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Lucile ist aus der Geschichte verschwunden. Das Glück hat keine Geschichte. Und Lucile war glücklich glücklich inmitten des Erdbebens und der ununterbrochenen Vulkanarbeit. Die Felsblöcke wurden hin und hergeschleudert, doch das verstolene Fleckchen Erde , wo die rotumsäumten Gänsblümchen und die blauen Glockenblumen so vergnügt blüten, blieb unberürt
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von dem Erdbeben und der Vulkanarbeit. Fast zwei Jare Yang ist Lucile aus der Geschichte verschwunden.
Da taucht sie plözlich auf.
Der Felsblock, an den das verstolene Fleckchen Erde sich angelehnt, ist ins Rollen gekommen.
Wehe den rotumsäumten Gänsblümchen und den blauen Glockenblumen! ( Fortsezung folgt.)
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Familienerziehung für Armenhauskinder. Die Schrednisse des englischen Workhouses( Armenhauses) sind befant, und wer wissen will, wie es den Kindern erget, die mit ihren Eltern in diese Stätten des Jammers gesperrt werden, der braucht blos den ,, Oliver Twist " von Dickens zu lesen. Da hat er ein treues Bild. Es ist war, das selbe ist schon vor länger als 40 Jaren gezeichnet, aber es trift heute noch zu. Die Kinder, welche im Workhouse erzogen werden richtiger, welche das unglückliche Glück haben, im Workhouse nicht zu sterben- denn Leben kann man das nicht nennen find elende Geschöpfe, sich selbst und ihren Mitmenschen zur Last, die in der Regel, wenn sie von Natur Energie haben, im Zuchthaus oder am Galgen enden, und wenn nicht, in irgend einem Loch verkommen. Die frommen Herren Engländer, die alljärlich millionen für die Bekehrung der Heiden und Traktätchen ausgeben, scheinen das treffliche Wort von der Menschenliebe, die zu Haus anfängt charity begins at home leider nicht zu kennen. Indes hier und da werden doch von den Armenpflegern Versuche gemacht, eine Besserung herbeizufüren und das Los der Pauperkinder günstiger zu gestalten. So hat man in Schottland und einzelnen Teilen Irlands das sogenante Boarding- out- System eingefürtd. h. statt die Kinder im d. h. statt die Kinder im Workhouse( der Union ) zu behalten, gibt man sie bei Familien in Kost und Logis. Die Resultate lassen, den uns vorliegenden Berichten gemäß, nichts zu wünschen übrig. Betrachten wir z. B. den Bericht der Union ( Workhouse für mehrere Kirchspiele) von Cork ( Irland ), der sich über die lezsten 18 Jare erstreckt. In diesem Zeitraum waren 650 Waisenkinder zu versorgen. Dieselben wurden sämtlich bei kleinen Farmern( Bauerpächtern) und bei relativ gut fituirten Landarbeitern in Kost und Logis gegeben. Zweihundert und neun von diesen 650 sind noch bei ihren Pflegeeltern; 20 sind gestorben und von den übrigen 421 find 417 von ihren Pflegeeltern ganz in die Familie aufgenommen oder untergebracht worden, und nur vier sind nach Ablauf der Pflegzeit vor kurzem ins Workhouse zurückgekehrt und suchen Stellen als Dienstboten.
Es versteht sich, daß solche Resultate nicht hätten erzielt werden können, wenn die Auswal der Pflegeltern nicht mit der peinlichsten Sorgfalt erfolgt wäre.
Bu bemerken ist noch, daß die Kinder durchschnittlich drei Pfund Sterling 60 Mark weniger foften, als die Kosten im Workhouse betragen würden.
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So weit ganz gut.
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Und nun kommen die aber". Wenn man aus den Erfarungen der Corker Union denen in Schottland ähnliche zur Seite stehen allgemeine Folgerungen ziehen und nun glauben wollte, durch Unterbringung der Waisenkinder oder verwarlosten Kinder in Familien statt in Anstalten, wäre das Los der Kinder gesichert, so würde man sehr irren. Und gerade um vor dieser Illusion zu warnen, bringen wir die Sache hier vor, da wir Grund haben zu glauben, daß aus dem Corker Beispiel auch für Deutschland Kapital geschlagen werden soll. Der Unfug des Ziehfinderwesens" greift immer mehr um sich.
Wir haben schon bemerkt, daß nur in Irland und Schottland das Boardingout- System" die Probe bestanden hat. Nicht in England. In England sind einige Versuche gemacht worden, die aber mislungen sind, und dann hat man nicht weiter probirt.
Warum dieses Mislingen in England, neben dem Gelingen in Schottland und Irland ?
Die Erklärung ist einfach:
Irland und Schottland , wenigstens alle diejenigen Bezirke, um welche es sich hier handelt, sind vorwiegend acerbautreibend, mit ländlichem Charakter, während England durchweg industriell und tommerziell ist, mit städtischem Charakter.
Unter patriarchalischen Verhältnissen, wie sie namentlich in Irland existiren, sind solche Erfolge, wie der Corker Bericht sie aufweist, allerdings möglich; in einem modernen Kulturland, das mit allen Vorteilen der Kultur auch die Nachteile des gesteigerten Kampfes um das Dasein aufzuweisen hat, sind sie aber nicht möglich. Und gleich England gehört auch unser Deutschland in diese Kategorie.
Es mag abgelegene, von der Kultur noch wenig beleckte Gegenden geben, wo vielleicht die Corker Erfolge annähernd zu erreichen waren, allein das würden blos seltene Ausnahmen sein. Im großen und ganzen ist Miserfolg sicher.
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Fassen wir doch einmal die Klassen der Bevölkerung ins Auge, und um diese handelt es sich welche in unseren Städten zur Aufnahme von Waisenkindern oder verwarlosten Kindern bereit wären. Sind sie etwa in der Lage, den Kindern ein physisch und
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moralisch gesundes ,, Heim" zu bieten. Nein! Wer ,, Ziehkinder " nimt, wird es in 99 von 100 Fällen ausschließlich der Prämie des Pflegegeldes wegen tun, das Kind also als Ausbeutungsobjekt betrachten; und in 99 Fällen von 100 wird er weder passende Wonräume noch geeignete Familienverhältnisse haben.
Wir haben das abschreckende Exempel der Engelmachereien". Db die Kinder einige Jare jünger oder älter find, das ändert nichts an der Sache. Und in einzelnen, zum Glück noch vereinzelten Gegenden Deutschlands hat sich ja auch bereits das dem ,, Boardingout- System" änliche Ziehkinderwesen eingebürgert, und die traurigsten Resultate geliefert.
Kein Zweifel, es gibt kinderlose Leute, die ein Pflegekind zu sich nehmen, um es zu lieben, um die Leere ihres Heims auszufüllen, aber sie werden der Regel nach Kinder von Freunden oder Verwanten nemen. Es ist ja war, in unseren Waisenhäusern und sonstigen Versorgungsanstalten für Kinder geht es den armen Dingern gar traurig, und werden sie meist um ihre Kindheit geprellt, wo nicht um ihr Leben, indes wir glauben, daß hier durch humane Reformen sehr viel getan werden kann, wärend wir das System des In- Kostgebens in unseren Städten und verstädteten Landbezirken für prinzipiell verderblich halten.
Ehe wir schließen, sei noch einer bedeutsamen Nachricht erwänt, die wir soeben in englischen Zeitungen finden: nämlich in einem der größten Londoner Kirchspiele, Sankt Pancras, sind für die jezt in Aussicht stehenden Walen der Workhouse- und Armenverwaltung eine Anzal von Frauen als Kandidatinnen aufgestellt worden. Und zwar wird dies damit begründet, daß das St. Pancras Workhouse, welches mehrere tausend Insassen hat, zu 60 Prozent von Frauen und Kindern bewohnt ist, die weiblicher Pflege bedürfen, wenn den einfachsten Geboten der Menschlichkeit Rechnung getragen werden soll.
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Die dentschen Einrichtungen sind ja andere, wir glauben aber, daß auch in Deutschland mancher Misstand beseitigt, manche Härte gemildert würde, wenn man gebildete, edelherzige Frauen in die Leitung aller Anstalten heranzöge, welche die Bildung und Erziehung von Kinlb. dern bezwecken und der Armenversorgung gewidmet sind.
Carlyle's Erinnerungen. Reminiscences by Carlyle- unter diesem Titel hat Carlyle's Schüler und Freund, der Geschichtsschreiber James Anthony Froude , die hinterlassenen Memoiren und autobiographischen Skizzen Carlyle's in zwei Bänden veröffentlicht. Das Buch ist kaum einen Monat nach dem Tode des ,, Weisen von Chelsea" erschienen: Herr Froude hat sich also jedenfalls mit der , Erfüllung seiner Mission" sehr beeilt. Das Original liegt nicht vor uns, aber nach den uns zu Gesicht gekommenen Besprechungen und reichlichen Auszügen in englischen Blättern hätte Hr. Froude besser getan, wenn er sich weniger beeilt hätte. Er hat offenbar mit dieser Hast, jedes Räuspern und Spucken seines Heros( der beiläufig ja auch Carlyle's Oberheros war) der Mit- und Nachwelt zu obligater Bewunderung kund zu tun, weder sich noch seinem Heros einen Dienst geleistet.
Die Haft Froude's ist um so tadelnswerter, als, wie er selber in seiner Vorrede mitteilt, ihm Carlyle betreffs der meisten Manuskripte eine sorgfältige Revision" anempfolen hatte. Ist er doch so naiv, in besagter Vorrede offen zu bekennen, daß die meisten der( von ihm veröffentlichten!) Papiere augenscheinlich nicht für die Veröffent lichung bestimt waren". Doch daß Carlyle die vollständige Veröffentlichung nicht wünschte, war in Hrn. Froude's Augen nur falsche Bescheidenheit des Oberheros, und der Heroworshipper( Heldenanbeter) hatte dem Oberheros gegenüber die Pflicht, dessen Räuspern und Spuden und Schlimmeres, der falschen Bescheidenheit des Oberheros zum Troz, dem Publikum zur Anbetung zu konserviren. Man kent ja den DalaiLama- Kultus. Und so hat denn die Heroworship sich an ihrem Hohenpriester schwer gerächt, was au fond poetische oder historische Gerechtigkeit iſt.
Die ,, Reminiscences", welche außer den Aufzeichnungen Carlyle's eine Samlung der Brife seiner Frau enthalten, wimmeln von Geschmac losigkeiten, von Rücksichtslosigkeiten und von charakteristischen kleinen Zügen, die den Heros durchaus nicht in ein glänzendes oder vorteilhaftes Licht stellen. Es gibt nur einen Gott, und das ist Carlyle, und nur einen Propheten, und das ist wiederum Carlyle, und etliche und der Rest ist Humbug, Sham, Heroen und eine Heroine Voilà tout Dumköpfe, Narren!" das ist die Essenz der ganzen Weisheit.
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