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Die Aegyptiologie und die Entzifferung der Hieroglyphen.

Von Dr. Ly.

Das Hauptverdienst an der Entzifferung der Hieroglyphen in­folge dieses Fundes gebürt dem Franzosen Jean François Champollion ( dem Jüngeren), der 1790 bei Grenoble geboren, troz seines frühen Todes( er starb 1832) seinen Namen durch die glänzendsten Arbeiten auf dem neu errungenen Wissenschafts­gebiet unsterblich gemacht hat und als der eigentliche Begründer der heutigen Aegyptiologie angesehen werden muß. Die schönste Grabschrift hat ihm Chateaubriand gesezt in den Worten: ,, Ses ad­mirables traveaux auront la durée des monuments qu'il nous a fait connaitre."(" Seine bewundernswerten Arbeiten werden die Dauer der Monumente haben, deren Rätsel er uns aufschloß.")

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Zunächst boten die gleich zu Anfang der griechischen( also auch der darüber stehenden ägyptischen) Steininschrift der Tafel von Rosette zalreich vorkommenden Eigennamen, deren Klang und Aussprache ja in den verschiedensten Sprachen gar nicht oder nur wenig verändert zu werden pflegt, für die Entzifferung den ersten, erwünschten Anhalt. Schon vor Champollion hatte näm­lich der auch als Physiker, als Entdecker der Interferenzerschei nungen des Lichts, berühmte englische Arzt Thomas Young ge­funden, daß die Königsnamen in der ägyptischen Inschrift des Steines von Rosette, gleichsam, um sie vor den andern Namen auszuzeichnen, änlich etwa, wie man heutzutage die persön lichen Fürwörter einer Majestät im Hofstyl groß zu schreiben pflegt mit ovalen Ringen von beistehender Form umgeben seien. Er war es zuerst, der durch genaue Messung

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( 1. Fortsezung.)

des Raumes im Vergleich mit der griechischen Inschrift heraus­rechnete, welcher von diesen Ringen den Eigennamen Ptolemäus enthalten müsse, und sodann machte er sich an andere im Texte vorkommende Namen, wie Arsinoe, Berenike u. s. w. An den übrigen Hieroglyphentert, dessen Zeichen Young noch für reine Symbole, als bildliche Zeichen für Gedankenbegriffe( wie z. B. ein Herz für den Begriff" Liebe", hielt, wagte er sich nicht. Be­reits begannen diese Versuche einen kleinen Schimmer von Auf­flärung zu liefern, als ein zweites kleineres und nur zweispra­chiges Steindenkmal auf der Nilinsel Philä( bei der Stadt Assuan an der Südgrenze von Oberägypten ) gefunden wurde, welches in Hieroglyphen und in griechischer Schrift abgefaßt, zwei in Ringen eingeschlossene Namen enthielt, von denen der eine mit dem für " Ptolomäus" gehaltenen Ringnamen des Steines von Rosette genau übereinstimte, wärend man den zweiten nach der griechischen Inschrift als den Namen Kleopatra " deuten konte. In welcher Weise es nun Champollion verstand, diese günstigen Umstände zu einer nach und nach immer mehr sich vervollständigenden syste­matischen Entzifferung der Hieroglyphen zu benuzen, das wollen wir, indem wir dabei hauptsächlich der Darstellung des berühmten Aegyptiologen Professor Georg Ebers ( des Verfassers der vielge= lesenen Aegyptischen " Romane) in seinem Wissenschaftswerke Aegypten und die Bücher Moses" folgen, dem Leser furz und mit Zuhülfename der beigedruckten drei hieroglyphi­schen Holzschnitte, anschaulich machen.

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Fig. 1. Kleopatra .

Fig. 2. Ptolmä.

Durch einen glücklichen Zufall, der überhaupt- bei dieser ganzen Entdeckung so günstig waltete, finden sich in den beiden ersten Namen Ptolomäus" und Kleopatra " fünf gleiche Laute( p, t, I, e, o) vor. Champollion verglich nun Zeichen für Zeichen, wo­raus sich ihm folgendes ergab: In dem ägyptischen Namen Kleo­ patra ( siehe Fig. 1) mußte die erste Hieroglyphe, die ein Dreieck darstellt, gleich dem Laut k sein, und sie durfte sich unter den Hieroglyphen des Namens Ptolemäus ( siehe Fig. 2) nicht wie derfinden, wie sie sich dort denn auch nicht fand. Die zweite Hieroglyphe in Kleopatra , ein Löwe, mußte I bedeuten, und mußte sich in Ptolemäus ( Fig. 2) an der vierten Stelle wiederfinden, wie es auch wirklich der Fall war. Das dritte Zeichen in Kleo­ patra , ein Rohrblatt, mußte e lauten und fand sich als sechstes und siebentes Zeichen in Ptolemäus wieder, woraus Champollion schloß, daß es hier, doppelt stehend, das ä( griechisch ai lautend) in Ptolemäus darstellen sollte. Das vierte Zeichen im ersten Namen( Fig. 1), welches Champollion für eine Blume an einem zurückgebogenen Stengel hielt, mußte den Laut o bedeuten und in Ptolemäus an der dritten Stelle stehen, wo es auch wirklich stand. Ebenso richtig fand sich ferner das Viereck, welches an der fünften Stelle in Kleopatra ein p darstellen mußte, als erster Laut in Ptolemäus wieder. Der sechste Buchstabe im ersten Namen, einen Adler darstellend, mußte a ausgesprochen werden, findet sich also nicht in Ptolemäus, wol aber, als neue Bestä tigung, an der neunten Stelle des Namens Kleopatra wieder. ( Siehe Fig. 1.) Das siebente Zeichen in Kleopatra , eine Hand. darstellend, mußte t lauten. Im Namen Ptolemäus fand sich aber an der zweiten Stelle ein anderes t, welches einen Halb­kreis darstellt; und dies hätte den Entzifferer irre füren können, wenn er nicht die Möglichkeit, daß ein und derselbe Laut durch verschiedene Zeichen dargestellt werden könne, ins Auge gefaßt und wenn er nicht außerdem richtig geschlossen hätte, daß der am Ende des Namens Kleopatra ( siehe Fig. 1) als zehntes Zeichen gleichfalls stehende Halbkreis nichts anderes als den weiblichen Artikel bedeutet, von dem er wußte, daß er in der koptischen Sprache gleicht( To) bezeichnet werde. So fonte er, in geist voller Weise weiter schließend, aussprechen, daß der Halbkreis an der zweiten Stelle in Ptolemäus ( Fig. 2) ebenso ein t bedeuten müsse wie die Hand an der siebenten Stelle in Kleopatra . Die

Fig. 3. Altsantrs.

achte Hieroglyphe im ersten Namen, ein Mund, mußte den Laut r darstellen und findet sich nicht in Ptolemäus . Als neunten und Schlußbuchstaben im ersten Namen hat der altägyptische Schreiber, wie gesagt, zum zweiten male einen Adler, und hat also das a in der Mitte und am Schlusse mit dem gleichen Zeichen dargestellt. So blieb keine einzige Hieroglyphe in Kleopatra un­enträtselt, wärend in Ptolemäus das fünfte und neunte Zeichen noch einer Erklärung bedurften, wenn es auch auf der Hand lag, daß das erstere nur ein m, das andere ein s darstellen konte.

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Durch diese geniale Kombination waren elf oder( durch den Artikel) zwölf Hieroglyphen richtig entziffert worden, und es fam nun darauf an, zu prüfen, ob sich mit deren Hülfe auch andere, aus der griechischen Inschrift bekante, Eigennamen lesen lassen würden. Bei diesem Versuch fand Champollion zunächst in dem von ihm entdeckten Namen Alexandros( Aleksantrs; siehe Fig. 3) die Hieroglyphen a= Adler, I= Löwen, t= Hand, r= Mund in diesem Namen an den richtigen Stellen wieder, wärend er die andern Hieroglyphen als t, s( der Laut x wird in k und s zer­legt) und n deuten konte. Mit diesen 14 gefundenen Zeichen ging nun Champollion in der Lösung der großen Aufgabe weiter, suchte und fand, verglich und operirte, und indem er überall, in rein matematischer Weise, aus den bekanten Größen die neuen unbe­kanten berechnete, gelang es ihm, nicht nur zunächst alle Königs­und Pharaonen -, Götter- und Städte- Namen zu entziffern und richtig zu lesen, sondern und darin berut sein Hauptverdienst für die Entzifferung aller Hieroglyphen, nicht blos der Eigen­namen, bestimte Regeln und Geseze aufzustellen, welche bis auf den heutigen Tag ihre Giltigkeit bewart haben. Vor allem durch Zuhülfename des toptischen Sprachidioms denn dieses allein lieferte ihm ja den Klang, den hörbaren Laut der altägyptischen Sprache Sprache wurde er zu dem Grundsaze gefürt, von dem es frei lich wichtige Ausnamen gibt:" Jedes Hieroglyphenbild ist gleich dem Laute, mit welchem der Name des Gegenstandes, den es darstellt, anfängt." So bedeutet das Bild des Adlers den Laut a, weil im Koptischen der Adler achem" heißt, das Bild einer Hand bedeutet den Laut t, weil im Koptischen die Hand fot" lautet, das Bild des Mundes den Laut r, weil Mund in der koptischen Sprache ,," heißt u. s. w.-

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