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abnemend, die andre aus der Patrontasche darauffezend, jene ein­steckend u. s. w., und man muß mir gestehen, daß ich ein Tausend­fünstler hätte sein müssen, gegen den der körpergewanteste indische oder japanische Gaukler sich wie ein Waisenknabe ausnemen würde, wenn ich das fertiggebracht hätte.

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Meine Kurzsichtigkeit machte mich also militärdienstuntauglich, und das hatte mir zu allem Ueberfluß noch ein berühmter Augenprofessor in meiner Vaterstadt schwarz auf weiß gegeben. Ich aber machte von seinem Zeugnisse feinen Gebrauch, ich dachte, was ein sturmfester Kerl werden will, muß auch das Schlimste einmal mitgemacht haben und ging in den Krieg, mit derselben Zuversicht, daß es diesmal mit mir noch kein Ende mit Schrecken nemen würde, als sie etwa den Artillerie­offizier Bonaparte vor Toulon beseelte. Die Kugel, die mich töten soll, war noch nicht gegossen, darüber gabs bei mir nicht den leisesten Zweifel. Ich zog oder ging in den Krieg, d. h. natürlich, ich wurde ge­zogen und gegangen, richtiger noch: gefaren. Es mochte wol so am lezten Juli im Jare des Heils 1870 sein, ich weiß nicht mehr so genau den Tag, als unser Regiment des abends um 8 Uhr auf einem großen Plaze in der guten Stadt Görliz unter Waffen trat. Vier oder fünf Stunden standen wir da um die Gewehrpyramiden herum und langweilten uns wie die Möpse, dann donnerte es von Bataillon zu Bataillon und von Kompagnie zu Kompagnie: An die Gewehre! und fort gings in die stockpechfinstre Hundstagsnacht, hinaus auf die Eisenbahn und mit dieser quer hindurch bis zum Rhein , übern Rhein , auf bis zum brechen ge­fülltem Viehwagen in Frankreich hinein. Bis zum brechen! An unserem pfeilschnell dahin sausenden Salon standen die bedeutsamen Worte zu lesen: 6 Pferde oder 30 Menschen. Wo 30 Menschen mit einiger Not und Mühe untergebracht werden können, haben 35 Soldaten nicht so ganz unbequem Plaz. Der größere Teil derselben konte auf schmalen Beet­terbänken so etwas wie sizen, etliche hatten allerdings keinen Plaz dazu, dafür konten sie aber alle mindestens auf einem Beine stehen, und das war gewiß keine große Strapaze, denn die amüsante Fart dauerte nur drei Nächte und zwei Tage lang. Ich gebe ausdrücklich zu, daß die Sache im Grunde nicht gefärlich war, aber ich muß doch das Ge­ständnis hinzufügen, daß ich meinen Humor mitunter auf eine harte Probe gestellt fülte. Erstens war der Aufenthalt im sausenden Vieh­wagen noch etwas langweiliger als auf dem großen Blaze in Görlig, zweitens waren es nicht immer ambrosische Lüfte, die mich umwehten, drittens konnte ich mich, gleich den anderen, kaum um meine eigene Are bewegen, viertens war alles, was einem auf dieser romantischen Fart begegnete, nicht grade angenemer Art. So war es mir z. B. in der einen Nacht gelungen, mich auf den Boden des Wagens nieder­r- zulegen und einzuschlafen. Kaum entschlummert, erwache ich unter einem mechanischen Drucke auf meinen Bauch, daß ich denke, alle meine Eingeweide sollen in einem Mörser zu Brei zerstampft werden. Ich schreie oder fluche laut auf und suche mich mit aller Kraft zu erheben, und da schüttle ich einen biedern Kameraden, Oberpodolier, zu deutsch Wasser­polaken, seiner Nationalität nach, von mir ab, der aus dem Hinter­grunde des Salons über ein halbes duzend seiner Brüder im blutigen Handwerke hinweggeklettert war und zulezt auf meinem armen Unter­leibe Posto gefaßt hatte, um zum Wagen hinaus sich irgendwelches natürlichen Ballastes zu entledigen.

Solcher beinahe erdrückender Späße passirten mir auf dieser denk­würdigen Kriegsreise mehrere; man kann sich daher denken, daß ich heilfroh war, als wir in Landau ,, ausgeschifft" wurden, wie damals der militärische Kunstausdruck lautete, und es nun auf Schusters Rappen zur französischen Grenze und drüber hinausging.

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Bei Weißenburg und Wörth hätte ich Wunder der Tapferkeit ge­tan vielleicht, ich weiß es nicht; das eine stet fest, es mangelte mir jede Gelegenheit dazu nicht blos am Anfang, sondern im ganzen Verlaufe des Krieges. Das sechste Armeekorps, bei dem zu stehen ich die Ehre und das Vergnügen hatte, kam immer als Reserve hinter den fämpfenden Truppenteilen dreinspazirt; es war, als ob es vom Schick­sal dazu ausersehen sei, sich nur im Laufen zu üben darin aber gründlich. ( Schluß folgt.)

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Boeren und den Engländern stattgefunden. In beiden siegten die Boeren. Das erstemal waren sie in der Defensive bei Laings­neck und hatten sich ihre Stellung selbst ausgewält. Das war ein be­deutender Vorteil, obgleich es vorher von den Engländern für unmög lich gehalten wurde, daß eine solche Stellung von solchen Streitkräften gegen englische Truppen gehalten werden könne. Beim zweiten Gefecht war es aber anders. Die Engländer hatten sich in der Nacht eines außerordentlich festen Hoch- Plateaus bemächtigt, welches die Stellung der Bauern beherschte und nach allen Regeln der Kriegskunst unüber­windlich schien. Nach den uns vorliegenden genauen Schilderungen gleicht der Spizkop" oder Majuba, welcher der Schauplaz dieser Waffentat war, dem Königsstein, nur daß er dreimal so hoch ist. Die Seiten ebenso steil, und oben eine glatt abgeschnittene, nach der Mitte zu sich etwas senkende Fläche. Kurz eine natürliche Festung, wie sie stärker nicht gedacht werden kann.

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Mag die englische Armeeorganisation noch so mangelhaft sein, der englische Soldat wird an Ausdauer und kaltblütiger Tapferkeit von keinem Soldaten der Welt übertroffen.

Und diese anscheinend uneinnembare, von englischen Soldaten ver­teidigte Position ist von den Boeren am hellen Tag, one Ueberrumplung erstürmt worden.

Von den Engländern wird zugegeben, daß englische Soldaten die Position nicht hätten erstürmen können, d. h. englische Soldaten in gleicher Zal und one Artillerie wie die Boeren. Mit anderen Worten die Engländer die Engländerurteilsfähige Offiziere geben zu, daß die Boeren, von denen nicht einer( die par unter ihnen befindlichen Deutschen aus­genommen), je einen militärischen Handgriff gelernt hat, tüchtigere Sol­daten sind als die gedrillten englischen Soldaten.

Woher diese Ueberlegenheit?

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Die Boeren sind vorzügliche Schüzen und vorzügliche Natur­Gymnastiker. Von frühester Jugend auf an im Gebrauch der Büchse, im Klettern, Laufen, Springen geübt, jeder Witterung ausgesezt, an alle Strapazen gewönt, haben sie eine warhaft unglaubliche Fertigkeit im Schießen, und sind förperlicher Leistungen fähig, die uns in Er­staunen versezen.

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Bei dem Angriff auf den ,, Spizkop" trafen sie auf 900 bis 1000 Meter mit vollkommener Sicherheit, so daß, wie der( militärische) Korre­spondent des Standard"( der das Gefecht mitmachte und gefangen wurde) erzält, die englischen Soldaten das Vertrauen in ihre Gewere verloren. Wer nur ein par Zoll von seinem Kopf zeigte, war ein Kind des Todes.

und das Erklettern der steilen, an manchen Stellen fast senkrechten 2000 Fuß hohen Bergwände wurde von den Boeren, unter fortwären­dem Plänkeln mit solcher kazenartigen Gewantheit bewerkstelligt, daß die Engländer ganz verbuzt waren. Ein Teil der Engländer riß aus, als die Angreifer sich auf das Plateau schwangen; jene machten indes bald kehrt und an Tapferkeit felte es nicht auf englischer Seite. Ge­neral Colley war seinen Leuten voran, durch heldenmütiges Beispiel sie anfeuernd. Es war umsonst. Was nüzt der größte Heldenmut, was die festeste Disziplin einem Feind gegenüber, der nicht in die Masse, nicht der Richtung nach schießt, sondern auf den Mann zielt und ihn auch, bis auf eine Entfernung von 1000 Meter unfelbar trifft? Die Erstürmung des Spizkop durch die Boeren hat eine Moral. Und diese ist:

Die Haupteigenschaften eines Soldaten können im freien Leben besser erworben werden, als in der Kaserne und auf dem Exerzierplaz.

Wende man nicht ein, die Boeren hätten sich unter ausnamsweise günstigen Bedingungen herausgebildet.

Das ist zwar war, will aber als Argument nichts besagen. Wird in unseren Kulturstaaten die förperliche Erziehung genü gend gepflegt, so kann jeder nicht Kranke oder Verkrüppelte dieselbe militärische Tüchtigkeit erlangen, wie die Boeren sie befizen, und kann sie obendrein mit weit geringerem Zeitverlust erlangen, als jezt der Heeresdienst auferlegt.

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Freilich, die Boeren können nicht manövriren. Nun so weit das nötig, wird es, falls sonst militärische Tüchtigkeit vorhanden ist, sehr rasch erlernt werden.

Der Unabhängigkeitskampf der Boeren( Buren) in Südafrika hat in Deutschland mit Recht allgemeine Teilname erregt. Ein Ge- Im Werke des deutschen Generalstabes über den deutsch- französischen meinwesen, das furchtlos sein gutes Recht auch der gewaltigsten Ueber- Strieg ist zugegeben, daß die jungen französischen Aufgebote und die macht gegenüber verficht, muß die Anerkennung und Sympathie jedes Franctireurs der deutschen Heerfürung schwere Sorgen bereiteten. edeldenkenden Menschen finden. Ist doch selbst in England dieses Ge- Die französischen Rekruten und Franctireurs konnten weder schießen fül so kräftig zum Durchbruch gekommen, daß die englische Regierung, noch Strapazen ertragen. nach empfindlichen Schlappen der englischen Truppen, dem chauvini­stischen Geschrei nach blutiger Sühnung der erlittenen ,, Schmach" Troz bietend, ihr eigenes Unrecht eingestand und die Forderungen der Boeren in der Hauptsache gewärte. Eine Handlungsweise, die England jeden falls mehr Ehre macht, als wenn es dem Ehrenpunkt" zu Liebe ein par Tausend Boeren niedergemezelt, ihre Häuser eingeäschert und ihre Necker verwüstet hätte.

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Leicht wäre dies freilich nicht gewesen, und der schließlich aller­dings bei dem Misverhältnis unzweifelhafte Sieg hätte mit bedeuten­den Opfern erkauft werden müssen, denn die Boeren haben sich als Soldaten ersten Rangs erwiesen. Und das ist der Punkt, den wir hier kurz berühren möchten. Wie der Leser sich erinnern wird, haben, von einigen kleineren Scharmüzeln abgesehen, in denen die Boeren beiläufig durchweg fiegreich waren, zwei größere Gefechte zwischen den

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Wenn sie hätten schießen und marschiren können wie die Boeren was dann?

Die Moral der Boerensiege wird ja nicht sofort praktisch zu ver­werten sein. Indes, fie muß gezeigt werden. Sie wird schon zur Geltung gelangen. Die Warheit bort sich durch.

lb.

Die verräterische Studie.( Bild S. 364-65.) An anderer Stelle, aber bei änlicher Gelegenheit haben wir schon auf die volkstüm­liche Bedeutung des Genrebildes hingewiesen. Zeigt uns die Historien­malerei die großen Taten unserer Borfaren, und regt sie uns an zur Begeisterung und Nachamung, so fürt uns das Genre alle möglichen, oft die unscheinbarsten Begebenheiten vor und zeigt uns durch die