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Ein Verfolgter.

Endlich," schrieb Rousseau nach seiner Ankunft in Yverdon an den Marschall von Luxembourg , endlich habe ich meinen Fuß auf diesen Boden der Freiheit und Gerechtigkeit gesezt, den ich niemals hätte berlassen sollen." Der gute Papa" Roguin, sein, alter Be­schüzer und Wol­täter", der ihn schon anfangs der vierziger Jare, als er noch un­bekant und hilf­los auf dem teuren pariser Pflaster umher­schlenderte, mit seinem Rate und seiner Börse un­terſtüzt hatte,

nam ihn auch jezt mit der größ­ten Herzlichkeit auf. Seine zal­reiche und ange sehene Familie folgte dem Bei­spiele ihres wür­digen Hauptes. Rousseau glaubte jedoch, die schöne Gast­freundschaft nur vorübergehend in Anspruch ne men zu dürfen. Er suchte eine Stätte, wo er im

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eigenen Haus­wesen ungestört wonen könnte, und er hoffte, in seiner Vaterstadt das gewünschte Asyl zu finden. Schon am 11. Juni 1762 war der ,, Emil" in Paris auf Be­fel des Parla­ments verbrant worden. Kaum hatte der genfer Rat durch seinen Geschäftsträger du Sallon hier­von Nachricht er­halten, als er sofort zusammen­trat. Der Gene­ralprokurator Tronchin be zeichnete in sei­ner Anklage­schrift Worten seines Kollegen von pariser Parlament- den Emil" und den Contrat social " als verwegene, ärgerliche, gottlose Schriften", die auf Vernichtung der christlichen Religion und aller Regierungen abzielen". Der Rat beschloß, die also angeklagten Werke seien öffentlich durch die Hand des Henkers zu verbrennen, und ihr Verfasser, falls er sich auf dem Gebiete der Republik betreten lasse, solle verhaftet

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( 1. Fortsezung.)

und dem Syndikus vorgefürt werden". Schon am nächsten Tage es war am 19. Juni sah die am Rathause versammelte Menge, wie der Henker die glühenden Kolen anfachte und, nachdem das Urteil mit lauter Stimme verlesen worden, die beiden Schrif ten zerriß und in das Feuer warf.

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Befruchtung der Türkenbund- oder Berglilie durch einen honigsaugenden Schmetterling.( Seite 347.)

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Aber von dem lauten Bei­fall, mit welchem man vor kurzem erst die voltaire­schen Schriften hatte in Rauch aufgehen sehen, war diesmal nichts zu hören. Eine tiefe, un­heimliche Stille herschte unter den Anwesenden. Der Ausdruck ihrer Mienen verriet die dumpfe Be­stürzung, welche das Volk ergrif fen hatte die verhaltene Wut, welche in ihrem Innern tochte. Die Unzufrieden­heit über das Geschehene stei­gerte sich noch, als die verur­teilten Schriften endlich eintrafen und ihr Inhalt genauer bekant wurde. Es half nichts, daß der Rat, um der be= denklich wachsen­den Aufregung zu steuern, den einen oder den andern, der seine Misbilligung gar zu laut wer­den ließ, hinter Schloß und Rie­gel zum Schwei­gen brachte.Hatte er doch selber nicht den Mut, sein Urteil der Bürgerschaft ge­genüber zu ver­treten. Als die Verwanten Rousseau's um eine Abschrift des ergangenen Ur­teils baten, wies der Rat gegen

alle Billigkeit und im Widerspruche mit dem Herkommen ihr Gesuch zurück. Auf die Beschwerde aber, welche infolge dessen von den Bürgern eingereicht wurde, ließ er durch den ersten Syndikus erklären, daß das verlangte Dekret garnicht vorhanden sei!

Der Rat hatte auch allen Grund, einer Rechtfertigung aus dem Wege zu gehen und jede Erörterung seines Verfarens zu