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Bei dem Stamme der Usbeken, in der Gegend von Kabul , finden wir gleichfalls die erwänte Heiratsceremonie. Die Ange­hörigen der Braut und des Bräutigam begegnen sich auf einem vorher bestimten Felde, und bewerfen sich gegenseitig mit Asche und Mel, bis die eine der Parteien in die Flucht geschlagen ist. Hierauf folgt die Versönung, welcher dann das ja überall ge­bräuchliche Hochzeitsmal die richtige Weihe gibt.

Auch die Araber verbinden die Ceremonie des Brautraubes mit ihren Hochzeiten. In Jockua wird die Braut gegen Sonnen­untergang auf einem Kameel zur Stadt hinausgefürt, woselbst sich die Bevölkerung zu Pferde und zu Fuß versammelt hat. Als dann begint um die Braut herum ein Kampf, den gewönlich Ab­teilungen von vier gegen vier ausfechten, wobei sie ihre Schuß waffen wiederholt abfeuern. Nähert sich der Bräutigam dem Ka­meel, auf welchem die Braut sizt, so wird er von den dasselbe umgebenden Negerfrauen mit dem Geschrei Burra! Burra!( fort, fort) zurückgetrieben. Zulezt wird dann die Braut, wenn der Bug sich dreimal um die Stadt herum begeben hat, in die Wo­nung des Bräutigams gebracht.

Unsere Gegenfüßler in Neuseeland halten es gleichfalls für eine Schande, sich ohne Kampf, und wäre es auch nur ein Schein­kampf, in den Besiz eines zarten weiblichen Wesens zu setzen. Der englische Reisende Earle berichtet darüber: Auf Neuseeland äu­Bert sich die Bewerbung und die Ehe auf eine ganz ungewönliche Weise, sodaß es dem Zuschauer nie in den Sinn kommen würde, eine Neigung zwischen den betreffenden Personen vorauszusezen. Ein Mann sieht ein Frauenzimmer, welches ihm so gefällt, daß er es zum Weibe haben möchte. Er erbittet sich die Einwilligung ihres Vaters, oder, wenn es eine Waise ist, ihres nächsten Ver­wanten, und erhält er dieselbe, so entfürt er seine Erwälte mit Gewalt. Sie widersezt sich dem mit aller Kraft, und da die Neu­seeländerinnen gewönlich ziemlich handfeste Mädchen sind, so findet zuweilen ein entsezlicher Kampf statt. Bald sind beide bis auf die Haut entblößt, und es bedarf zuweilen mehrerer Stunden, ehe der Freier seine Beute hundert Schritte weit geschleppt hat. Macht sie sich frei, so entflieht sie ihrem Gegner, nnd er muß dann sein Werk von neuem beginnen. Wir dürfen wol annehmen, daß ein Fräulein, welchem die Vereinigung mit dem ihr zugedachten Gemal willkommen ist, keinen allzu heftigen Widerstand leisten wird; allein zuweilen komt es vor, daß es in die schützende Be­hausung ihres Vaters zurückläuft, und dann büßt der Liebhaber alle Aussicht ein, seine Geliebte jemals zu erringen. Gelingt es ihm dagegen, sie im Triumph in sein Daheim zu füren, so wird sie sofort sein Weib."

In Kaukasien stürzt der Bräutigam wärend des Hochzeits mals plözlich mit einigen Freunden auf die Braut los, zieht sei­nen Dolch, schneidet ihr das Mieder auf, und bemächtigt sich dann ihrer mit Gewalt. Durch diese Ceremonie erst wird sie sein recht­mäßiges Weib.

Daß bei den Römern ursprünglich der Brautraub bestand, geht schon aus dem allgemein bekanten Raub der Sabinerin nen hervor. Auch bei unsern Hochzeitsfeierlichkeiten lassen sich manche Ceremonien auf jene Sitte zurückfüren. So deutet das Schießen beim Hochzeitszug, wie es in Holstein und anderswo in Deutschland troz den polizeilichen Verboten sich noch erhalten hat, unzweifelhaft auf einen Kampf hin, der ursprünglich bei der Hochzeit stattfand. Man kann freilich einwenden, daß unsere Alt­vordern das Pulver noch nicht kanten, also auch nicht aus Feuer­waffen geschossen haben können, allein auch bei Völkerschaften, die auf niedrigerer Kulturstufe stehen, bemerken wir, daß sie auch bei ihren Hochzeitsceremonien anstatt ihrer ursprünglichen Waffen die ihnen von den Weißen zugefürten Schießgewehre benuzen. Be­sonders wird dieses von mehreren afrikanischen Stämmen gemel­det, die bei ihren Hochzeitsfeiern mit ihrem Pulvervorrat nicht gerade sehr sparsam umgehen und Schuß auf Schuß dem Hoch­zeitszug entgegen schicken.

In Wales in England wird noch heute bei einer Hochzeit von Freunden und Anverwanten des Brautpares ein Scheingefecht auf­gefürt. Der nächste Anverwante der Braut hat diese mit sich aufs Pferd zu nemen und der Bräutigam sie ihm abzujagen.

Daß wir auch mitten in Deutschland noch die Spuren jener uralten Sitte finden, mag die Schilderung einer Hochzeit bei den Wenden in der Oberlausiz zeigen, die auch wegen ihrer sonstigen Formalitäten von Interesse ist.

Bei dieser slavischen Völkerschaft get der Hochzeitszug unter Glockenklang und unter Begleitung eines Musikchors, bei welch lezterem besonders das nationale Instrument der Wenden, die

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dreiseitige Geige, nicht felen darf, zur Kirche. Die Braut trägt die ,, borta", eine etwa 9-10 Zoll hohe, wie ein abgeſtumpfter Zuckerhut geformte Kopfbedeckung aus schwarzem Sammet, das Zeichen der Ehrbarkeit. Um die Harzöpfe wird ein mit goldenen Sternen verziertes Band( slebornik) getragen. Um den Hals hat sie mehrere Schnuren von Perlen und gehenkelten goldenen und silbernen Schaumünzen geschlungen, die sich gewönlich in der Familie forterben und von Großmutter ind Urahn schon bei der Trauung getragen sind. Eine wichtige Person im Zuge ist der Hochzeitsbitter( braska), der in seiner altwendischen Tracht un­mittelbar hinter dem Brautpar einherzieht. Er ist der Freiwer­ber und der Festordner und hat überhaupt die ganze Festlichkeit zu leiten und anzurichten. Ehe der Zug begint, holt er den Bräutigam mit dessen Angehörigen aus ihrer Wonung ab. Hier­bei hält er eine Rede, in welcher er Namens des Bräutigam um Verzeihung für etwaige Stränkungen und um Segen für die zu gründende Ehe bittet. Hierauf wird dem Bräutigam von allen Anwesenden die Hand gereicht, worauf der Zug zum Hause der Braut get, um hier dieselbe Formel zu wiederholen. Dieser Aft wird die Aussegnung( wurohnowanje) genant. Nach der Trau­ung get es ins Brauthaus zurück. Unterwegs werden dem Braut­Burschen und Mädchen des zug von den jungen Leuten Dorfes Hindernisse aller Art bereitet. Bänder und Guirlanden werden über den Weg gezogen und erst durch ein Geldgeschenk seitens des Bräutigams wird die Straße freigemacht und der Zug ungehindert durchgelassen, und Tanz und Mal schließen die Feier.

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Die Bereitung von Hindernissen seitens der Dorfbewoner deutet unzweifelhaft auf den ursprünglichen Brautraub, und wir haben hier ein Beispiel aus nächster Nähe, wie lange sich derartige Sit­ten erhalten.

Eigentümlich ist es, wie änlich sich der Entwicklungsgang in manchen Fällen zeigt. Ganz derselbe Brauch, durch Geld die Angehörigen zu veranlassen, die dem Bräutigam bereiteten Hin­dernisse zu beseitigen, finden wir in ganz änlicher Form in Futa, einem Königreich im westlichen Afrika . Will sich nämlich dort der Bräutigam in Besiz seiner Braut sezen, so wird dieselbe von ihren männlichen und weiblichen Anverwanten umringt und der Bräutigam nicht eher zu ihr gelassen, als bis er die Verwanten durch Geldgeschenke bewogen hat, auseinander zu gehen, worauf er sich in den Besiz seiner Liebsten sezt.

Nur natürlich ist es, daß sich aus dem Frauenraube der Braut­kauf entwickelte. Das Familienoberhaupt hatte das Verfügungs­recht über alles Eigentum, also auch über die Frauen, die ebenso, wie ein Pferd, ein Kameel oder sonst irgend ein Gegenstand, als Sache, als Eigentum galten. Wie eine Ware wurden auch die Frauen nach Belieben des Familienoberhauptes verkauft.

In Siam wird die Braut öffentlich ausgeboten, wer den ge­forderten Preis bezalt, erhält sie zur Frau. Auch in China wird der Brautkauf noch geübt.

Ueberhaupt finden wir den Brautkauf in allen Erdteilen. In den Prairien und Urwäldern Ameritas wie im australischen Busch", in den Steppen Asiens , wie in den Wüsten Afrikas wird die Frau als Ware vom Manne eingehandelt, welcher durch den Kauf ein unbestrittenes Eigentumsrecht über sie erwirbt. Selbst im Nor­den Europas , bei den Lappen, ist diese Art der Heirat noch vor­handen.

Die Auffassung, das Weib als Ware zu betrachten, tritt be­sonders stark hervor in einer Sitte der Karaiben. Hier kam es nämlich vor, daß ein Mann, wenn eine Frau schwanger war, das zu erwartende Kind, falls es ein Mädchen sein sollte, in voraus für sich zur Frau faufte. Nach der Geburt zalt er dann den Brautpreis, und zum Zeichen, daß das Kind jezt sein Eigen­tum sei, malte er demselben ein großes Kreuz auf den Leib, und dieses Mädchen durfte nun niemand anders heiraten.

Noch in historischer Zeit begegnen wir bei den meisten euro­ päischen Völkerschaften dieser Sitte. Sowol von den Dänen, wie von den Angelsachsen wird dieselbe gemeldet, und daß auch un­sere Vorfaren sich dieses Brauches zur Erwerbung eines Weibes bedienten, get daraus hervor, daß, wie Grimm mitteilt, sich der Ausdruck: sich eine Frau kaufen", noch bis ins 15. Jarhundert in Deutschland erhalten hatte. Ja, von den Ditmarschen wird berichtet, daß im selben Jarhundert bei ihnen der Brautkauf noch allgemein war.

Auf dem Hunsrück finden wir noch heute die auf den Braut­kauf hinweisende Sitte, daß bei einer Hochzeit der Bräutigam der Braut eine Summe Geldes, das sogenante Handgeld" zu za­len hat.