Bodenstein muß eine außerordentliche Rednergabe besessen ha= ben, denn als er zu Weihnachten 1521 in deutscher Sprache pre­digte und das Abendmal in beiderlei Gestalt reichte, ereignete es sich, daß begeisterte Anhänger der Reformation die zum Teil aus Zwickau   sich eingefunden hatten, ihren Empfindungen durch übereilte Taten sogleich Ausdruck verschafften, und Bilder, Sta­tuen 2c., soweit dieselben religiösen Zwecken dienten, zerstörten und vernichteten.

1522 traf Luther   in Wittenberg   wieder ein, um die sich voll­ziehende und immer tiefer in das Volksleben eingreifende, mäch­tige Bewegung zu zügeln und zu beherschen. Daß Bodenstein die Privatmessen indessen abgeschafft hatte, gefiel ihm außeror­dentlich, anderes hingegen konnte durchaus nicht seinen Beifall finden; es scheint, daß in dieser Zeit eine tiefgehende Entzweiung zwischen Bodenstein und Luther plazgriff, ein Misverständnis, das aus der Charakterverschiedenheit der beiden resultirte.

Luther   hatte die Zuneigung und Protektion der Fürsten   und Vornemen gefunden, er mochte derselben nicht entbehren; Boden­stein hingegen war der Volksmann, der rückhaltslose Demokrat, dessen Empfindungen und Ansichten den Machthabern unmöglich zusagen konnten.

Er begab sich auf ein Dorf hinaus, verrichtete Feldarbeit, ver­zichtete auf seine akademische Würde und Aemter und lebte von dem Ertrage seiner Arbeit, in dieser Zeit mochte er sogar von seinem Doktortitel nicht gern etwas hören. So eigentümlich nun dieser Vorgang immerhin erscheinen mag, so darf man durchaus nicht annemen, daß er in dieser Beziehung vereinzelt dagestanden hätte; in der Schweiz  , wo der mit der Reformation sich teilweise voll ziehende Umgestaltungsprozeß mehr einen demokratischen Charak­ter hatte, hatte Zwingli   angeregt, daß die akademische Jugend sowol, als auch die Träger der Wissenschaft, die Lehrer der Hoch­schulen, praktisch arbeiten möchten.

Verschiedene hochangesehene Gelehrte betrieben in damaliger Zeit wol nebenbei ein Handwerk und waren in den Zunftstuben eingetragen und als Erwerbsgenossen vollberechtigt.

Als im Jare 1524 Bodenstein zum Pfarrer in Orlamünde  erwält wurde, entfernte er auch dort die Bilder und Statuen aus den Kirchen und verkündete von der Kanzel im Widerspruch mit Luther  , daß der Leib und das Blut Christi im Abendmal nicht warhaftig gegenwärtig sei. Da der Kurfürst von Sachsen   den energischen und eifrigen Bodenstein in Verdacht hatte, daß der­selbe mit Thomas Münzer verbündet sei, erteilte er den Befehl an Luther  , in derber Strafpredigt gegen Thomas Münzer und die Sakramentirer" zu Jena   aufzutreten.

Luther   hielt diese Predigt am 22. Juni 1524 in der Kirche zu Jena  , Bodenstein war gegenwärtig und fand sich veranlaßt, am Nachmittage desselben Tages ernste Rücksprache mit Luther  darüber zu nemen. Beide mochten an Heftigkeit der Ausdrucks­weise einander gleich stehen, Bodenstein scheint jedoch mit seiner rückhaltslosen und offenen Meinung den Sieg errungen zu haben, denn Luther   erklärte schließlich, daß die gegenseitige Wider legung in öffentlichen Druckschriften" ausgetragen werden solle, " gab ihm auch zu dem End einen Dukaten auff die Hand".

Am 24. August desselben Jares kam Luther   auf Verlangen der Einwonerschaft nach Orlamünde  , um dort in gewaltiger Rede und gehaltvoller Predigt gegen den die Ueberhand gewinnenden Einfluß Bodensteins anzukämpfen. Troz aller Bemühung Luthers  blieb die Einwonerschaft von Orlamünde Bodenstein und den von ihm verfochtenen Ansichten und Grundsäzen getreu und Luther  mußte unverrichteter Dinge abziehen.

Bodenstein fur fort, in der bisherigen Weise zu wirken und würde vielleicht Bedeutenderes geleistet haben, wenn nicht der Kurfürst von Sachsen   ihm anbefolen hätte, in kürzester Zeit das Land zu räumen. Bodenstein zog, von seinem treuen Weibe be­gleitet, zunächst nach Straßburg   und von dort nach Basel  . Auf fällig erscheint, daß Bodenstein die Geistlichen wenig oder gar nicht aufsuchte, in Basel   nam man es gewaltig übel, daß er sich nicht mit seinen Kollegen besprochen hatte, obgleich man wußte, daß er gelegentlich seiner ersten Anwesenheit in Zürich   ebenso­wenig Zwingli   aufgesucht hatte.

Von Basel   aus richtete Bodenstein an die Gemeinde zu Orlamünde   einen Brif, in dem er sich beklagte, daß er unüber­wiesen wäre vertrieben worden, gab auch einige kleinere Bücher heraus.

Als anno 1825 der Bauren- Tumult entstand", meldet die Chronit, eilte Bodenstein nach Rothenstein  ; dort wäre es ihm bald

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übel ergangen, verschiedene Geistliche wurden zur Strafe gezogen, er kam in große Gefar, so daß seine Anhänger genötigt waren, ihn in einem an einem Seile befestigten Korbe über die Stadt­mauer hinunter gleiten zu lassen.

In einem besonderen Traktat bewies er das Ungerechte seiner Verfolgung, und da er jezt mittellos war, richtete er an seinen ehemaligen Schüler Martin Luther   die Bitte, den Druck des Büch­leins zu vermitteln, was dieser auch ausrichtete.

Luther   tat noch mehr, er erwirkte im Jare 1526 vom Kur­fürsten die Erlaubnis, daß Bodenstein mit seiner Famile wieder nach Sachsen   frei und unbehelligt zurückkehren konte. Die alte Freundschaft schien wieder zu erblühen, denn als Bodenstein mit Familie zurückgekehrt war und einen Son taufen ließ, wälte er Justus Jonas  , Melanchthon   und Luthers   Frau zu Tauf­zeugen.

Es ging Bodenstein und seiner Familie damals sehr schlecht, drückende Narungssorgen, Elend und Mangel machten sich gel­tend. Bodenstein wollte sich nicht zu Luthers   Ansichten bequemen, andere Ursachen, vielleicht auch die Ungnade des Landesherrn mochten dazu beitragen, daß er feinen Gehalt und keine Unter­stüzung erhielt. Wärend seines Aufenthaltes zu Kemberg   und Segern war seine Notlage so groß, daß er seine hebräische Bibel als lezten Wertgegenstand veräußern mußte, wärend Luther   und Melanchthon ein behagliches, gegen Sorgen geschütztes Dasein fürten.

1529 wanderte Bodenstein mit Weib und Kindern wieder in die weite Welt, erst ging die Reise nach Ostfriesland   und anno 1530 von dort wiederum nach Straßburg  , und weiter nach Basel  und Zürich  . Dort brachte er bei seiner Ankunft nichts mit, als sein Weib und seine drei Kinder, meldet ein Zeitgenosse.

In Zürich   bedurfte es keiner Fürstengnade, um Unterkunft und Narung zu finden, Zwingli nam sich des notleidenden Amts­bruders in wackerer Weise an. Bodenstein wurde Diakonus   und Prediger an der Spital- oder auch Predigerkirche und bald da rauf erhielt er die Pfarrerstelle zu Altstetten im Rheintal. Als Zwingli   in der Schlacht bei Cappel anno 1531 den Heldentot gefunden hatte( worüber sich Luther   in liebloser Weise äußerte!), war Bodenstein in Altstetten   nicht mehr sicher, er begab sich mit seiner Familie anno 1532 nach Zürich   zurück, verblieb dort bis auf weiteres und von seiner Begabung zeigt der Umstand, daß er wöchentlich 5, zuweilen auch 6 Predigten hielt.

Anno 1534 tam von Basel   ein ehrenvolles Schreiben, das ihn dorthin berief, Bodenstein lehnte ab, als aber die Baseler eine Deputation zu gleichem Zwecke an ihn nach Zürich   santen, willigte er ein und die Chronik berichtet uns, daß er noch im gleichen Jare in Basel   zum Professore Theologiae und Veteris Testamenti, anno 1535 zum Pfarrer zu St. Peter und anno 1537 zum Rectore dortiger Hohen Schule erwälet worden."

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Wie einige Jarzehnte zuvor in Wittenberg  , so stand auch bald in Basel   der schwer- und vielgeprüfte Bodenstein in hohem An­sehen, allgemeine Achtung und Anerkennung wurde dem Manne in dem demokratisch geleiteten Gemeinwesen zu teil und mochten schließlich auch einen beruhigenden und versönenden Einfluß auf sein Gemüt ausüben. Hatten schweizer Teologen( Decolampadius, z. deutsch  : Hausschein, und Zwingli  ) in Wort und Schrift seine Partei gegenüber Luther   und Melanchton   ergriffen, so war es auch die Schweiz  , die dem vielgewanderten, seine Unabhängigkeit stets warenden Manne ein dauerndes und schließlich sicheres Asyl bot.

Am 24. Dezember 1541 starb Andreas Rudolph Bodenstein  an der Pest in Basel  . Unter anderen kleineren Abhandlungen werden 19 Schriften von ihm in deutscher Sprache, und 5 Schriften von ihm in lateinischer Sprache verfaßt, als literarischer Nach­laß erwänt.

Nicht uninteressant ist die Chronit, die uns treuherzig ver­sichert:" Wornach von ihme unwarhafft ausgestreuet worden, daß er in seiner lezten Krankheit von einem Gespenst geplaget worden sey, ihme drey Tag vor derselben wärend dem Predigen auff der Kanzel ein langer Mann so hernach verschwunden, gewunken habe, ja, daß er in der Verzweiflung gestorben oder gar bey lebendem Leib von bösen Geisteren hingerissen, und sein Haus nach seinem Tot mit Polder- Geistern beunruhigt worden sey."

Sein im Jare 1528 geborener Son Adam erkor als Beruf die Ausübung der Medizin, war ein eifriger Anhänger des Teo­phrastus Parazelsus, verfocht nach dessen Weggang von Basel   aufs energischste dessen Lehrfäze und Absichten, soweit dieselben die Medizin berürten( Theophrastus Parazelsus war in religiöser