Die oben erwänten, vorbedeutungsvoll zerspringenden Glas­gefäße lassen sich mit den besprochenen Arten von Glas in eine Kategorie bringen. Von verschiedenen Seiten hatte man schon früher die Anname gemacht, daß solche Gläser in Folge schneller Abkülung, änlich den bologneser Fläschchen und Glastränen, einen innern Spannungszustand besäßen, bei dem ein Rizen durch ein Quarzkorn und eine später zukommende geringe Er­schütterung oder Temperaturveränderung genüge, um das Zer springen herbeizufüren. Diese Abkülung kann außerdem, zumal bei ungleicher Dicke, in verschiedenen Teilen des Gefäßes un­gleichmäßig stattgefunden haben, und dazu noch das Rizen, wie bei Hartglas, an unrechter Stelle stattfinden. Hagenbach unter­suchte nun, schließend daß, wenn diese Anname richtig sei, solche Gläser im polarisirten Licht Farben zeigen müßten, mehrere der

Opernterte unter der Loupe  .

Von Theodor Drobisch.

Unter allen Büchern in der Welt erlauben sich die Opernbücher, die Opernterte unstreitig die größte Freiheit. Sie sind der Garibaldi, ja die Flibustier der dramatischen Poesie, sie sind der Bosko oder Bellachini der teatralisch- musikalischen Täuschung, wo nicht selten jede Szene als ein Wunderschrank produzirt, in den die Warheit und die Warschein­lichkeit hineingesenkt worden, um als blühender Nonsens wieder zu er­scheinen.

An ein Wettrennen mit Hindernissen ist hier leicht zu denken, denn dem Pegasus, wenn ihn ein Libretto dichter reitet, darf keine Hecke zu hoch und kein Graben zu breit sein. Ja, es heißt von ihm:

,, Der Reiter und sein schnelles Roß, Sie sind gefürchtete Gäſte,

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denn so ein Operntext- Kavallerist ist kein Attenreiter oder Bibelhusar, der an Worten klebt oder vielleicht gar die Pferde hinter den Wagen

spant.

Ist er in seinem Ritt durch die Roßkastanienallee der Oper einem Stoff auf der Spur, so wird sein Pegasus zu einem wiehernden Siegesrosse, das um das bedrängte Troja jagt, unter welchem ein bedrängter, nach einem Operntexte seufzender Komponist zu ver ſtehen ist.

Und wenn der Ritt vollendet, wenn er das Ziel errungen, wenn er durch seinen Ritt wie die Tataren ein Stück rohes Hammelfleisch zu Arien, Duetten und Terzetten gar gemacht, dann ist es ihm gleich, wenn ästetische Linsenklauber und Silbenstecher vielleicht ihre Stimme erheben und ausrufen sollten:

,, Schade, schade, Reiterpferd,

Der Reiter ist keinen Heller wert!"

Ein perfekter Operntextdichter muß es verstehen, sich wie eine Here auf die Dfengabel zu sezen, um damit auf den musikalisch- teatralischen Blocksberg zu reiten, wo es dann gilt, entweder mit einem gefallenen Engel eine Galopade oder mit einem ausgetragenen Teufel Cancan  

zu tanzen.

Wenn der Dichter Adolf Müllner   eine Definition der Oper in den Worten gibt: ,, was zu dumm ist zum Sprechen, das wird gesungen", so kann den Dichter schon etwas der Haber stechen und er seinen Pegasus als Backpferd behandeln. Es wird ihm nachgesehen, wenn sich solcher bei seinem Ritt in das romantische Land als Harttraber erwiesen, indem bei einer Oper, wie viele sagen, ja die Musik alles macht.

So hat denn ein Libretto dichter einen großen Spielraum, denn ist nicht an und für sich schon die Büne eine Doppelwelt der Täuschung? Um wieviel mehr nun erst die Oper, welche sich als ein Feenreich dar­ſtellt, deſſen Goldſchaum der Zuschauer nicht abstreifen darf, one in ihr das Treiben eines Narrenhauses zu erblicken.

Den besten Freund hat der Dichter am Publikum selbst, das einen ganzen Abend hindurch Täuschung für Warheit nimt, selbst mitdichtet und auf jede Illusion einget, die ihm der Dichter vorschreibt.

In Momenten, wo es sich einem unbegrenzten Sinnengenuß hin­gibt, stellt es alle Reflexionen ein, läßt den Maßstab strenger Logik beiseite liegen.

Der Dichter verläßt sich auf den Komponisten, er denkt mit A. W. Schlegel: ,, Es schlummern in den goldnen Saiten Der unbekanten Kräfte viel."

Auf diese Kräfte sezt er seinen Glauben, und das Publikum wird ihn entschuldigen, wenn in seinem Werke Dinge zutage kommen, die sich nicht rechtfertigen lassen, wenn man sie von einem nüchternen Stand­punkte aus betrachten sollte.

,, Ein Gescheiter siet das nicht!" sagt Kaspar im ,, Freischüz", und so hat wol auch der Dichter desselben, Friedrich Kind, das kleine Böck­lein nicht gesehen, das er bei den Worten geschossen, wo es heißt: Heut' in der Andreasnacht, wo der Zauber wird vollbracht."

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artige von selbst gesprungne, unfreiwillige Spiritistenhandlanger in ihrer gläsernen Körperlichkeit. Sie zeigten die Farben sehr deutlich und lebhaft. Von einer großen Anzal änlicher neuer Glaswaren zeigten natürlich nur wenige Farbenspuren, wie ja auch das Vonselbstspringen bei prozentuell sehr wenigen unter der ungeheuren Menge gebrauchter Gläser eintritt.

Es können also durch dieses optische Mittel diejenigen Me­dien im voraus erkant werden, die warscheinlich durch Springen und Klingen einstmals in unsere verstockte Welt hineinzupredigen berufen sein werden. Wer kein Gruselbedürfnis hat, der wird freilich im eintretenden Fall wissen, daß nicht eine Vorbedeutung in Frage ist, sondern nur eine Nachwirkung in Folge unvoll­kommnen technischen Verfarens oder von Nachlässigkeit bei der Glasbereitung.

Jarelang vernam man diesen Ausruf, der sich noch in älteren Textbüchern vorfindet und heute noch nicht selten bei kleineren Teatern gehört wird. Andreasnacht; wann fällt sie? Stets und immer auf den dreißig­ſten November. Tanzt man da, wenn es abends sieben Uhr schlägt, im Freien noch unter der Linde herum, kann man da noch nach der Scheibe schießen?

Das Tanzen im Freien, wo der Sturmwind Musik macht, sollte den Dirnen wol vergehen, denn zu dieser Zeit tanzen schon immer die Schneeflocken.

Kurz darauf, vielleicht so gegen acht Uhr, singt Agathe in die Andreasnacht hinaus:

,, Nur die Nachtigall und Grille

Scheint der Nachtluft sich zu freu'n."

Von einer Nachtigall, die noch am lezten November im Freien singt, bitte ich mir einen Ableger aus. Die gute Philomele sollte da= für einen ganz besonders fetten Melwurm empfangen. Ebenso die Grille. Wenn dieser nicht vor Reumatismus gebangt hat, dann weiß ich's nicht. Kind muß hier eine ganz besondere Grille gehabt haben.

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Um weitere Beispiele anzufüren, wollen wir uns jezt ein wenig die Stumme von Portici" betrachten, jene von Scribe gedichtete Sen­sationsoper.

Erstens der Son des Vicekönigs von Neapel  , welcher auf den Namen Alfons hört. Jedenfalls ein netter Junge, welcher mit Gewalt die Schwester von dem Fischer Masaniello poussiren will, die schön, aber stumm iſt.

Das leztere ist dem Königsson warscheinlich die Hauptsache, damit Fenella, so heißt die Stumme, nicht etwa schreien kann, wenn er ihr Gewalt antun will. Nebenbei ist dieser Alfons ein Schwächling, ein warer Waschlappen, welcher mit den Worten hinweg eilt: Der Vice­fönig wartet meiner am Altar!"

Was aber tut die Braut, welche im Begriff stet, dem Alfons so­eben die Hand für's eheliche Leben zu reichen?

Jedenfalls mismutig und verdrießlich, sich von dem Bräutigam zur Unzeit aufgegeben zu sehen, läßt sie ihn und den Vicekönig, diesen Stolzesten der Granden, am Altar noch länger warten. Sie denkt war­scheinlich: abwarten! nur nicht gedrängelt! ich habe erst noch eine große Arie zu singen.

Sie ist damit fertig; sie hat den gebürenden Applaus eingeheimst und ihren pflichtschuldigen Knig gemacht, wärend unterdessen Hofdamen und Gefolge, die rechte Hand auf die Herzgrube gelegt, sich totmüde auf einem Flecke gestanden.

Jezt aber wird sie doch in die Kapelle eilen? Keineswegs. Hat feine Ueberstürzung, es gibt noch einen großen Tanz; zwar keinen der Vicekönig so lange gewartet, kann er noch länger warten. Nur Fackeltanz der Minister, wie in Berlin  , wenn eine preußige Prinzessin heiratet, sondern ein Ballet mit Castagnettengeklapper, ausgefürt von den Tänzerinnen in den bekanten kurzen Schwenzelröckchen.

Dies alles öffentlich, Freihandel dicht vor der Kirche, kaum sechs Schritte davon entfernt. Der Herr Schwiegervater guckt vielleicht mit der Priesterschaft selbst so verstolen ein wenig zu. Wo nicht, hebt er vielleicht, wie ein Kranich ein Bein um das andere in die Höhe und murmelt: Schwerenot, ist meine Tochter bei Sinnen? Weshalb tempert die denn so lange? Ich stehe hier wie auf Kolen.

Endlich will die Prinzessin fort, da aber komt die Fenella, die Stumme, welche durch Zeichen und Pantomimen erklärt, daß sie auf Befehl des Prinzen gefangen worden sei und Reißaus genommen habe. Die Prinzessin sichert ihr Schuz und Freiheit zu. Alles auf der Gasse, im Angesicht des Volkes. Der Offizier, dem Fenella anver­traut, gibt sie auf und säuselt ab. Fenella ,, laßt mich der neuen Feiheit genießen" will dasselbe tun, aber nein, hierbleiben, sie muß ja mit einem dumpfen Schrei das melodische Finale einleiten. Bei der Entdeckung, Alfons habe die Stumme verfürt, würde jede andere Fürstin mit Entrüstung abgehen, aber nein, die Gelegenheit ist günstig, sie muß ihren Schmerz zur Schau tragen, daß sie so einem Tunichtgut die Hand reichen soll.

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