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,, Aber Sie wissen doch, wer diese Appartements bewonen soll!" rief er erzürnt dem Hotelier zu.„ Eine Künstlerin, und zwar eine Künstlerin ersten Ranges, Signora Bianca!"
Der Hotelier verneigte sich vor dem Klange dieses Namens, und er versicherte hierauf dem Kavalier, es werde alles noch herbeigeschafft und gewiß alles aufgeboten werden, um selbst die verwönteste Dame zu befriedigen. Er wisse ja die Ehre, die ihm Signora Bianca erweise, ganz gebürend zu schäzen und sein Hotel werde sich derselben würdig zeigen.
Zwei Zeitungsreporter traten jezt herein und stellten sich in dieser Eigenschaft dem Baron vor. Sie wollten die Appartements besichtigen, welche die Diva bewonen werde, um eine kleine Beschreibung derselben zu liefern; sie versicherten, es könne in diesem Augenblick nichts interessanteres für ihre Leser geben, und sie ständen deshalb nicht an, dieser Angelegenheit ein ganzes Feuilleton zu widmen. Der weltfluge Hellenbach, der bisher für seinen Schüzling in jeder Art Reklame gearbeitet, empfing die Herren sehr liebenswürdig. Sie zeigten keine geringe Neugier; sie wollten alles sehen, sogar das Schlafgemach, und sie baten hierauf um einige fleine Andeutungen über die Lebensweise und die Gewonheiten der Signora, einige Anekdötchen über ihren lezten Aufenthalt in Mailand , und sie wünschten endlich auch ihre intimeren Beziehungen kennen zu lernen. Hierin zeigte sich der Baron indes reservirt. Er versicherte, daß er dem intimen Leben der jungen Künstlerin gänzlich fernstehe, daß er nur als alter Freund ihrer Familie und als derjenige, der ihr außerordentliches Talent erkant und gefördert, das Recht erhalten habe, sie auf der Büne wie in der Gesellschaft einzufüren und ihr Auftreten daselbst zu leiten und zu überwachen.
Der Baron hatte so feine Manieren und er sprach mit soviel Achtung von der jungen Primadonna, für deren Empfang so ausgesuchte Vorbereitungen getroffen wurden, daß die Wissensdurstigen, nun selbst respektdurchdrungen, vorläufig von allen weiteren Detailstudien absahen und sich empfalen. Sie wünschten nur noch die Stunde und Minute ihrer Ankunft zu erfaren, denn sie gedachten sich auf den Bahnhof zu begeben, um derselben persönlich anzuwonen.
Die Arrangements waren so ziemlich beendet. Die Blumen waren gekommen und aufgestellt worden, die rotatlasnen Rideaux waren herabgelassen und die Gaslüster sowie die Kerzen in den Kandelabern entzündet worden. Duft und Lichterglanz machten die eleganten Räume noch behaglicher, wärend der Lärm von außen nur in gedämpften Lauten hereindrang. Der Baron hatte die Dienerschaft entlassen. Er ging noch einmal von Gemach zu Gemach, um mit kleinlichster Sorgfalt und einer ganz weibischen Pedanterie einige Nichtigkeiten zu korrigiren. Er trippelte hin und her und blieb endlich im Schlafgemach vor einem großen Venetianerspiegel stehen. Er sah hinein und begann sein Gesicht und seine Gestalt mit nicht geringer Aufmerksamkeit und Sorgfalt einer Prüfung und Musterung zu unterziehen. Sein Anzug war tadellos, von äußerster Eleganz, sein Teint war frisch, das Auge lebhaft, das Har in dem gut kombinirten Arrangement stand ihm wol zu Gesicht; einige sehr dünne Stellen am Scheitel schienen ihn indes besorgt zu machen; er fur wiederholt mit der Hand dahin, das Har daselbst etwas dichter zusammenstreichend. Sie hat es neulich bemerkt," sagte er seufzend, und sie hat einen Wiz darüber gemacht, ach, sie ist so spottluftig." Er bespiegelte seine Seitenansicht. Ich begreife nicht, in diesem Roder ist abscheulich gemacht da fiet es fast aus, als ob ich eine kleine Anlage zu Embonpoint verriete; im Profil wenigstens ja, ja, im Profil ist eine Andeutung, ah, wenn ich Fett ansezte, es wäre entseglich!" Unmutig wendete er sich hinweg. Sein Blick fiel auf einen eleganten Morgenanzug von weißem Atlas, den die Kammerjungfer, die ihrer Herrin vorausgereist war, bereits für diese zurechtgelegt und der hier über den Balzac ausgebreitet lag. Er blieb sofort gefesselt davor stehen. Seine Finger berürten das Kleid und sie tasteten mit Behagen über den weichen, glänzenden Stoff hinweg, dem ein feines Parfüm entströmte; es schien ihm ein wolbekantes, seine Sinne erregendes. Wie schön sie darin ist," murmelte er. Unwillkürlich hatte er den Stoff in die Höhe und an sich gezogen, ein par goldgestickte, wunderzierliche Schuhe, die auf dem Teppich standen, wurden nun sichtbar. Er betrachtete sie lange. Ihr Fuß ist entzückend, dachte er; dann aber, als ob ihm unter diesen wonnigen Betrachtungen zugleich eine ärgerliche aufgestiegen, warf er die Atlasrobe auf den Balzac zurück, und sich rasch entfernend, verließ er die Appartements der Signora Bianca.
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Es war Nacht geworden.
Auf dem Quai vor dem Bahnhofe war ein lautes Schreien, eine lebhafte Bewegung entstanden. Der mailänder Zug war angekommen. Eine Anzal Wartender umstand das große Ausgangstor des Bahngebäudes, welchem nun in hastigem Vorwärtsstreben die Angekommenen, einer Menschenwoge gleich, entströmten. Fröliche Rufe der Begrüßung ließen sich vernemen, und mit den Begrüßern drängten sich zugleich eine Anzal Verkäufer und Verkäuferinnen an die Fremden heran, im hohen Diskant und in Die Lohndiener zudringlichster Weise ihre Waren anbietend. schrieen laut und wiederholt die Namen ihrer Hotels aus und luden zu deren Besuche ein. Auch die zalreichen Gondeln, die einzigen Farzeuge Venedigs , waren in Aufrur gekommen, sie manövrirten heran, sich an die Quaimauer schmiegend und an der breiten Treppe, so nahe als möglich, anlegend. ,, Una gondola, Signore, una gondola, si piace! La barca, commanda la barca!" so riefen sie in ihren weichen venetianischen Lauten um die Wette. Das Gewül, das Hinundherrufen, das Drängen den Marmorstufen entgegen, die nach dem Wasser fürten, wurde immer ärger, und die Karabinieri in ihren dunklen Uniformen, den zweispizigen Hut kühn aufgesezt, fanden sich hie und da genötigt, einzuschreiten, um Ruhe und Ordnung wiederherzustellen.
Jezt kam Elvira im dunklen Reisekleid, ein rundes, schwarzes Hütchen tief in die Stirn gesezt, am Arme Eugens aus der Halle geschritten. Sie blieb von dem Anblick, der sich ihr bot, überrascht und gefesselt einen Augenblick stehen. Ihr Auge überflog die herlichen Konturen der Kirchen und Paläste mit ihren Kuppeln und Türmen, die sich dunkel und doch so deutlich in all' ihren phantastischen Linien von dem nächtlichen Himmel abhoben. Sie sah das dunkle, ruhige Wasser zu ihren Füßen, das die breite, ins unabsehbare sich verlierende Straße bildet, zu deren Seiten Prachtbauten sich reihen, die dem feuchten Element unmittelbar entstiegen schienen, das ihr jezt tief geheimnisvoll entgegenrauschte. Wie schön bist du! sei mir gegrüßt, Venezia !" rief sie in fast entusiastischer Weise. Dann schritt sie mit ihrem Begleiter nach der Marmortreppe und begann die Stufen hinab zu steigen. Hellenbach winkte; die Gondel des Hotels, mit den in etwas teatralischer Matrosenkleidung steckenden Gondolieren, kam mit einigen Ruderschlägen herbei. Als Elvira aber nun das große, dunkle, altvenezianische Farzeug, das mit dem gewölbten, mit schwarzem Tuch überspanten Deckel versehen war, erblickte, fur sie erschauernd zurück.
" Das ist ein Sarg," rief sie,„ da will ich nicht hinein."
" Ich fürchtete diesen Eindruck," bemerkte Eugen lächelnd, indem er sich zu ihr herniederbeugte, ich habe deshalb auch eine offene Gondel mitgebracht, aber die Luft ist fül, ich fürchte, Sie könnten sich erkälten, Elvira."
Sie sprachen französisch und sie gebrauchten in ihrer gegenseitigen Ansprache das vous.
" Nicht doch, ich werde meine Mantille umwerfen."
" Wie Sie es wünschen. Ihre Gesellschaftsdame Madame Douais kann diese Gondel benüzen, indes wir die offene nemen. La gondola senza felze!" befal er. Eine unbedeckte Gondel manövrirte in schlangenartiger Behendigkeit heran. Elvira sprang in dieselbe und ließ sich auf dem weichgepolsterten Size nieder. Eugen nam an ihrer Seite Plaz. Der eine der Gondoliere rüdwärts an der Poppa, der andere vorne postirt, beide stehend, tauchten mit einer fräftigen und doch so graziösen Bewegung, die langen Ruder tief ins Wasser; rasch und lautlos glitt die Barke vorwärts.
Eugen hüllte Elvira fest in ihre Mantille. Sie lehnte sich zu rück, träumerisch still, sanft gewiegt von der schaukelnden Be wegung der Gondel, schon beeinflußt von dem eigentümlichen, fremdartigen Zauber Venedigs .
Sie waren aus dem Gewüle des Kanal grande heraus in ein Labyrint enger Wasserstraßen gekommen, in denen nichts sich regte und nichts vernommen ward als der langgedehnte, weithin tönende Ruf des Gondoliers gia è", den er, um einen Zu sammenstoß zu vermeiden, voran schickte, ehe er um eine Ede bog. Die verwitterten Mauern der in Schatten und Nacht ge hüllten Paläste, hinter deren hohen Fenstern auch nicht ein Licht, die verfallene Bracht erhellend, brante, ragten an beiden Seiten des Wassers hoch empor. Nur ein ängstlich schmaler Streifen des Firmaments ward dazwischen sichtbar, und nur wenige Sterne schimmerten daraus mit einem schwachen Licht hernieder; aber heller, funkelnder, mit einem Feuerglanze tauchten sie aus