-

-

360

Aus allen Winkeln der Zeiffiferafur. Flammenschuzmittel. Das gräßliche Unglück dessen Kentnis wir wol voraussezen dürfen auf dem münchener Künstlermastenfest regt auch wieder die Frage an, ob es nicht möglich sei, leicht entzünd­bare Gegenstände durch tränken mit irgend welchem Stoff gegen die Flammen zu schüzen. Man kent namentlich zwei Körper, welche sich hier als besonders zweckentsprechend erweisen: das Wasserglas und das wolframsaure Natron. Ersteres ist eine Verbindung von Kieselsäure und Natron, die man durch Zusammenschmelzen von Sand und Quarzpulver mit dem halben Gewicht wasserfreier Soda und Lösen der Schmelze in kochendem Wasser erhält und eignet sich beson­ders als Schuzmittel für Holz und steife Leinwand, Teaterkulissen und dgl. Es gibt diesen leicht Feuer fangenden Materialien eine minera­lische Oberfläche, die einmal als schüzende Hülle wirkt und das andre mal den Zutritt atmosphärischer Luft verhindert zu dem leicht verbren­baren Gegenstand. Je dichter diese schüzende Decke ist, desto wider­standsfähiger ist sie gegen die Flamme, und ich selbst machte einst eine Probe mit einem Stück Holz, das zum Umrüren von Wasserglasfarbe gedient und von dieser folgedessen eine dice Kruste empfangen hatte, indem ich genantes Holzstück in die volle Glut eines Koksofens steckte, und fand, daß dasselbe erst zu brennen anfing, nachdem nach längerem Warten erst die Glasur abgesprungen war. Läßt sich nun auch durch Wasserglasanstrich keine absolute Feuerbeständigkeit erzielen, so erzielt man doch eine Widerstandsfähigkeit, die es ermöglicht, bei rechtzeitigem Bemerken des ausbrechenden Feuers dasselbe im Keime zu ersticken. Da nun das Wasserglas auf den damit bestrichenen Gegenständen einen spröden Ueberzug bildet und infolgedessen diese steif macht, so eignet sich dasselbe weniger zum Imprägniren von Kleidungsstücken, die sich den Körperformen anschmiegen sollen. Am besten soll sich zu diesem Zwecke wie Dr. K. Häussermann im Gewerbebl. für Würtemberg" mitteilt, von allen dazu empfolenen Chemikalien, wie Kochsalz, Borax, phosphor­saures Natron, schwefelsaures Ammoniak, das wolframsaure Natron eignen. Es wird gewonnen durch Schmelzen von Wolframerz mit wasserfreier Soda und nach dem Umkrystallisiren in Form weißer Na­deln in den Handel gebracht. Will man Kleiderstoffe damit tränken, so löst man es in der fünffachen Menge lauwarmen Wassers, welche Lösung man gewönlich noch mit einem geringen Quantum phosphor­saurem Natron versezt. Der betreffende Stoff wird damit vollständig getränkt, nachher ausgerungen und an einem mäßig warmen Orte ge­trocknet. Das darin zurückbleibende Wolframsalz schüzt die Stoffe eine zeitlang vor dem Verbrennen, und sie brennen, selbst wenn sie entzündet werden, nur langsam fort. Dabei verhindert die Masse durchaus nicht das Biegen der Kleidungsstoffe.

nrt.

Erfrorene durch Wärme zum Leben zu bringen ist ein Ex­periment, das man bislang für ganz zweckwidrig hielt. Neuere Physio­logen empfelen jedoch infolge von Erfarungen, die sie an Tieren gemacht haben, die sofortige Anwendung heißer Bäder von 30 Grad Reaumur oder auch noch einigen Graden mer, und die Unterbringung des Ver­unglückten in einem auf 23 bis 24 Grad erwärmten Zimmer. Von 20 in den Zustand des Erfrorenseins gebrachten Versuchstieren starben bei den in faltem Raume vorgenommenen Bemühungen zur Wiederbelebung 14, von andern 20, welche man sofort in ein heißes Zimmer brachte, nur 8, und von 20 schleunigst in heißem Wasser gebadeten blieben alle am Leben und waren ganz auffällig rasch imstande, sich wieder zu bewegen und alle ihre Glieder zu gebrauchen.

XZ.

Eine Fachausstellung von Geräten, Arbeits- und Kraft­maschinen für das Kleingewerbe wird noch in diesem Jare in Altona abgehalten werden. Insbesondere werden auch Maschinen und Geräte für die Milchwirtschaft, die Butter- und Käsefabrikation zur Ausstellung gelangen.

Literarische Umschau.

XZ.

Bu Friz Reuter! Praktische Anleitung zum Verständnis des Plattdeutschen an der Hand des ersten Kapitels des Friz Reuter'schen Romans, ut mine Stromtid. Von Dr. Alfred v. b. Belde. 2. Aufl. Leipzig 1881. C. A. Kochs Verlagsbuchhandlung ( J. Sengbusch)." Der Verfasser beruft sich im Vorwort mit Recht darauf, daß Friz Reuter zu den größten deutschen Dichtern gezält wird und daß niemand ihn völlig nach Gebür zu schäzen vermag, der nicht in das Verständnis des Plattdeutschen eingedrungen ist. Dieses Verständnis ist lange nicht in dem nötigen Maße durch einfaches Einlesen" in Reuters Werte zu erlangen; ganze Reihen von Worten und Wendungen können auf diese Weise nur falich oder halb verstanden werden und lassen den Leser nicht zum Boll­genuß der reuter'schen Dichtungen kommen. Deshalb muß man Platideutsch lernen, um Reuter zu verstehen, und einen großen Dichter in seinem ganzen Denken und Fülen zu erfassen, ist gewiß der nicht großen Mühe wert, das taum vier Druckbogen starke und durchaus populär gehaltene interessante Werkchen Dr. v. d. Velde's durchzustudiren. xz.

-

Was ist strafbarer Wucher? Für das Volk nach dem deutschen Wuchergeseze gemeinverständlich beantwortet und an Beispielen erläutert von Dr. jur. J. Kaeubler. Leipzig , Karl Scholze, 1881." Die Auseinandersezungen über das am 24. Mai 1880 in Kraft getretene Wuchergesez, welche diese 212 Bogen starke Broschüre gibt, sind knapp und flar gehalten und erschöpfen ihren Gegenstand, soweit die große Mehrheit des Volkes an der Beantwortung der im Titel gestellten Frage ein Interesse hat. Die zur Jllustration der Motive des Gesezes angefürten Fälle sind geschickt gewält und lassen in der Ver­ständlichkeit ihrer Beziehungen zu den betreffenden Gesezesbestimmungen nichts zu wünschen übrig.

"

XZ.

Der neue Spiritismus. In seinem Wesen aufgezeigt und nach seinem Werte geprüft von Dr. Joseph Dippel. Würzburg 1881. Leo Wörl'sche Buch- und firchliche Kunstverlagshandlung.( Der, Katolischen Studien VI. Band. Heft 1/2.)" Der Verfasser stet auf dem Standpunkte des strengsten katolischen Kirchenglaubens und hält bengemäß einen Verkehr der abgeſchiedenen Geiſter" mit unsrer Menschenwelt von vorn­herein für leicht möglich. Die Frage( S. 12) lag ihm daher sehr nahe: ,, Sollte es ein bloßer Zufall sein, daß grade in der zweiten Hälfte des 19. Jarhunderts der Spiritismus zu einer kaum geahnten, früher nicht für möglich gehaltenen Ausdehnung gelangt ist? Sollte es ein blos äußerliches, durch keinen innern Grund bedingtes Ereignis sein, daß zu einer Zeit, wo eine ateistische, materialistische Wissenschaft den großen Ton angibt und mit Emphase behauptet, nur der Materialismus allein vermöge eine vernünftige Erklä rung der Rätsel des Lebens zu geben, eine ganze Reihe von Erscheinungen auftritt, die mit solcher Wucht und Gewalt sich vordrängen, daß sie durch ein bloßes Achselzucken oder vornemes Lächeln oder durch die Redensarten von Aberglauben und Leichtgläubig­feit nicht mehr aus der Welt geschafft oder von der Tagesordnung abgesezt werden fönnen? Wollen wir auch nicht annemen, daß der in allen Ländern sich zeigende Geister= spuk den starren Materialismus zu brechen geeignet sei, so könte doch einiger Grund gefunden werden zu der Anname, daß Gott solche Erscheinungen zu lasse, um die materialistische Naturforschung vor ein Rätsel hinzu­stellen, an welchem ihre soviel gerühmte Erkentnis eine Schranke findet und sich zu einer größeren Bescheidenheit aufgefordert fülen soll." Von diesem der Grundlage des Spiritismus sehr günstigen Standpunkte aus verfolgt der Verfasser den Entwicklungs­gang des Spiritismus bis zu seinen historischen Wurzeln hinab und gruppirt die riesige Menge der angeblichen spiritistischen Tatsachen in übersichtlicher Weise, one jedoch zu einem andern Endurteil kommen zu können, als zu einem den Spiritismus verdammenben. Ich schließe meine Abhandlung mit dem Urteile des berühmten Professors Fechner. Dieser nent den Spiritismus, obgleich er die spiritistischen Tatsachen anerkent*), eine Abnormität, ein wüstes Wesen, eine Art Verrücktheit, dessen Wachstum viel mehr zu fürchten, als zu fördern ist. Diese Anschauung teile auch ich und füge hinzu, daß dessen Beförderurg nicht blos zu fürchten, sondern gradezu verboten ist auf Grund der heiligen Schrift und auf Grund des kirchlichen Urteils. Der Spiritismus ist eine Zeitkrankheit, die hoffentlich bald vorübergehen wird, um wieder der christlichen Anschauung über Gott, Unsterblichkeit und Jenseits Plaz zu machen. Das walte Gott !" Dieses auf den ersten Blick manchem gewiß merkwürdig scheinende Verdammungsurteil wird erklärlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der moderne Spiritismus viel zu hochmütig und vielleicht auch zu weltklug ist, um sich sicut ac cadaver der Kirche unterzuordnen, wie es diese nun einmal nicht nur von ihren Dienern, sondern auch von ihren Bundesgenossen verlangt. Der Spiritismus liebäugelt mit der Todfeindin des katolischen Christentums und, will ich hinzufügen, um nicht etwa in den Verdacht einer kleinen Schwäche für den des einzig waren Christentums; er tofettirt mit der Protestantismus zu geraten, Wissenschaft, insbesondere mit der alten Jungfer Metaphysik und ihrer Halbschwester, der modernsten Naturphilosophie, die troz ihrer derb materiellen Körperfülle ihrer romantisch phantastischen Jugendneigungen nicht Herr werden kann. Solche Bundes genossen kann die Kirche nicht brauchen, daher hat auch der Spiritismus keine Hoffnung, in Gnaden aufgenommen zu werden, selbst wenn er weniger eigensinnig gegen die Kirche selbst aufträte, als er es nun einmal ist in seiner Einbildung, in seinem Schoße die einzig- ware Zukunftsreligion mit der einzig- waren Bufunftswissenschaft zu vereinigen. Aber der Spiritismus leugnet sogar horribile dictu! die Dreieinigkeit, er erklärt die heiligen Sakramente für überflüssig und unnüz, er stellt die Notwendigkeit der Gnade in Abrebe und schreibt jedem einzelnen Menschen die Fähigkeit zu, aus eigner Kraft von der Sünde sich zu reinigen u. s. w. Aus diesem Ebenangefürten get für jeden guten Christen unausbleiblich die Folgerung bervor, daß der Spiritismus den Satan und feine Diener" zu Urhebern habe, die zu dem Blendwerke des Zaubers zu allen Zeiten Licht und Kentnis der Naturgeseze genug zur Verfügung gehabt haben, um den Bös willigen die von diesen mißachteten, warhaft göttlichen Wunder und himlischen Mysterien zu ersezen". Die ,, Spirits" find demgemäß Lügengeister", die Medien ,, falsche Pro­pheten" und der ganze Spiritismus ist auch die christliche Sittlichkeit zu fördern durch aus ungeeignet. Ernstlich anzuerkennen an der circa acht Bogen starken Schrift ist die Gründlichkeit, mit der der Verfasser auf die ihn beschäftigenden Fragen einget, die Un­umwundenheit, mit der er sie seinen Grundanschauungen gemäß beantwortet, sowie die Konsequenz und Korrektheit, mit der er alle seine Folgerungen und Schlüsse aus seinen Voraussezungen ableitet. Wer wissen will, wie das Christentum zum Spiritismus ſtet, tann nichts besseres tun, als die Schrift zu lesen.

V

-

-

-

XZ.

*) Fechner tut dies in sehr bedingter und viel vorsichtigerer Art, als Herr Doktor Die Reb.

Dippel!

Redaktionskorrespondenz.

Bonn . Frau Marie 8. Neusilber läßt sich sehr gut buzen mit einer Mischung von fünf Teilen gebrantem und gepulvertem Alaun und einem Teil Schlemkreide. Dabei haben Sie das Pulver trocken aufzutragen.

B. T. U. Um das hypotekarisch ausgeliehene Geld, welches Ihr bäuerlicher Schuldner zu verzinsen unterlassen hat und das Sie deshalb rechtzeitig gekündigt haben, zurüdzuerhalten, müssen Sie Kapital und Zinsen einklagen und, wenn ein Ihnen günstiges Erkentnis ergangen ist, Subhastation beantragen. Da, wie Sie schreiben, hr Schuldner den größten Teil seines lebenden und toten Juventars verkauft hat und sein Gut absichtlich vernachlässigt und in seinem Werte schädigt, so können Sie auch den§ 50 des Gesezes über den Eigentumserwerb zuhülfe rufen, der da sagt: ,, Erhebliche Verschlechterungen des Grundstücs, durch welche die Sicherheit des Gläubigers gefärbet wird, berechtigen denselben, bei dem Prozeßrichter Sicherungsmaßregeln zu beantragen, auch seine Befriedigung vor der Verfallzeit zu fordern." Auf Grund dieses Ges zess paragraphen bewirken Sie im Wege des Arrestes in Gemäßheit der§§ 796, 797 und 800 der Civilprozeßordnung die Sequestration. Weißensee. Spediteur M. Auch über die Verhältnisse in Argentinien werden wir Pemnächst Mitteilungen machen.

-

-

-

Inhalt. Herschen oder dienen? Roman von M. Kautsky( Fortsezung). Ehe- und Hochzeitsgebräuche. Kulturgeschichtliche Stizze von H. Schl. Ein Verfolgter, von Eduard Sack( Schluß). Eine Jdylle im Erdbeben( Fortsezung). Familienerziehung für Armenhaus­finder. Carlyle's Erinnerungen. Lager einer Karawane( mit Illustration). Klein Mütterchen( mit Illustration). Aus allen Winkeln, der Zeitliteratur: Flammenschuzmittel. Erfrorene durch Wärme zum Leben zu bringen. Fachausstellung von Geräten, Arbeits- und Kraft­maschinen für das Kleingewerbe. Literarische Umschau.-Redaktionskorrespondenz.

-

-

-

Verantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser in Gohlis - Leipzig ( Mödernsche Straße 30 d). Expedition: Färberstr. 12. II. in Leipzig . Drud und Verlag von Franz Goldhausen in Leipzig .