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fünstlerische Gestaltung derselben, welch' hohen Wert das Leben hat und zu welcher Höhe der Entwicklung unser gesamtes Sein sich aufschwingen fann, wenn eben dem Einfachen, Schlichten die nötige Beachtung wird, und wenn dasselbe als unentberlicher, wesentlicher Teil des Ganzen seine ihm gebürende Stellung einnimt. Kein großes Ganze kann eine wün­schenswerte Vollkommenheit befizen one eine entsprechende Vollkommen­heit der dasselbe bildenden einzelnen Teile. Vollkommenes darzustellen ist aber Aufgabe der Kunst. Erzeugt sie dieses aus den gemeinsten Vorgängen, so sagt sie uns zugleich wie wir die lezteren betrachten und gestalten sollen. Deshalb darf der ware Künstler kein Photograph sein und nicht die Dinge wie sie der Erkentnis des ersten besten Durch­schnittsmenschen erscheinen, konterfeien er hat ,, ein Stüd Menschen­geschichte, das nirgends passirt ist, aber überall sich ereignet", darzu­stellen. Schön ist alles das, was die guten Eigenschaften einer Sache zeigt, und garstig was die schlechten weist", sagt ein bedeutender Künst­ler( Raphael Mengs  : Gedanken über die Schönheit und den Geschmack in der Malerei). Derselbe schreibt an anderer Stelle dieser seiner ausge­zeichneten Schrift: Die Kunst der Malerei fann aus dem ganzen Schau plaze der Natur das Schönste wälen und die Materien von vielerlei Orten und die Schönheit von vielerlei Menschen sammeln, wärend die Natur die Materie( den Stoff) eines Menschen nur aus der Mutter desselben nemen und sich mit allen Zufällen begnügen muß." Damit ist aber das Wesen und Ziel aller fünstlerischen Tätigkeit angedeutet: nicht platter Naturalismus den finden wir auf Weg und Steg in der Wirklichkeit nicht schwärmerischer, vom wirklichen Sein abstra­hirender, in den nebligen Regionen des Nichtwarnembaren sich bewe­gender Jdealismus: fünstlerische, ideale Gestaltung dessen was ist, Er­hebung der gemeinen Dinge über die trodne Prosa des Alltäglichen ist die Aufgabe aller Kunst. Wie singt doch Heine in seinen Schöpfungs­,, Den Himmel erschuf ich aus der Erd' Ünd Engel aus Weiberentfaltung; Der Stoff gewint erst seinen Wert Durch künstlerische Gestaltung."

liedern?

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Vaterherz nicht auf die Dauer einer jungen energischen und liebenswür­digen Tochter widerstehen kann, so kapitulirte schließlich auch unser ,, Alter" und der Sonnenschein ihrer siegreichen Liebe löst den Schmerz des gewaltsamen Geschiedenseins der beiden ab. Sie sind glücklich ge­worden, und haben ihr Ziel erreicht, wir möchten aber dennoch allen werdenden Künstlern raten, entweder mehr Vorsicht oder mehr Offenheit bei ihren Studien anzuwenden, denn nicht immer dürfte die Geschichte so glatt ablaufen!

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Aus allen Winkeln der Beitliteratur.

nrt.

Ueber die Nachteile zu starker Zimmerwärme sagt Professor Reclam   folgendes: Wer die Temperatur über 15 Grad erhöht, wird bald merken, daß sein Wärmebedürfnis sich stets steigert und bald 17, ja 20 Grad nicht mehr genügen. Der Grund ist, daß bei andauernd starkem Heizen die Wände, sowie die im Zimmer befindlichen Gegenstände austrocknen. Je mehr sie ihre Feuchtigkeit verlieren, um so mehr saugt die trockene Luft die Feuchtigkeit da auf, wo sie dieselbe fast allein noch bei den Menschen. Die unmerkliche Ausdünstung der Haut findet und Lunge wird gesteigert. Da nun diese Verdunstung von Feuchtig­keit uns viel Wärme entziet, so wird durch die gesteigerte Ofenwärme allmälich auch das Wärmebedürfnis gesteigert und der Ofen erscheint ist aber ein Feind! Denn in der erhöten Zim­als bester Freund merwärme dünsten auch alle anderen Gegenstände mehr aus, und die Luft wird verschlechtert. In der warmen Luft atmen wir weniger Sauer­stoff, unser notwendigstes Lebensbedürfnis ein, und der Stoffwechsel wird langsamer und geringer der Appetit mindert sich, es tritt mür­rische Stimmung ein, der Schlaf ist furz und unruhig- alle Verrich tungen des Körpers lassen zu wünschen übrig. Das sind die Leiden der Bureauarbeiter, der älteren Kaufleute, der viel im Zimmer lebenden Frauen und alten Mädchen, kurz der meisten Stubenmenschen im Winter! Nur diejenigen, welche ihrem Ofen niemals gestatten, die Luft über 15 Grad zu erwärmen, sind diesen Leiden nicht unterworfen.

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Der Nebel foll seine Entstehung verdanken nicht blos den in der Luft vorhandenen Wasserdämpfen, sondern vielmehr dem Staub, an den sich die atmosphärische Feuchtigkeit ansezt und one den die in der Luft schwebenden Wasserteilchen gänzlich unsichtbar blieben. Prof. Artkin in Edinburg  , der dies durch Experimente verdeutlicht hat, be­hauptet sogar, daß es one Staub in der Luft nicht einmal Regen geben würde, da die mit Wasserteilen übersättigte Luft diese immer ganz plözlich in Gestalt einer einzigen Wasserlage zur Erde senden würde.

Literarische Umschau.

XZ.

Sonnenftral und Abeitskraft der Menschheit. Ein Bild aus Naturwissens schaft und Industrie der Neuzeit. In freien Vorträgen behandelt von Dr. Christoph Ruths. 1879. Dortmund   bei C. 2. Krüger.

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Und wenn alles, was wir durch unsere Sinne warnemen, uns schließ­lich durch sein wiederholtes Auftreten trivial, gemein erscheint, um wie­vielmehr banal müßte uns eine solche naturgetreue Wiederholung in der Kunst erscheinen? Feines Beobachten, fleißiges Studium der Natur und des menschlichen Lebens wird deshalb den Künstler allein ver­mögen Künstlerisches, Schönes zu schaffen. Eine solche Studie liegt auch unserer Illustration zu Grunde, nur knüpft sich daran noch ein kleiner Liebesroman, in dem der studirende Künstler eine der Hauptpersonen spielt, wodurch aber die Geschichte noch interessanter wird. Besagter Künstler machte einst, wie die Mär erzält, eine Studienreise in Tü­ringen und schlug in einem in romantischer Gegend gelegenen Dorfe sein Quartier für kurze Zeit auf. Gelegentlich seiner Streifereien ent­deckt er das hübsche Gesicht des jungen Mädchens, die da links auf un­serem Bilde sizt. Ein Kopf, wie ich ihn mir lange zu einer Studie gewünscht," sagt der Künstler, aber das Herz des Menschen verlangt mehr und will nur Genüge im Besiz des lieblichen Dorffindes finden. Leider stellt sich dem ein vorläufig unübersteigliches Hindernis in dem gestrengen Papa des Mädchens entgegen, der nun einmal die ,, Tage­diebe aus der Stadt" haßt, und vor allem gar nicht begreifen mag, was denn diese Farbenfleckser auf ,, Gottes schöner Erde" sollen. Ihre Mutter, welche noch eher der Tochter kräftige Stüze hätte sein können, rut in der fülen Erde und so bleibt unseren beiden Verliebten nichts anderes übrig als abwarten und sich mit dem verstolenen Austausch ihrer Liebesblicke oder im günstigsten Falle mit einem Stelldichein auf einige Minuten zu genügen. Da endlich komt die günstige Gelegen­heit für die Liebenden und für den Maler. Der Vater verreist in seinen wichtigen Angelegenheiten und flugs ist unser Künstler da um Studienkopf auf die Leinwand zu zaubern und, was wol wichtiger war, mit seinem geheimen Bräutchen ungestört von neidischen und übelwol­lenden Blicken die schönen Stunden der ersten Liebe zu genießen. Denn Großmütterchen und Schwester sind in das Geheimnis eingeweiht und unterſtüzen das Komplott gegen den abwesenden gestrengen Herrn Papa. allseitig gleichgerechten menschlichen Standpunkt aus freudig und dankbar willkommen

Die Studie" ist eben vollendet, der Künstler hat auf Augenblicke die Stube verlassen, da, o Schrecken! tritt der heute am wenigsten erwar­tete Herr des Hauses unter die anungslose Gesellschaft. Desto mehr ahnt und begreift er aber, was da in seiner Abwesenheit vorgefallen und indem er mit seinem mächtigen Krückenstock auf das eben fertige Bild zeigt, spricht er mit seiner martigen Stimme die wenigen, aber gewichtigen Worte aus: ,, Was soll das?" Alles ist stumm, der Purpur, welcher bei seinem Eintritt die Wangen seiner Aeltesten übergossen, ver­dunkelte sich, sein jüngstes Töchterlein fichert sorglos und Großmütter­chen faltet die Hände vor Schreck über die Dinge, die da noch kommen werden. Bis dahin hat uns der Meister, der unser Bild geschaffen, diese kleine Geschichte erzält und den höchsten Punkt der Handlung mit seinem Pinsel dargestellt. Wie es ihm gelungen, darüber mögen die freundlichen Leser der N. W. selbst urteilen. Verraten wollen wir nur noch, daß der ,, Alte" in seinem Zorn bald das Farbengekleckse" ver­nichtet hätte, nur der schnell hereintretende Künstler rettete es vor sei­nem Widersacher.

Heftige Auseinandersezungen seitens der beiden, freundliches Zu­reden und Bitten des weiblichen Teiles der Gesellschaft, aber keine Ber­ständigung war das Endresultat und unser Künstler wanderte fürbas seine Straße. Da es aber eine alte Geschichte ist, daß selbst das strengste

Wärend von Seiten der Vorkämpfer eines auf Autorität basirten Wissens, aus dem noch dazu eine sorgfältige Auswal, gewissen Zweden entsprechend, zur sogenanten Volts­belehrung getroffen wird, die alten Formeln in immer wechselnder äußerer Gestalt den durch die zur Schau getragene Sicherheit verblüfften Lernbegierigen durch Wort und Schrift unermüdlich eingepredigt und eingedroht worden, sodaß diesen großenteils zulezt die Aufnamefähigkeit für anders geartete Jbeen verloren get, und wärend jene Verfechter der durch ihr vielhundertjäriges Alter nicht ehrwürdiger gewordenen Bemäntelungs formeln der Unwissenheit unter den gesezten Verhältnissen an nicht wenigen Orten noch so die Oberhand haben, daß ste, one Gefar für närrisch erklärt zu werden, behaupten tönnen, das ihre sei das eigentlich ganze, tiefe, ideale, echt nationale und menschen­würdige Vollwissen, und jeder Zweifler daran gehöre zur gefärlichen Klasse der Halb­gebildeten, wärenddessen liegen für die Verbreitung erfarungsmäßigen, realen Wissens die gegebenen Verhältnisse unverhältnismäßig ungünstig. Die Jugend bleibt wesentlich one logische Vorbereitung zur Aufname exakter Kentnisse; hierdurch und durch die mangelnde Anregung, vielmehr aber Abstumpfung der Erwachsenen durch übermäßige Berufsarbeit, wird der Propaganda, one welche auch für die besten und warsten Ideen tein Boden gewonnen wird, ein schwer zu überwindendes Hindernis bereitet.

Darum sind alle Bemühungen, begrenzte, kleine Bezirke aus den Ergebnissen der Naturforschung in eingehenden Einzelbarstellungen oder unter umfassenden, übersichtlichen Gesichtspunkten große, allgemeine Geseze grade den Kreisen zugänglich zu machen, für welche diese Gedankenschäze von vielen für nicht bestimt erachtet werden, vom freien, zu heißen. Kaum eine andre der neueren großen Entdeckungen aber bietet von jeder mur möglichen Seite der Betrachtung so großartige und fesselnde Gesichtspunkte, als die Lehre von der Erhaltung der Kraft im Univerfum, zu der von Robert Mayer   der Grund gelegt wurde.

Die vorliegende Schrift von Christoph Ruths betrachtet die Dokumentirung dieses Sie zeigt in Aus­Sazes vornemlich in der Einwirkung der Sonne auf die Erde. fürungen, die sich auf zalreiche, meist dem praktischen Leben entnommene oder der all­gemeinen Erfarung zugängliche Beispiele stüzen, und in oft recht schwunghaften Bildern, baß die bekanten, beständig in und um uns wirkenden Elementarkräfte fich auf die von der Sonne ausgestrafte Bewegung zurückfüren lassen; daß auf eben dieselbe Duelle sowol also bewegte bie Maffenbewegungen, die wir zu für uns nüzlichen Arbeiten ausbeuten Luft, bewegtes Wasser als auch die Molekularbewegungen, welche teils direkt als Sonnenlicht und Wärme tätig sind, oder von uns durch Verbrennung fünstlich erzeugt werden, ebenso die Pflanzenvegetation wie das tierische Leben, zurüdverfolgt werden können. Diese in im ganzen furzen und gedrängten Darstellungen gegebenen Erklärungen des Zusammenhangs der uns zunächstliegenden Naturvorgänge machen diese in schrift­licher Form vorliegenden populären Vorträge für die Kentnisname des größeren Bubli­fums wertvoll und empfelenswert.

Dasselbe Intereffe aber nötigt uns, an gleicher Stelle auch unsre Bedenken gegen andre Teile dieses Werkchens zu offenbaren. Da ist als Grundlegung für das Haupt tema eine ihm an Umfang ziemlich gleichkommende physikalische Abhandlung über die Weltenergie und ihre Umwandlungen, was im wesentlichen auf die Einheit der Natur­träfte im Sinne ihrer gegenseitigen Verwandelbarkeit herauskomt, gegeben. One gegen ben Gebrauch des Begriffs Energie( wenn tonsequent in dem Sinne gebraucht: Fähigkeit eines Körpers, Arbeit zu leisten), der von der neuern Physik ziemlich allgemein auf genommen ist, hier mehr einzuwenden, als daß die Bwiespältigkeit von Bewegung und Kraft, welche man beseitigen wollte, doch nicht ausgemerzt ist, solange man tinetische und potentielle Energie unterscheidet( oder Fähigkeit, Arbeit zu leisten, bie ein Körper ver möge seiner Bewegung hat oder die er vermöge seiner Lage haben soll, so hätten wir