Uebersezung anzufertigen, one die Buttmann'sche Grammatik auswendig zu wissen, daß er mich geradezu des Betrugs beschuldigte, selbst als er troz all' seines Aufpassens nie irgend ein unerlaubtes Hilfsmittel bei mir entdeckte, verfolgte er mich doch mit seinen unausgesezten Ver­dächtigungen bis zum Abiturienten- Examen. Bei demselben examinirte er mich aus dem Neuen Testament ( griechischen Text); als ich gut be­stand, erklärte er den versammelten Lehrern, die mir einstimmig ein günstiges Zeugnis erteilten, daß er gegen mich stimmen müsse, da ich nicht die moralische Reife für die Universität besize. Zum Glück blieb dieser Protest one Wirkung. Nachdem ich das Examen bestanden hatte, sezte ich mich hin und lernte one jede Hilfe die italienische Sprache."

Ich will diesen Zeugnissen meine eigenen Erfarungen beifügen. Wie gesagt, habe ich mich in meiner Jugend sehr eifrig mit der Reform des Sprachunterrichts beschäftigt. Ich machte geltend, daß man die Summe von Lateinisch und Griechisch, welche man auf den Gymnasien in 8 Jaren erwirbt, spielend in dem vierten Teile der Zeit und weni­ger erwerben könne, und erbot mich, jeden beliebigen jungen Menschen bon 18 Jaren, der Durchschnittsfähigkeiten befize und seine Muttersprache forrekt schreiben könne, binnen eines Jares im Lateinischen oder Griechischen so weit zu bringen, daß er das Maturitätsexamen bestehen fönne. Ein günstiger Zufall fürte mir einen Bauernsohn zu, der die Universität beziehen wollte und, Dank dem trefflichen Unterricht des Dorfschullehrers die Geschichte spielt in der Schweiz , und zwar in dem Schulmeister- Kanton Zürich in allen Fächern außer im Latei­nischen vom Griechischen war er dispensirt- so weit gediehen war, daß er nach Jaresfrist das Maturitätsexamen ristiren wollte. Vom Lateinischen wußte er nichts als die Buchstaben. Gut ich gab ihm ein Jar lang wöchentlich 6 Stunden, für welche er etwa 10 Stunden wöchentlich zuhause zu arbeiten hatte, und das Ergebnis war: er be­stand die Prüfung im Lateinischen ausgezeichnet, und würde sie auch an jedem deutschen Gymnasium bestanden haben. Mein Schüler war fleißig und von Durchschnittsbegabung.

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Die neueren Sprachen eignete ich mir änlich an, wie Schliemann , nur daß ich nicht auswendig lernte. Das bischen französisch und eng­ lisch , das ich auf dem Gymnasium mir erworben hatte, reichte natürlich nach keiner Richtung hin aus. Als ich in die Lage kam, Französisch zu gebrauchen, zeigte sich, daß ich gar nichts wußte, obgleich ich einer der besten" Schüler im Französischen gewesen war. Ich nam nun einen französischen Roman von Balzac , las ihn mit Hilfe des Lexikons bis zu Ende durch, wobei ich jedes mir unbekante Wort aufsuchte, las ihn dann ein zweites und schließlich ein drittes mal durch und konte von da an jedes französische Buch one Schwierigkeit lesen. Die Wie­derholung ersezte mir das Auswendiglernen, das mir, obgleich mein Gedächtnis nicht schlecht, doch in den Tod verhaßt ist. Mit dem Eng­lischen machte ich's auf dieselbe Weise. Beide Sprachen lese und schreibe ich ebenso fließend und ziemlich ebenso forrekt wie meine Muttersprache. Zwei Jarzehnte lang habe ich mich mit Sprachunterricht ernären müssen, und ausnamslos gefunden, daß daß Lesen und Wiederholen( münd­lich wie schriftlich) schnellen und dauernden Erfolg verbürgt; daß aus der Praxis die Teorie( die Kentnis der grammatikalischen Regeln) sich sozusagen von selbst ergibt und daß die durch wolgeregeltes Lesen- bei sonst entsprechendem Unterricht erworbenen Sprachkentnisse zehn­erworbenen Sprachkentnisse zehn­mal besser haften als die auf dem Gymnasium erworbenen. Dazu komt noch, daß durch diese Metode Lust und Liebe zur Sprache eingeflößt wird, wärend die zöpfische Metode der Gelehrtenschulen Widerwillen und Ueberdruß erzeugt. Wird der Sprachunterricht rationell betrieben, wird vor allem durch praktisches und gründliches Lehren der Mutter­sprache ein gutes Fundament gelegt, dann kann mit Leichtigkeit jedes Kind in der gleichen Zeit, die jezt in den höheren Schulen auf den Sprachunterricht verwant wird, Französisch und Englisch vollkommen lesen, schreiben und sprechen und obendrein Lateinisch und Griechisch, soweit es nötig ist, lesen und schreiben lernen mindestens so gut wie jezt. Dann erledigt sich auch das Problem der Weltsprache". Von der Idee, eine neue Weltsprache zu gründen, ist man ja wol zu­rückgekommen. Allein, es ist auch unmöglich, aus den drei vorhande­nen Weltsprachen eine herauszuwälen und dieser die allgemeine Anname zu sichern. Warum nicht die drei zur allgemeinen Anname bringen? Heute lernt schon jeder gebildete Engländer und Amerikaner Französisch und Deutsch und jeder gebildete Franzose Deutsch und Englisch , wie jeder gebildete Deutsche Französisch und Englisch . Nur, daß in Eng­land, Frankreich und den Vereinigten Staten der Sprachunterricht ebenso erbärmlich ist, wie bei uns. Ist der Sprachunterricht dem gesamten übrigen Unterricht bei den Kulturvölfern einmal rationell reformirt, dann werden wir bald so weit sein, daß jeder einem Kulturvolk Angehörige die drei Sprachen: französisch, englisch und deutsch genügend fent, um sich mündlich und schriftlich verständlich zu machen. Mit Gruß

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Ihr

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mit

Tristans Tod.( Siehe Bild S. 328-29.) Es ist die alte ewig neu bleibende Geschichte, welche das treibende Element zu dem Roman gegeben hat, dessen Abschluß in unserer Illustration dargestellt ist: die Geschichte von der verzehrenden Leidenschaft zweier Menschen, die nicht einander ganz angehören dürfen und daher zugrunde gehen, der eine im Kampfe, in den er von seiner Leidenschaft getrieben wurde, der andere am gebrochenen Herzen über den Verlust des Geliebten. Damit wäre eigentlich für die, welche derartige Gefüle kennen und zu

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würdigen verstehen, genug gesagt, und die Szene, welche hier bildlich vorgefürt ist, erklärt; da jedoch von einem großen Teil der Leser der Neuen Welt" kaum angenommen werden darf, daß sie den Stoff ten­nen, welchen der Künstler in seinem Bilde zum Vorwurf nam, so sei es uns gestattet, denselben hier kurz zu erzälen, und zwar nach dem herrlichen Gedicht Gottfrieds von Straßburg : Tristan und Isolde. Der Stoff, eine bretonische Sage, wurde bereits vor Gottfried von mereren Dichtern, und zwar Engländern, Deutschen und Franzosen, poetisch dar­gestellt, aber nicht im entferntesten in der schönen Weise, wie von diesem. Riwalin, König von Parmenierland, hat Morgan, seinen aufsässigen Lehns­herrn, geschlagen und Frieden gemacht, und besucht Marke, den König von Kurnewale, in dessen schöne Schwester Blanscheflur er sich verliebt. Seine Liebe findet Erwiderung, aber sie wird gestört durch einen Krieg, den ein mächtiger Feind Marke's angefacht hat, in den Riwalin ziet, den Gegner besiegt, aber selbst tötlich verwundet wird. Blanscheflur schleicht sich an sein Krankenlager in Bettelkleidern: ,, sie legte ihren Mund an seinen Mund und küßte ihn hunderttausend Stund in einer kleinen Stund, bis ihm ihr Mund entzunden Sinne und Kraft zur Minne, denn Minne war darinne." Sie empfing ein Kind von ihm; Riwalin ward wieder gesund und kehrte, als er die Nachricht von einem neuen Kriege Morgans gegen sein Land erhielt, dorthin zurück. Blanscheflur, die den Zorn ihres Bruders über ihr geheim gehaltenes Verhältnis fürchtet, entflieht mit ihm und wird von ihrem Manne im Parmenier­lande öffentlich als sein Weib anerkant, wärend des Krieges aber in das Haus des Marschalls Rual zur Pflege gegeben. Riwalin fällt in dem Kriege und Blanscheflur stirbt ob der Schmerzen dieser Todesnach­richt und der Geburt eines Knaben. Dieser wird, um ihn vor Ver­folgungen zu schüzen, von Rual für sein eigenes Kind ausgegeben und erhält wegen der Trauer bei seiner Empfängnis und Geburt den Na­men Tristan. Von seinen Pflegeeltern wird er in allen ritterlichen Künsten, Saitenspiel und fremden Sprachen unterrichtet, und infolge seiner Talente von norwegischen Kaufleuten geraubt, aber von diesen in Kurnewale an's Land gesezt. Dort trifft er den König Marke mit Genossen auf der Jagd, eben damit beschäftigt, einen geschossenen Hirsch auszuweiden und zu zerlegen. Er drängt sich hinzu und zeigt den Jägern, wie man einen solchen Hirsch kunstgerecht enthäuten und zer­legen müsse. Marke findet Wolgefallen an ihm und macht ihn zu seinem Jägermeister. Rual, der ihn jarelang mit Aufwand seiner ganzen Habe gesucht, findet ihn endlich und erzält Marke seine Herkunft, worüber der noch größere Freunde empfindet und ihn in den Ritterstand erhebt. Tristan unternimt jezt einen Kriegszug gegen Morgan und erobert das Reich seines Vaters zurück. Hierauf kämpft er mit Morolt, dem Schwa ger des Königs Gurmun von Irland, der ins Land Markes gekommen, um einen früher aufgedrungenen Tribut von 30 schönen Knaben zu holen. Tristan, in dem Streite mit dem wegen seiner Stärke gefürch teten Morolt an der Hüfte von dessen vergiftetem Schwerte verwundet, tötet diesen, wobei aber ein Splitter seines Schwertes im Haupte seines Gegners stecken bleibt, der, nachdem das Gefolge die Leiche nach Irland gebracht, gefunden und von Isolde, der Schwester des Toten, aufbewart wird. Gurmun, wütend, erläßt ein Gebot, wonach jeder, der von Kurnewall nach Irland käme, dies mit dem Tode bezalen solle. Da sich Tristans Wunde immer mer verschlimmert und er von Morolt er­faren, daß dieselbe nur von der Königin Isolde geheilt werden könte, so macht er sich auf den Weg zu ihr, als Spielmann verkleidet, mit dem Namen Tantris. Sein Spiel entzückt und er wird von der Köni­gin geheilt, wofür er ihrer Tochter Isolde Unterricht im Saitenspiel, und zwar mit Erfolg gibt. Hierauf kehrt er zurück an den Hof Marke's; über seine Heilung herrscht große Freude, aber auch unter den Lehns­herren großer Neid über seine Erfolge. Darum rät Tristan dem König, sich zu verheiraten und empfielt Isolde, die Tochter Gurmunds, ihm zur Frau; die gefärliche Brautwerbung übernimt er selbst als verkleideter Kaufmann, mit einigen Gefärten. Als er in Irland allein an's Land steigt, erfärt er, wie ein gefärlicher Drache das Land in Schrecken seze und wie der König geschworen habe, dem seine Tochter Isolde zur Frau zu geben, der den Drachen töte. Tristan macht sich, um seine Mission abzukürzen, gerüstet zum Kampfe mit dem Drachen, auf den Weg und siet, in der Nähe des Ungeheuers angekommen, wie zwei gerüstete Männer, darunter der Truchseß, die Flucht ergreifen. Er selbst erschlägt den Drachen und steckt die Zunge desselben zu sich, ist aber so ermüdet, daß er hinsinkt und in einen langen Schlaf ver­fällt. Der Truchseß, der kurz nach der Tötung des Ungeheuers wieder zur Stelle ist und feinen findet, der dasselbe erschlagen haben könte, gibt sich selbst für den Helden aus. Die Königin mit ihrer Tochter solde reiten aus nach dem Kampfplaz, finden Tristan in einem Toten­schlafe und sehr geschwächt, und füren ihn nach Hause, durch die vor­gefundene Zunge des Drachen vergewissert, wer den Sieg errungen. Wärend drei Tagen wird unser Held sorgfältig gepflegt, aber in dieser Zeit entdeckt die junge Isolde an der Scharte des Schwertes von Tri­stan, daß dieser ihren Dheim erschlagen und will, wutentbrant, auch diesen töten. Ihre Mutter hält sie jedoch davon ab, und Tristan er­hält am Ende die Einwilligung von König Gurmund zur Vermälung seiner Tochter mit Marke und versönt sich selbst mit dem ersteren. Die Königin, welche ihre Nichte zur Begleitung Isoldens erkoren, übergibt dieser einen selbstbereiteten Liebestrant, für Marke und Isolde bestimt. Isolde ist bei der Seefart nach Kurnewale immer noch erzürnt auf Tristan, der ihren Onkel getötet und sie selbst aus dem Elternhause entfürt. Diese Stimmung schlägt jedoch in das Gegenteil um, nachdem