VI. 30.«pril 1331.
Herschen o Roman von Marie stand auf und ging hinaus, kam aber bald wieder zurück. „Was wollte der kleine Kobold?" fragte Elvira. „Sie hatte mich nur benachrichtigt, daß die Suppe koche und daß es in der Küche nun weiteres für mich zu tun gäbe." „Und warum tut sie das nicht selbst? Ihr komt das zu." „Domcnika ist noch sehr jung und ungeschickt, sie kann nichts als Fische braten und eine Polenta machen, und diese rürt sie in ihrer Trägheit niemals gehörig um." „Aber warum schickst du sie nicht fort und nimst ein brauch- bareres Mädchen?" _„Domcnika ist gutmütig und sehr genügsam, sie kostet mich fast nichts; freilich darf man dagegen nicht allzuviel von ihr verlangen." „Und du besorgst also selbst alle Arbeiten einer Magd?" rief Elvira mißbilligend und fast erregt mit ihrem Fächer hin und her wehend. „Die Arbeiten einer Hausfrau!" entgegnete Marie ruhig und voll Würde. „Unb_ du trägst auch dein Kind, fütterst es und wickelst es, und ninist all' die Plage mit ihm auf dich allein?" „Es ist die Pflicht einer Mutter." „Aber wenn du den ganzen Tag zwischen deinen vier Mauern gewirtschaftet hast, wenn du dich müde gesorgt und gearbeitet, was ist dann deine Erholung des Abends?" „Ach, Elvira, die?lrbeit einer Hausfrau und Mutter get nie zu Ende. Des Abends, wenn die Kleine schläft, habe ich zu nähen und auszubessern, aber ich bin träge und ich schlafe ge- wönlich darüber ein." „Aber du kanst doch nicht Wochen-, monate-, jarelang dieser unausgesezten, einförmigen Beschäftigung dich widmen? Du brauchst doch, wenigstens hie und da, eine geistige Erholung und Erfrischung, wenn du in dieser Atmosphäre einer engen Häuslich- keit nicht verkümmern sollst, du brauchst doch Freude und Genuß." „Aber ich habe sie ja in reichem Maße. Mein Mann liebt mich, mein Kind wächst und gedeit, sieh, es lächelt mich an,- ist das nicht Freude und Erfrischung zugleich?� Aber wenn ich nicht in jeder Minute an das Kindchen dächte, für dasselbe sorgte, nicht jeden Tag an seiner Seite bliebe, dann würde es vielleicht krank und elend, und dann würde ich unglücklich sein und Alfred ieuch. Er ist ein so guter Vater, er will nicht, daß ich es nur une Stunde lang allein lasse. Und er selber braucht mich auch,
er dienen? A. KautsKy.(4. Fortseznng.) er ist in manchem ungeschickt, ganz unbehülflich, und da muß ich denn immer hinter ihm her sein, ich arbeite also auch für ihn, das ist so süß, er dankt mir's auch, der gute Mann, und doch ist's nur eine kleine Rückerstattung für alles, was er für mich tut, und so bin ich denn immer für uns drei beschäftigt, und wenn mein Knabe noch lebte, müßte ich's für vier sein, aber das ist alles für mein Glück, für unser gemeinsames Glück, und es ist daher gar kein Verdienst dabei." Elvira's Augen füllten sich mit Tränen. „Du Seele voll Liebe, Poll Hingebung," sie zog die Schwester an sich und küßte sie;„dein Gatte muß dich anbeten, deine Kinder werden dich verehren wie eine Heilige, und so findest du dein Glück in dem Glück der deinen." Marie lächelte und gab den Kuß zurück. Elvira erhob sich.„Es werden noch einige Tage vergehen, ehe ich auftrete, in dieser Zeit müssen wir uns öfter sehen, und wenn du nicht zu mir kommen kanst, so komnie ich zu dir." Sie zog den eleganten Umwurf über die Schulter und warf einen Blick in den Spiegel.„Welch' ein schlechtes Glas!" rief sie lachend.„Man siet darin abscheulich aus, ein solcher Spiegel brächte mich zur Verzweiflung!" Ihre Augen fielen auf ein Album, das aus dem Trumeaukasten lag.„Das sind Photo- graphien, da finde ich gewiß alte Bekante; laß einmal sehen." Sie öffnete es rasch und begann darin zu blättern. Die Mutter, Tante Luise, Malchen füllten die ersten Seiten,— bei Minna's Bild senkte sie den Kopf etwas tiefer, und aufmerksam und nach- denklich schien sie jeden Zug in dem lieben Gesichte zu studiren; sie sah in diese klaren, klugen Augen, sie betrachtete die schöne, reine Stirn, ans der es wie Sonnenschein lag, der durch keine Wolke des Unmuts, des Verdrusses je verdüstert ward; ein kleiner Seufzer drang über ihre Lippen, es war, als neidete sie dieser da den stillen, ungetrübten Frieden ihrer Seele. Dann weiter- blätternd, brach sie in ein lautes Lachen aus:„Herr und Frau Gernianek auf einem Bilde, beide in Galla, sich zärtlich haltend; ah, sie sind köstlich!" „Sie leben jezt in der Residenz; Heini hat die Apoteke über- nommen, Linchen ist verheiratet," erzälte Marie. „Das ist ja höchst befriedigend," machte Elvira in noch über- mütigerer Laune,„von ihren erwachsenen Kindern befreit, kann sie nun mehr als je die junge Neuvermälte girren, und Germanek, der Kunstentusiast, wird wieder alle Premieren und den Cirkus besuchen, und als Baron Schwämchen aufs neue alle Privilegien der Sportsmen genießen.— Und diese eingetrocknete Mumie da?
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