Anstatt des Kaufes finden wir auch häufig ein Erdienen der Braut. Aus der Bibel haben wir ja alle das Beispiel Jacobs kennen gelernt, der um seine Rahel und Lea seinem Schwiegervater Laban 14 Jare lang zu dienen hatte. Nun ist freilich die Arbeitskraft nicht mehr so billig, daß ein Weib 7 Jare Arbeit toftet, aber einem 2-3 järigem Dienste um die Braut begegnen wir noch heutzutage. So wird uns von den Kamschadalen berichtet, daß, wenn ein junger Mann eine Braut erringen will, er sich den Eltern derselben zur Arbeit anbieten muß. Er wird, im Falle er angenommen wird, vollständiger Sklave der Familie, und hat alle häuslichen Arbeiten zu verrichten. Die Braut wird von ihren Angehörigen mit Kleidungsstücken umhüllt und aufs eifrigste überwacht, und der Bräutigam kann nicht eher seine Dulcinea heimfüren, als bis er sie vollständig entkleidet gesehen hat, was ihm, da die Verwanten stets Obacht geben, mitunter erst nach 2-3 järiger Prüfungszeit gelingt. Bei den Banyai in Afrika muß der Freier in das Dorf des Mädchens kommen und der Schwiegermutter allerlei Dienste und Arbeiten leisten. Besonders muß er dafür sorgen, daß dieselbe stets ausreichend mit Brennholz versehen ist, und erst nach bestimter Dienstzeit gehört die Frau ihm.
Der Preis, der für die Braut gezalt wird, ist je nach Umständen verschieden. Teils wird Geld, teils auch andere Wertmesser, besonders Vieh bezalt und häufig richtet sich die Höhe der Summe nach der größeren oder geringeren Schönheit der Braut. Bei einzelnen Stämmen richtet sich der Brautpreis sogar nach der Schwere, oder doch nach der Korpulenz der Schönen. So fostet bei den Wogulen ein mageres Mädchen 5 Rubel; je korpulenter und stärker sie werden, desto höher steigt der Preis, sodaß für die korpulentesten 25 Rubel gezalt werden. Auch auf den kanarischen Inseln sah man auf den Umfang der Frau und je nach dem wurde die Frau bezalt. Um nun einen hohen Preis zu er halten, sperrten die Eltern die Verlobte fünfzig Tage lang ein, und gaben ihr wärend der Zeit recht viele und fetterzeugende Speisen. Fettleibigkeit galt überhaupt häufig als körperliche Schönheit, und besonders häufig wird von den Frauen verlangt, daß ihr Körper außergewönlich gerundete Formen zeigt. In dem afrikanischen Königreiche Karagwah gilt die Korpulenz der Frauen, besonders der der Könige, als zum Begriffe der Schönheit gehörig; schon von frühester Jugend auf werden die betreffenden Mädchen einer systematischen Mästung mit geronnener Milch oder Melbrei unterworfen und von diesen Speisen ihnen täglich ein bestimtes Quantum, oft unter Prügeln, eingezwängt. Von den Mauren wird erzält, daß bei ihnen die Frau das Gewicht eines Kameels erreichen muß, um für schön zu gelten.-
Bei den Arabern am Sinai wird die Braut mit 5-10 Dollar bezalt; je nach Schönheit oder Rang wird indes auch bis zu 30 Dollar gegeben. Dieser Preis wird aber auch für Jung frauen erlegt, wärend man für Witwen nur die Hälfte zalt. Bei den Kru, einem Negerstam im westlichen Afrika , kostet die Braut 3 Kühe und 1 Schaf, wärend bei den Sothonegern je nach der Vornemheit der Frau bis zu 10 Ochsen gezalt werden. Aus Ser bien wird berichtet, daß dort zu Anfang dieses Jarhunderts der Preis eines Mädchens so hoch gestiegen war, daß ein armer Mensch sich nicht mehr verheiraten konte und die Regierung gezwungen war, gesezlich den Brautpreis herabzusezen.
Auch bei den reichen Tataren und Mongolen ist der Braut preis ein sehr hoher. Bei ersteren wird bis zu 100 Rubel gezalt und bei lezteren wird schon bei den gewönlichen Leuten bis zu 400 Stück Vieh gegeben. Bei den Ostjaken in Sibirien wird gleichfalls ein reiches Mädchen nicht leicht unter 100 Rentieren und einer Menge Pelzwerk weggegeben.
Im Gegensaz zu diesen verhältnismäßig hohen Preisen sehen wir auch wieder, daß bei einigen Völkerschichten die Frau nicht so hoch, oder gar sehr niedrig abgeschäzt wird. An der Sierraleoneküste zalt der Bräutigam dem Vater der Braut ein Stück Beug, etwas Tabak und eine Flasche Rum, sodaß es hier nicht allzu schwer fällt, sich das Glück des Ehestandes zu beschaffen. Ebenfalls waren auf den Hebriden die Frauen nicht besonders hoch geschäzt, und der Preis von 3 Schweinen, der für die Braut entrichtet wurde, deutet nicht gerade auf eine besondere Anerkennung holder Weiblichkeit.
Dit wird der zu zalende Brautpreis auch in Raten abgetragen und hieraus, sowie aus dem Erdienen der Braut, mag wol die Sitte stammen, daß die Frau nach der Hochzeit zu ihren Eltern zurückkehrt, wie auch, daß der Mann selbst nach der Verheiratung noch keine ehelichen Rechte an die Frau hat. So
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nimt z. B. bei den Tataren der Bräutigam die Braut nur in dem Falle mit sich in seine Wonung, wenn er im Stande ist, den vollen Preis auf einmal zu zalen, und bleibt andernfalls die Braut bis zur vollen Auszalung im Elternhause zurück. Indessen ist der Bräutigam berechtigt, sie insgeheim zu besuchen. Wärend der Brautkauf, wie wir gesehen, sehr weit verbreitet ist, und sich bei allen Völkern Spuren desselben finden, so trifft man den Kauf des Bräutigams nur in vereinzelten Fällen. Bei diesen Ehen, nach der auf Sumatra herschenden Bezeichnung Ambel- anak genant, tritt der Mann in die Familie der Frau über. Der Vater der Jungfrau wält auf genanter Insel für diese einen Mann aus, der dann in das Haus des Schwiegervaters gefürt wird. Von dieser Zeit an ist die Familie der Frau für dessen Tun und Treiben verantworlich, sie muß für seine Schulden, die er einget, haften; beget er ein Verbrechen, hat die Familie die Strafe zu zalen- furz, er gehört vollständig zu dieser. Er hat an allem Teil, was der Haushalt liefert, besizt aber selbst kein Eigentum. Was er erarbeitet, fällt der Familie zu. Diese hat aber das Recht, ihn nach Belieben fortzuschicken, und in solchem Falle muß er nackt und blos, wie er gekommen, und ohne seine Kinder, das Haus verlassen. Auf diese Art Eheschließung deutet vielleicht das Recht der englischen Mädchen hin, sich in einem Schaltjare selbst einen Freier wälen zu können und demselben ihrerseits einen Heiratsantrag machen zu dürfen. Noch im 17. Jarhundert bestand diese Sitte. Auch in Guiana können die Mädchen so gut den Heiratsantrag machen, wie die Männer. Liebt ein Mädchen einen jungen Mann, so bietet sie ihm Holz an, um des Nachts neben seiner Hängematte Feuer anzumachen und einen Trunk. Nimt er es an, so ist die Ehe geschlossen, und das Mädchen holt ihre Hängematte, und hängt sie neben die seinige.
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Die am weitesten verbreitete Form der Ehe ist nicht, wie manche unserer Leser vielleicht denken mögen, die Einzelehe, sondern die Polygamie, die Vielweiberei. Hiermit soll nicht gesagt sein, daß gerade die meisten Menschen in Polygamie leben, sondern nur, daß die Männer berechtigt sind, sich mehrere Frauen zu halten. Größtenteils sind es nur die Reichen, besonders die Häuptlinge und Fürsten , die sich des Rechtes bedienen.- Den Aermeren ist es meistens unmöglich, sich mehr als eine Frau zu halten, da ihnen sowol das Geld zum Kauf, wie auch zur Erhaltung derselben felt.
Die Polygamie, die entweder bei allen Völkern herscht, oder doch geherscht hat, ist nach Lubbock dadurch entstanden, daß in den Tropengegenden die Mädchen ungemein früh heiratsfäig werden; ihre Schönheit entwickelt sich bald und verwelft eben so schnell, wärend die Männer dagegen ungleich länger in dem Besiz ihrer vollen Kraft bleiben. Berut daher die Liebe einzig und allein auf äußerern Reizen, so kann uns nicht überraschen, daß jeder Mann, dessen Verhältnisse es erlauben, sich mit mehreren Frauen versieht. Als weiteren Grund sieht der genante Forscher an, daß die meisten Volksstämme auf niedriger Kulturstufe nicht genügend milchgebende Haustiere in Besiz haben und daß daher die Kinder, da ihnen der Ersaz der Muttermilch felt, nicht vor Ablauf des dritten oder vierten Jares der Mutterbruſt entwönt werden. Wärend dieser Zeit erlaubt nun häufig die Sitte nicht, daß der Mann mit der Frau zusammen lebt; er siet sich also vereinsamt, und wird dadurch darauf hingewiesen, sich mehrere Frauen zu verschaffen.
Wir glauben, daß auch die häufigen Kriege, in welchen sich die auf niedriger Stufe lebenden Stämme beinahe immer befinden, viel zur Einfürung der Polygamie beigetragen haben. Die Folge jener Kriege war eine bedeutende Verminderung der Zal der Männer, sodaß die Anzal der Frauen überwog, und in diesem Ueberschuß der Frauen läßt sich ganz gut ein Grund mit für die Vielweiberei finden.
Als Probe, wie ungemein zalreich einzelne Fürsten ihren Harem ausstatten, mag nur erwänt sein, daß der König von Aschanti jaraus, jarein 3333 Weiber besizt.
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Häufig treffen wir an, daß nur eine Frau,- meistens die zuerst geheiratete als wirkliche, legitime Gattin, als Oberfrau, betrachtet wird, wärend die Uebrigen derselben als Sklavinnen verpflichtet und unterordnet sind. So ist z. B. in China die Oberfrau Gebieterin über die sogenanten kleinen Frauen" und die Kinder der lezteren betrachten nur jene als ihre Mutter.
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Oftmals finden wir auch, daß, wenn jemand eine Frau heiratet, er dadurch zugleich das Recht erhält, die Schwestern derselben als Frau zu betrachten. Auch umgefert komt es vor, daß,