Die ene Well
N: 30.
Illustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volt.
Erscheint wöchentlich.
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In Heften à 30 Pfennig.
Preis vierteljärlich 1 Mark 20 Pfennig. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Bostämter.
1881.
( 3. Fortsezung.)
Da war es Eugen, der in seiner liebenswürdig gewanten| Er fur gleichwol keineswegs ernüchtert fort: Begreifst du, wie Manier ein anderes und frölicheres Tema anschlug und Elvira glücklich ich bin? Endlich wieder eine Stunde mit dir allein; sofort dafür zu interessiren wußte. Und dann kam man wieder wie lange habe ich darnach geseufzt! Weshalb hattest du damals auf das Auftreten der jungen Künstlerin zu sprechen, und Eugen auch die Einladung der Gräfin Dellaqua, in ihr Palais zu ziehen, bezeichnete Alfred die Rollen, welche sie dafür gewält. Die Die angenommen? Sie ließ dich nicht mehr los, du bliebst wärend erste sollte das Gretchen in Gounod's Faust sein, für die zweite des ganzen mailänder Aufenthalts ihr Gast und ich mußte noch war Aida in Aussicht genommen. Elvira hatte mit der Titel- froh sein, wenn ich dir hie und da die Fingerspizen küssen durfte." partie in Mailand die höchsten Triumphe gefeiert, und nun brachte der Impresario diese Oper mit der mailänder Truppe und der mailänder Ausstattung und vor allem mit der mailänder Primadonna nach Venedig . Das war ein Ereignis von der höchsten Bedeutung. Baron Hellenbach wenigstens war der Meinung, daß nichts das Interesse der Bevölkerung mehr in Anspruch nemen und nichts den Ruhm der alten Dogenstadt wieder neubeleben könne, als das Gastspiel der Signora Bianca. Man war ganz in die heitere Stimmung von vorhin zurückversezt, und Elvira scherzte über die Bewunderung, die ihr zuteil wurde, sie suchte sie zu bespötteln und ergözte sich doch daran.
Alfred nam dann Abschied und Eugen geleitete ihn hinaus bis an die Treppe. Elvira erhob sich, als sie allein war, sie ergriff einen Fächer nnd ging mit hastigen Schritten im Zimmer auf und nieder. Dann warf sie sich, wie im Unmut, auf das Rundsopha von dunkelblauem Sammet, das von Blumen überragt war. Gleich darauf trat Eugen wieder ein. Er hielt eine herrliche, dunkelrote Rose zwischen seinen Fingern; sein Gesicht hatte einen belebteren, fast triumphirenden Ausdruck angenommen, und in küner Behendigkeit wollte er nun die Rose an ihrem Kleide befestigen. Sie rückte von ihm hinweg, und mit einem Lächeln, das halb übermütig abweisend, halb spöttisch war, nam sie ihm die Rose aus der Hand.
,, D," machte er zärtlich vorwurfsvoll ,,, ich meinte, diese Gnade verdient zu haben. Habe ich nicht alles nach deinem Geschmack, nach deinen Bedürfnissen hier eingerichtet? Oder hast du noch einen Wunsch? Nenne ihn mir und er soll erfüllt sein."
Ich wünsche nichts," sagte sie mit dem früheren Lächeln. ,, Dann sage mir, daß du zufrieden bist." Ich bin's."
,, Wirklich, Elvira?"
,, Bollständig." Sie reichte ihm die Hand.
Er riß dieselbe an sich mit dem lebhaftesten Entzücken, und er füßte sie wiederholt. Sie duldete es, wie eine Huldigung, die unabwendbar und durch Gewönung auch eindruckslos geworden war.
Sie lachte laut und übermütig auf. O, es war föstlich, es hatte mich sehr erlustigt, aber ich versichere Sie, Eugen, diese schüchterne Minne, diese toggenburgartige Anbetung par distance paßte Ihnen vortrefflich, und ich habe soviel Gefallen daran gefunden, daß ich wünschte, Sie übten sie noch länger."
,, Elvira, das ist abscheulich, das ist grausam, was Sie mir da sagen!" Unwillkürlich trat auch bei ihm wieder das ,, vous" an die Stelle des vertraulichen ,, Du".
Sie zuckte leicht die Achseln, und rasch das Tema und den Ton ändernd, fragte sie freundlich:
Haben Sie das Teater schon besucht, in welchem ich singen soll? Es ist La Fenice, es soll groß und sehr akustisch sein." ,, Ich kenne es noch nicht," bemerkte er, merklich herabgestimt.
Sie sah ihn sehr verwundert an. Aber Sie sind doch drei Tage schon in Venedig , haben Sie Sich so wenig mit meinen Angelegenheiten beschäftigt?"
,, Verzeihen Sie, ich habe mich sehr viel damit beschäftigt, vor allem aber war ich darauf bedacht gewesen, diese Appartements hier nach Ihren Wünschen und Bedürfnissen zu arrangiren."
Ich danke Ihnen," sagte sie fül, aber in graziösester Anmut ihr Haupt neigend. Und wo logiren Sie, Eugen?"
Im Grand Hotel am Kanal grande, aber ich füle mich dort nicht ganz behaglich, und sobald hier im Daniel etwas frei wird-" Hier im Daniel? Sie können doch unmöglich daran denken, mit mir in einem und demselben Hotel zu wonen?!"
Er lächelte konvulsivisch und seine Lippen bebten unter der gewaltsamen Anstrengung, seinen Born zurückzuhalten.
Freilich nicht, freilich, da Sie doch einmal eigensinnig darauf. erpicht sind, in den Geruch der Unnahbarkeit und Heiligkeit zu kommen."
Sie sah ihn starr an mit den schönen, sich vergrößernden Augen, und kalt und bestimt kam es von ihren Lippen:
Ich möchte mir wenigstens den Schein bewaren." Dann mit einem Seufzer senkte sie langsam die Augen, und wie unabsichtlich legte sie die Rose, die sie bisher in der Hand gehalten,
VI. 23. April 1881.