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neben sich auf den Siz, sodaß sie zwischen ihr und Eugen zu liegen kam.
Er hatte die Lippen aufeinander gepreßt und den blonden Schnurbart fest zwischen die Zähne geklemit; er schien nachzu denken; dann, als wüßte er, daß diese Launen nicht unbesiegbar, machte er eine plözliche Wendung gegen sie, und er flehte, leiden= schaftlich erregt:„ Elvira!"
" D, meine Rose!" rief sie in einem halb besorgten, halb kapriziösen Ton." Hüten Sie Sich, sie zu zerdrücken, sie ist so schön, und- sie ist von Ihnen, ich halte darauf."
,, Nemen Sie sie fort, Elvira, oder ich tue es!" Seine Stimme bebte.
Ich wünsche, daß Sie sie belassen, Eugen, ich wünsche, daß Sie meine Rose, wie meine Stimmungen respektiren." Sie lehnte sich zurück, auch um ihre Lippen spielte ein nervöses Zucken.
Er war aufgesprungen, es tochte in ihm, und doch hielt er noch an sich, und doch wagte er nicht, seinen Unwillen, seinen Born laut werden zu lassen; er fürchtete zu sehr den ihrigen, und noch mehr ihren Uebermut und ihren Hohn; er durfte sich feine Blöße geben, und um keinen Preis wollte er einen Bruch herbeifüren. So war er ganz der Stiave jenes Weibes geworden, er fülte es, und doch zitterte der Schwächling, sie könte selbst seine Ketten brechen und zu ihm sagen: Geh, du bist frei! Der Gedanke war ihm unerträglich, es durfte nicht sein. Mit ungleichen Schritten ging er auf dem weichen Teppich auf und nieder. Die engen Lackstiefletten drückten ihn, sie vergrößerten seine Bein, aber nichtsdestoweniger gewann er es über sich, leicht und elastisch aufzutreten und seiner Figur die vorteilhafte Haltung zu bewaren. Es war ein mänliches Sichselbstbezwingen, und in unsrer guten Gesellschaft verlangt man von einer verkommenen Mänlichkeit fast keine andern Proben mehr.
Elvira verharrte one Bewegung in ihrer Stellung. Nach einer Pause sagte sie dann mit matter, sichtlich angegriffener Stimme: Eugen!"
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Er fur auf, er sah zu ihr hinüber, ungewiß, fragend, zaudernd. ,, Bitte, drücken Sie an den Telegraphen, ich bin müde, läuten Sie zweimal, es ist für die Kammerjungfer."
Eugen willfarte rasch und kehrte hierauf mit völlig verändertem Wesen wieder zu ihr zurück.
Sie sind müde?" fragte er besorgt. Sie haben heute eine Eisenbanfart gemacht, und ich konte das vergessen!" ,, Und ich habe heute soviele neue Eindrücke erhalten, ich bin erschöpft, ernstlich angegriffen, glauben Sie es mir." Ich flage mich an, daß ich das nicht vorgesehen, daß ich es zu wenig beachtet, und doch war es ersichtlich, ja, Sie bedürfen der Ruhe."
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,, D, ich werde mich eine zeitlang sehr schonen müssen; meine Stimme hat durch die Anstrengungen, die ich ihr in lezter Zeit zugemutet, etwas gelitten, so scheint es mir, und ich möchte" ,, Sie müssen hier in all' dem Glanz Ihrer Stimme und Ihrer Schönheit erscheinen, ich wünsche das so lebhaft, wie Sie selbst, ich wäre untröstlich, wenn eine Indisposition Sie beeinträchtigte."
Dann gute Nacht, und auf Wiedersehen!" Sie erhob sich, und mit einem etwas schwachen, aber charmanten Lächeln reichte sie ihm die Hand zum Abschied.
Er füßte sie wiederholt. Die Kammerjungfer trat ein, der Baron nam seinen Hut und ging. Auf der Piazzetta angekommen, warf er sich in eine Gondel.
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Nach dem Kasino!" rief er. Dort war die Jeunesse dorée versammelt, dort bildete heute die Ankunft der schönen Primadonna wol den einzigen Gesprächsstoff des Abends. Dabei durfte er nicht felen. Er wollte von ihr reden hören. Ich muß die fiebernde Neugier kennen lernen, ich will in den Blicken die Erwartung lesen, die all' diese Menschen ihr entgegenbringen, sagte er sich. Alle ihre Photographien sind aufgekauft, man wird sich um sie reißen und man wird Elvira so versürerisch schön, so pikant finden, und mich ach, troz all' ihrer Prüderie, troz all' ihrer Manöver, den Schein zu waren, weiß man doch, daß .ich der Besizer dieses Schazes bin, und meiner Treu, ich will wenigstens die Genugtuung haben, daß man mich darum beneidet. Deffnen Sie die Fenster!" rief Elvira, als sie mit dem Mädchen allein war. Dieser Blumendust, diese vielen Flammen, es ist entsezlich es ist erstickend hier!" Sie rief es in fast empörter Erregung. Das Mädchen versicherte, daß die Fenster onedies geöffnet seien.„ Dann drehen Sie alle Flammen aus, alle, alle, und ziehen Sie die herabgelassenen Rideaux hinauf,
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öffnen Sie auch die Balkontür, ich will Luft, reine, reine Luft! Diese Atmosphäre tötet mich!" Sie war nach dem Fenster geeilt, und als das Mädchen, dem Befehle rasch gehorchend, den seidnen Rollvorhang hinaufzog, sank Elvira, beide Hände vor ihr Gesicht schlagend, in einen Stul.
Eine Flamme nach der andern erlosch, es ward dunkel im Salon. Nur an einem entfernten Tischchen branten die Kerzen eines Armleuchters, in einem beschränkten Umkreis nur eine notdürftige Helle verbreitend.
,, Lassen Sie mich allein, Sie können mich im Schlafzimmer erwarten!" Sie sagte es sanft, kaum hörbar. Das Mädchen entfernte sich wieder.
Langsam, schwankend erhob sich Elvira und sie trat auf den Balkon hinaus, der nach der Riva ging. Eine süße, laue Luft umfing sie, sie sog sie gierig ein. Es war stille geworden hier außen. Es war gegen Mitternacht und die Riva war menschenleer. Kein Geräusch von der Straße herauf, nur aus der Ferne, Elvira lehnte sich drüben hinter dem Lido, rauschte das Meer. an die Brüstung und sah hinaus. Das Wasser des Kanals lag in dem schwachen Schein des sinkenden Halbmondes bleiern da und so ruhig, daß die rötlichen Reflere der Schiffslaternen unverrückt auf demselben standen. Wo sich die Lagune weitet, erschien das Wasser lichter und duftiger, und da am äußersten Horizont brach ein heller Stral durch die vom Meer aufsteigenden Nebel und glizerte auf dem bewegteren Wasser der Lagune. Grade ihr gegenüber, auf der andern Seite des Kanals, erhob sich in ernster, stolzer Pracht die Maria della Salute , auf deren silbernen Kuppeln der Schimmer des Mondes lag, und daneben, an der äußersten Landspize und gegen die Lagune gewendet, die Dogana di Mare, mit der großen goldnen Kugel, über der die Silhouette der Fortuna zu schweben schien. Elvira sah und sah, und ihre Augen vermochten sich nicht loszulösen von dem Bilde. So schön, so stille, in all' ihren märchenhaften Reizen lag sie da, La bella Venezia, leise schlummernd wie das Meer, das sie umschlungen hält. Und jezt drangen die zitternden Töne einer Guitarre an Elvira's Dr und eine Männerstimme begann eines jener alten Lieder, die bald vergessen sein werden und die einst die Gondoliere selbst zu den süßen oder gewaltigen Worten Ariosts und Tasso's komponirt. Es klang so weich, so schmerzdurchzittert, verschönt noch durch die Ferne.
Elvira lauschte. Die vollen Lippen öffneten sich ein wenig, gleichsam als könne sie einatmen den Zauber des Liedes. Es Klopfte stürmischer in diesem inngen Herzen. Ein Gefül unsagbarer Sehnsucht stieg in ihr auf und füllte ihre Augen mit Tränen. Sie preßte die kleinen Hände ineinander und dann Lösten sie sich wieder, und sie öffnete die Arme weit, als umfinge sie ein Traumgebilde, das durch die Schönheit des Orts, das durch das Schweigen der Nacht ihrer Seele näher gebracht ward. D, könte ich doch einmal, einmal nur an einem Herzen ruhn, das groß und edel denkt, fönte ich einmal nur in scheuer Ehrfurcht zu einem Manne aufsehen, einmal einem Blick begegnen, der in ernster, vertrauensvoller Zärtlichkeit den meinen sucht! Ihre feuchten Augen sahen hinaus, sie irrten in die von einem weiten Horizont begrenzte Ferne. So weit, so weit und unerreichbar dünkte ihr, nach dem ihr Herz verlangte.
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Der Sänger schwieg; das Lied verklang. Sie fur sich über die Stirne, als wolle sie zugleich mit diesen Tönen etwas aus ihrem Gedächtnisse hinwegscheuchen; und wieder zur Gegenwart zurückgekehrt, gestand sie sich voll Bitterkeit: Nur der Erbärmlichkeit stehe ich gegenüber; von einer niedern Gier entflamt seh' ich alle, die mich umgeben, und ich ich habe mich gewönt, mich daran zu weiden! Und warum sollte ich es nicht! Ich hersche über diese Aristokratie des Adels und des Geldes, ich sie ändern? Und doch bin ich gezwungen, unter ihnen zu leben, wenn ich in meiner Kunst etwas erreichen will. Ah, ihrer allein bin ich sicher, sie allein bringt mir Befriedigung, sie allein kann ich lieben! Und wieder sah sie hinab in die dunkle, unergründliche Flut. Mit leisem Ruderschlag kam, nahe der Riva, eine Gondel vorüber; schwarz wie ein Schatten und ebenso unhörbar glitt sie über das Wasser. Elvira blickte ihr nach. E3 war wol ein Fremder, ein Künstler vielleicht, der so spät hinausfur in die Lagune? Sie zuckte leise zusammen unter einem sich ihr aufdrängenden Gedanken.
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Wenn er es wäre? Friz! Er tönte ja heute schon an gekommen sein, er wird es morgen oder übermorgen sicher sein. und ich soll ihn also wiedersehen! Und ich bin's, die ihn herberufen hat, auf meine Anregung, auf meinen Rat ist es geschehn!