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wenn sich jemand eine Frau nimt, diese zugleich die Frau seiner Brüder wird. Lezteren Fall treffen wir bei den Toda im Nili­gerri Gebirge. Ersteres wird von den Sioux gemeldet, wo der Mann, der die Tochter eines Häuptlings heiratet, dadurch berechtigt ist, die jüngeren Schwestern seiner Frau heimzufüren, wenn es ihm beliebt.

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Die Spuren der Polygamie finden sich in Deutschland   am längsten in den Fürstenhäusern, woselbst uralte Anschauungen sich ja überhaupt lange zu halten pflegten. Freilich wurde die erste Frau als rechtmäßige Gemalin" betrachtet; troz dieser ersten Frau wurden aber häufig noch andere Frauen dem schon verhei­rateten Manne zur linken Hand" angetraut. So sehen wir, um nur ein Beispiel anzufüren, noch zu Anfang des 16. Jar­hunderts, wie Landgraf Philipp I. von Hessen eine zweite Frau heiratet, und wie der teufelsfürchtige Luther und der gottesfürch­tige Melanchton ganz getrost ihre Zustimmung dazu gaben und wie der erstere einen evangelischen Prediger bestimte, diese Bi­gamie durch den kirchlichen Segen zu sanctioniren.

Bei weitem nicht so häufig, wie die Polygamie ist die Poly­andrie, die Vielmännerei. Zwar ist von vielen Völkerschaften

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diese Eheform gemeldet worden, allein bei genauerer Bekantschaft mit den Einrichtungen jener Stämme stellte es sich heraus, daß man es mit der Gemeinschaftsehe, mit dem gemeinsamen Besiz der Weiber zu tun hatte.

Die wirkliche Polyandrie treffen wir hauptsächlich bei asia­tischen Völkerschaften an. So wird dieselbe gemeldet von Ceylon, aus Tibet  , wie auch von mehreren Gebirgsvölkern des Hima­ laya  . Jedenfalls bekundet dieselbe eine sehr niedrige Stufe der Entwicklung.

Die Entwicklung des Geschlechtslebens der Völker zeigt den Fortschritt des menschlichen Geistes. Mit der steigenden Kultur steigert sich auch das Ansehen des Weibes und je höher die Frau in einer Gesellschaft geachtet ist, auf desto höhere Entwicklungs­stufe hat sich diese erhoben, desto kultivirter ist sie. Ursprünglich nur als Sache, als Eigentum, als Ware des Mannes betrachtet, ist der Frau in der heutigen Gesellschaft dieser häßliche Charakter abgestreift, und sie hat eine höhere, eine würdigere Stellung ein­genommen. Trozdem bleibt in dieser Bezieung noch zu wünschen übrig, und das Frauenleben der Gegenwart zeigt noch manche Mängel, deren Entfernung Not tut.

Der Glaube der Heren.

Von Dr. Balentin M- y.

( Das Herenwesen altheidnischer Religionskult. Die Kelten Väter, die Phönizier Urahnen des Herentums. Der phönizische Baal- und Astartedienst, Sonne- und Mondkultus, Vorgänger der christentum­feindlichen Teufelsanbetung der Heren.- Bock und Kater als Gegen­stände religiöser Verehrung. Der Heren Hauptfest: die Walpurgis nacht des ersten Mai, andres Fest: Johannisnacht. Der Teufel als junger Jäger und als Graumänchen Repräsentant der uralten und doch ewigjungen Naturkraft.)

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Wir möchten hier auf Grund bewärter Forschungen den Glauben der Heren darstellen, also den Glauben, welchen die Heren selbst hatten, nicht den Glauben, welchen das Volk von den Heren hatte. Wir werden sehen, daß es sich um einen offen­baren Religionskult handelt, dessen Mittelpunkt der römisch­christliche Teufel bildet, welcher immer erscheint, wo die Rolle eines vorchristlichsten, daher heidnischen Gottes zu übernemen war. Dieser Kult ist kein isolirender, sondern ein sozialer, und zwar mit bestimten, wiewol im Dunkel der Nacht sich bergenden, geheimen Einrichtungen. Das Hexenwesen ist in allen seinen Ge­nüssen und Leistungen gesellig und abgemessen; daher mußte es auch aus einer vollständig organisirten, wiewol ihren Kult im Geheimen begehenden, religiösen Gesellschaft hervorgegangen sein. Endlich ist der Kult, welchen das Herenwesen, ob auch in wun­derlichen Misbildungen wiedergibt, durchaus kein geistiger, ide­aler, sondern ein durch und durch rohsinlicher. Festgelage mit rauschenden Tänzen, wildlüsterne Anbetung des mänlichen Prin­cips im Mittelpunkt des Kreises bis zur größten geschlechtlichen Ausgelassenheit- denn die Celebrirenden sind durchaus oder doch der Mehrzal nach Weiber; Personen des andern Geschlechts erscheinen( mit Ausname des Teufels selbst) nur als Nebenfigu­ren, z. B. als Spielleute- füllen den Herensabbat.

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Der Religionskult, welcher dem Hexenwesen vorchristlich zu Grunde lag, mußte ebenfalls ein gesellig- weiblicher, geheim­sinlicher gewesen sein, dessen Mittelpunkt ein Symbol der zeu­genden mänlichen Naturkraft ausmachte, das, nächtlicher Weile beim Schimmer des Mondes auf einsamen Berghöhen mit Fest­gelagen und orgiastischen Tänzen verehrt wurde, wozu sich Ein­geweite von allen Seiten her einfanden, nachdem sie sich zuvor durch Salben und wol auch durch bestimte Getränke in den Zu stand der Betäubung oder Raserei versezt hatten.

Das Volk aber, dem das Herenwesen bei den Romanen so wol als den Germanen seinen Ursprung verdankt, ist das Volk der Kelten, welche, soweit ihre Geschichte und Sage reicht, nicht nur das mänliche Institut der Druiden( Priester), sondern auch das weibliche Priestertum der Druidinnen( oder Feen) besaßen, mit einem Kult, der kein anderer als der blutige, phönizische Dienst des Baal und der Astarte oder der Sonne und des Mondes war. Denn mit den Phönikern hatten die Kelten in Verkehr gestanden, und die Folge davon war eben die Anname des Baal- und Astartedienstes. Der Sonnengott Baal repräsen­ tirte  

aber die zeugende Naturkraft, wärend die Mondgöttin Astarte  die empfangende und gebärende Naturkraft darstellte; beide sind also nur Ergänzungen eines und desselben Princips; und ihr Dienst ist ein unzertrenlicher. Als Symbole des Baal erscheinen in Wäldern die Spizsäulen oder Machirs, d. h. Phallus- oder Lingangebilde, zu welchen die wilden Weiber, um daselbst ihre nächtlichen Orgien zu begehen, dahin laufen, und welche sich noch spät in großer Anzal in Frankreich   vorfanden, des Aergernisses halber aber dann vernichtet wurden.

Als eine Fortsezung und Modifikation der keltischen Druiden, die sich im Geheimen noch weit in die christliche Zeit hinein er­hielten, erscheinen nun unsere Heren, die somit als eine ganz änliche Gesellschaft mit einem bestimten religiösen Gepräge auf­zufassen sind. Zeigen wir dies nun in kürzeren Zügen.

Die Heren bildeten, wie die Druidinnen oder Feen, eine entschieden heidnische Genossenschaft. Von der negativen Seite spricht sich, wie das Feenwesen, so auch das Herenwesen durch glühenden Haß gegen das Christentum aus. Bei der Here fürte dieser Haß zum wirklichen Abschwören Gottes, Christi, der Jungfrau Maria und der Heiligen, sowie zur Verunehrung aller Gegenstände der christlichen Andacht. Geweite Hoftien wurden zwar von ihnen in Empfang genommen, aber nur um wieder ausgespien und mit Füßen getreten oder in Dünggruben ge­worfen zu werden. Bezeichnend für die Hexen, wie für die Feen, ist daher auch ihr Widerwille gegen die Glocken, welche sie mit den Schimpfnamen bellender Hunde belegen.

Von der positiven Seite abgesehen, bestand die Hererei vor­züglich in der Verachtung des Teufels. Dieser Teufel der Heren war aber nichts anderes als der phönizisch- keltische Baal. Es get dies besonders aus dem Pferd- und Bockfuß hervor, die dem Teufel angedichtet wurden. Denn das Pferd ist heiliges Tier und Symbol der Sonne, welcher es vielfältig geopfert wurde. Auch wurde an Herensabbaten aus Pferdehufen getrunken und auf Pferdeköpfen musizirt. Der Bock aber stet in nicht weniger naher Beziehung zum Sonnengott, dessen Lauf er im Tierkreise eröffnet, wo er dasselbe Zeichen mit dem Widder einnimt. Sym­bolisch bedeutet aber der Bock Geschlechtsausschweisungen, wie diese bekantlich einen wesentlichen Teil des Baal- Astarte- Dienstes ausmachten. Auf diesen Kult weist auch der Kater oder die Kaze überhaupt hin, die bei der Herenversamlung eine nicht unwichtige Rolle spielte. Diese Nachtwandlerin ist nämlich der Nachtkönigin geheiligt und stet deshalb mit der Mondgöttin( Astarte  ) in nahem Verbande. Durch Lüsternheit und Fruchtbarkeit schließt sie sich ganz innig an die Astarte an. Bei ihren Versamlungen füßten die Heren dem Kater( wie auch dem Bocke) das Gesäß.

Die Heren furen ferner auf lauter Stätten uralten Religions­kultes, oder( was damit zusammenhing) uralter Volks- und Ge­richtsversamlungen hin. Am liebsten auf Berge, wo Feen, Gra­ fen   und Zwerge hausten, und Sonn- und Mondopfer gebracht