und der dem Urteile der Nachwelt Ueberlieferte unverdient hart und absprechend beurteilt wird, sei es, daß durch rosig gefärbte Schilderung dem Betreffenden ein Glorienschein verliehen wird, der gleich einem leicht in der Luft schwebenden Hauche schwindet, wenn man zu den direkten Quellen der Geschichtsforschung hin­absteigt, um auf echten, unverwischten, ungekünftelten Spuren den früheren Verhältnissen und Beziehungen und vor allen Dingen der Denk- und Handlungsweise des Betreffenden nachzuforschen. Einer der Haupthelden der Reformationszeit, der sanftmütige, liebevolle und weich herzige" Melanchthon, erscheint uns z. B. in recht sonderbarer Beleuchtung, wenn wir seinen Brief lesen, in dem er, über die in Genf   stattgefundene Verbrennung des un­glücklichen spanischen   Arztes Michael Servet   frolockend, dem Fa­natiker Calvin   seine volle Anerkennung, Zustimmung und Be­friedigung betreffs dieser abscheulichen Lat kundgibt. Anders da gegen erscheint uns der eifrige und Unabhängigkeit liebende Bodenstein, der unter dem Namen Karlstadt   bekant, schon durch

376

seine wechselvollen Beziehungen zu den Reformatoren und durch sein viel und mannigfach bewegtes Leben ein größeres Interesse erregt. Ein Mann, den weder Fürstengunft noch materielle Vor­teile blenden und zur Verleugnung seiner besseren Ueberzeugung verleiten konten, ein Mensch, der unter den schwersten Schicksals­fügungen und Prüfungen sich die Achtung und Wertschäzung hervorragender Zeit- und Berufsgenossen troz tiefgehender Mei­nungsunterschiede zu waren wußte, muß unbedingt mehr gewesen sein, als ein planloser wüster Eiferer, als ein Vandale und Zer­störer, als ein Unruhestifter und Hezer, wie er gewönlich geschil­dert wird.

Andreas Rudolph Bodenstein   nante sich gewönlich Karlstadt  , oder auch schlecht latinifirt: Carolostadius. Es war der Name seiner in Franken gelegenen Heimatsstadt, den er angenommen hatte. War es doch in der Reformationszeit bei den Gelehrten zum allgemeinen Brauch geworden, daß sie ihre Familiennamen entweder in lateinischer oder griechischer Uebersezung gebrauchten,

Nachtlager von Boeren in Südafrika.  ( Seite 383.)

oder sonst irgend eine hochtönende und vollklingende Benennung| sich beilegten. Sein warscheinliches Geburtsjar ist zwischen 1479 und 1482 anzunemen, mit Bestimtheit konte in dieser Beziehung nichts ermittelt werden. Den Grund zu seinen Studien legte er in der Heimat, indem er die unumgänglich notwendige Kentnis der lateinischen und griechischen Sprache sich aneignete, ehe er, um umfangreichere wissenschaftliche Studien zu pflegen, in die weite Welt hinaus wanderte. Nach längerer Wanderschaft weilte er in Rom  , um Teologie zu studiren, und als die Universität in Wittenberg   eröffnet wird oder wenigstens furze Zeit darnach, findet er sich in dieser befestigten kursächsischen Elb- Residenzstadt ein, um als Universitätslehrer zu wirken. Zunächst war er Ca­nonicus bei der Schloßkirche und Archidiaconus bei der Stadt­kirche; als anno domini 1512 Martin Luther   sein teologisches Doktorexamen bestand, war es Bodenstein, der unter den Ermina­toren den ersten Rang einnahm und wie es in der Chronik heißt: ,, Lutherum zum Doktor creirte."

Denn Bodenstein war schon seit dem Jare 1502, als er den Grad eines Doktors der Teologie erreicht hatte, Professor der Teologie an der Wittenberger   Hochschule. War Bodenstein der hervorragendste Lehrer Luthers   gewesen, so war er auch anno

1517 unter den ersten, die Luthers   reformatorische Wirksamkeit begeistert anerkanten und nachhaltig unterstüzten. Mit vollem Rechte kann behauptet werden, daß das hohe Ansehen und der Ruhm der Gelehrsamkeit Bodensteins das erste Wirken Luthers  in außerordentlicher Weise begünstigte.

Als Johannes Eck   den Martin Luther   und seine bekanten Thesen in einer Schrift angegriffen hatte, verteidigte Bodenstein  im Jare 1518 mit einer Gegenschrift Luthers   Bestrebungen. 1519 am 27. Juni begann in der Pleißenburg in Leipzig   im Beisein Luthers   und Melanchthons eine mehrere Tage andauernde, scharfe Disputation zwischen Bodenstein und Johannes Eck  , die, one ein befriedigendes Resultat aufzuweisen, die Veranlassung zu weiteren Streitigkeiten und größeren Anfeindungen gab.

Luther   machte seine bekante Reise nach Worms  , wurde dann unter hoher Protektion auf der Wartburg   sicher untergebracht und Bodenstein, ein energischer Charakter, tat, was er der Zeit und den Umständen angemessen erachtete. Die Bildwerke in den Kirchen und die Drenbeichte waren ihm am meisten verhaßt, er wirkte für deren Beseitigung, ebenso energisch brach er mit den Vor­schriften, die der römische Papst seinen Dienern gegeben hatte, er verheiratete sich.