. Ich warf mich," so schreibt er ,,, mit besonderem Fleiß auf das Studium des Englischen und hierbei ließ mich die Not eine Metode ausfindig machen, welche die Erlernung jeder Sprache bedeutend erleich tert. Diese einfache Metode bestet zunächst darin, daß man sehr viel laut liest, täglich eine Stunde nimt, immer Ausarbeitungen über uns interessante Gegenstände niederschreibt, diese unter der Aufsicht des Leh­rers verbessert, auswendig lernt und in der nächsten Stunde aufsagt, was man am Tage vorher korrigirt hat." Eine der lezten Sprachen, welche Schliemann erlernte, war Altgriechisch, später noch studirte er gründlich Lateinisch. Er schreibt hierüber: Nun beschäftigte ich mich zwei Jare lang ausschließlich mit der altgriechischen Literatur, und zwar las ich wärend dieser Zeit beinahe alle alten Klassiker kursorisch durch.

heimniß hervorstottern ließ- denn er stotterte entsezlich, der brave Camille zum Entzücken des heitern Naturkindes Lucile, dem die komische Selbstquälerei anjing langweilig zu werden. Und wärend des Erdbebens und der Vulkanarbeit fand die Hochzeit statt.

Ueberlassen wir die Glücklichen ihrem Glück.

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Aber Lucile gehört auch der Geschichte an. Zweimal taucht sie auf das erstemal als Geschichts­schreiberin, im eigentlichsten Sinne des Worts. Und das zweite­mal spielt sie selbst mit in dem großen blutigen Drama, franzö­sische Revolution geheißen, und zwar in der denkbar passivsten, leidendsten Rolle- die arme Lucile!

Wir sind am anfang der zweiten Woche des August 1792. Die Erde bebt zorniger als sie seit dem Bastillensturm gebebt, und der Krater des Vulkans stößt gewaltige Rauchwolfen empor, die einen Ausbruch ankündigen. Das in die Enge getriebene Königtum hat sich zum lezten Kampf gestellt die Revolution samelt ihre Kräfte, um das lezte Hindernis aus dem Weg zu räumen.

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Es ist der Abend des 9. August die unheimliche Stille vor dem Sturm. Ein junges Weib mit verweinten Augen sizt neben einem kleinen Kinderbettchen, in dem ihr Liebling rut und schreibt die Großmama" scheint nicht dagewesen zu sein mit flüchtiger, zitternder Hand in ein Tagebuch.- Es ist Lucile: Was soll aus mir werden? Ich halt's nicht länger aus. Camille , mein armer Camille , was wird aus Dir werden? Ich habe nicht mer die Kraft zu atmen. Diese Nacht, das ist die verhängnisvolle Nacht. Mein Gott, wenn es war ist, daß Du existirst, dann rette doch Menschen, die Deiner würdig sind! Wir wollen frei seino Gott! wie viel das kostet!( o Dieu qu'il en coûte). Und zum Ueberfluß des Unheils verläßt mich nun auch der Mut. Dinstag, den 9. August."

Das Tagebuchblatt ist noch vorhanden.

Welche Seelenangst, welche Liebe, und troz der Folterqualen, die das Herz um den geliebten Mann leidet, welche Festigkeit. Kein Wort des Vorwurfs, kein Wort der Verzweiflung, nur Schmerz, daß der Kampf so schwer ist, und Angst um den Ge­( Fortsezung folgt.) liebten.

Die Ilias und Odyssee aber mermals. Von griechischer Grammatik lernte ich nur die Deklinationen und die regelmäßigen und unregel­mäßigen Verba, mit dem Studium der grammatischen Regeln aber verlor ich keinen Augenblick meiner kostbaren Zeit. Denn da ich sah, daß kein einziger von all den Knaben, die in den Gymnasien acht Jare hindurch, ja oft noch länger, mit langweiligen grammatischen Regeln gequält und geplagt werden, später imstande ist, einen griechischen Brief zu schreiben, one darin hunderte der gröbsten Feler zu machen, mußte ich wol annemen, daß die in den Schulen be­folgte Metode eine durchaus falsche war; meiner Meinung nach kann man sich eine gründliche Kentnis der griechischen Grammatik nur durch die Praxis aneignen, d. h. durch aufmerksames Lesen klassischer Prosa und durch Auswendiglernen von Musterstücken aus derselben. Indem ich diese höchst einfache Metode befolgte, lernte ich das Altgriechische wie eine lebende Sprache. So schreibe ich es denn auch vollständig fließend und drücke mich one Schwierigkeiten darin über jeden beliebi gen Gegenstand aus, one die Sprache je zu vergessen. Mit allen Re­geln der Grammatik bin ich vollkommen vertraut, wenn ich auch nicht weiß, ob sie in den Grammatiken verzeichnet stehen oder nicht. Und komt es vor, daß jemand in meinen griechischen Schriften Feler ent­decken will, so kann ich jedesmal den Beweis für die Richtigkeit meiner Ausdrucksweise dadurch erbringen, daß ich ihm diejenigen Stellen aus den Classikern recitire, in denen die von mir gebrauchten Wendungen vorkommen. Was die lateinische Sprache betrifft, so sollte dieselbe meiner Meinung nicht vor, sondern immer nach der griechischen gelehrt werden." In einer Note heißt es: Mit Vergnügen verneme ich von meinem hochverehrten Freunde Prof. Rudolf Virchow in Berlin , daß er die klassischen Sprachen in änlicher Weise gelernt hat. Er schreibt mir über den Gegenstand folgendes: Bis zu meinem 13. Jare erhielt ich in einer pommerschen Stadt Privatunterricht. Mein lezter Lehrer dort war der zweite Prediger, dessen Metode darin bestand, mich sehr viel ex tempore übersezen und schreiben zu lassen; dagegen ließ er mich auch nicht eine einzige grammatische Regel im eigentlichen Sinne des Wortes auswendig lernen. Auf diese Weise gewärte mir die Erlernung der alten Sprachen so viel Vergnügen, daß ich sehr oft Uebersezungen, die mir gar nicht aufgegeben waren, für mich selber anfertigte. Als ich nach Cöslin auf das Gymnasium geschickt wurde, war der Direktor desselben mit meinem Lateinischen so zufrieden, daß ich bis zu meinem Abgang von der Schule sein besonderer Liebling blieb. Andererseits aber konte der griechische Lehrer, Professor Grieben, welcher Teologie studirt hatte, so wenig begreifen, wie jemand imstande sein sollte, eine gute griechische