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In dem Leben und Wirken der Geistlichkeit im allgemeinen treten wärend dieses Zeitraums die verschiedenartigsten Züge hervor. Auf der einen Seite ist sie die Trägerin und Hüterin der aus den Stürmen der Völkerwanderung geretteten und vor allem durch Karl den Großen und die Ottonen in kräftigen Schuz genommenen klassischen Bildung des Altertums, und es genügt, nur einige der hervorragendsten Namen zu nennen, um dem Leser ihre Wirksamkeit zum Bewußtsein zu bringen. Wir erinnern an Rhabanus Maurus, den berühmten Abt von Fulda und nachmaligen Erzbischof von Mainz , der nicht blos teologische, sprach wissenschaftliche und politische Werke, sondern auch Gedichte schrieb, an den nicht allein mit den Kirchenvätern und Klassikern, sondern auch mit den matematischen, astronomischen und musikwissenschaft lichen Kentnissen der Araber auf das innigste vertrauten Gelehrten und Staatsmann Gerbert, den Lehrer und Freund des schwärmerischen Kaisers Otto III. , ein Mann, den man mit Fug als den Aristoteles seiner Zeit bezeichnen darf, an Bernward von Hildesheim , der sich sowol als Maler, Erzgießer, Baukünstler, Dichter und Gelehrter selbstschöpferisch betätigte, wie er auch dafür sorgte, daß talentvolle Knaben, die er heranzog, in gleicher Richtung ausgebildet wurden,-an die bekante Klosterschule von St. Gallen , wo die Notkare und Ekkeharde ihre wissenschaftliche und dichterische Wirksamkeit entfalteten, an Reichenau , wo Malafrid Strabo als Abt tätig war, und Hermann der Lahme , die edelste Erscheinung seiner Zeit, ausgezeichnet durch umfassende Gelehrsamkeit nicht minder, wie durch den Reichtum seines Gemüts und die Hoheit seines Charakters, an Widukint von Corvey, den sächsischen Geschichtschreiber, und an andere strenge und gewissenhafte Historiker, wie Thietmar von Merseburg und Lambert von Hersfeld , an den Abt Wilhelm von Hirschau, der" philosophische Institutionen" verfaßte-" Philosophie ist die gewisse Erkenntnis der sichtbaren und unsichtbaren Welt", erläuterte er den Begriff und durch die Erfindung einer Sphären uhr die Zeitgenossen in Erstaunen sezte, und an alle die übrigen hervorragenden Männer, die nicht nur als Lehrer und Erzieher der jungen Kleriker in den Klöstern tätig waren, sondern auch die Sone weltlicher Großen in wissenschaftlichen und fünft lerischen Kentnissen und Fertigkeiten unterrichteten oder, an den Hof gezogen, als kluge Staatsmänner und Berater der deutschen Könige sich bewärten. Und es pflegten solche Mönche, Aebte und Bischöfe ihres Berufs mit ebenso großem Ernst und Eifer, wie sich die von ihnen herangebildeten Böglinge später dieser Mühen dankbar erinnerten. Mit inniger Rürung gedachten diese der „ ehrwürdigen Rute der Väter", und:„ Ich bin stolz darauf, daß ich es war, der Deine ungeschickten Finger mit meiner Hand zum Schreiben anleitete, und wenn du schlecht schriebst, Dir die Buchstaben auf den Rücken bläute," schrieb u. a. ein Scholastikus um das Jar 1066 im Gefüle freudiger Genugtuung an einen seiner früheren Zöglinge, der inzwischen ebenfalls ein gelehrter Mann geworden.
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Auch den Pflichten geistlicher Asketik wurde von vielen mit peinlicher Sorgfalt entsprochen, ja, es geschah dies zuweilen in einer an Wahnsinn grenzenden fanatischen Weise. So gab es Mönche, die das gröbste Gewand trugen, alle feineren Speisen verschmähten, vielmehr ihre Portionen zu den Kranken trugen, fein Bett hatten, sondern vor den Altären auf bloßer Erde oder wo sie gerade der Schlaf überfiel, ruhten und des Nachts Holz vor die Häuser der Armen brachten. Andere trieben ihre frommen Uebungen so weit, daß sie infolge des fortwärenden Niedersinkens zum Gebete Schwielen an den Knieen bekamen, jedes Bad flohen, von frühester Jugend bis in das späteste Alter kaum einmal das Hemd wechselten, bis zur völligen Schwächung des Magens fasteten, in bettelhafter Kleidung umherzogen und die Leute reizten, sie zu schmähen und zu schlagen, um sich dadurch in Demut zu üben und das Fleisch zu fasteien. Ja, es geschah sogar, das Mönche, die sich in der Kirche vom Satan befallen wänten, hinausliefen und in einen Teich sprangen oder durch Dornen krochen, um sich zu reinigen und die Sinne zu zähmen. Petrus Damiani , der feurige Staatsmann und Parteigänger Hildebrand's, des nachmaligen Papstes Gregor's VII., schrieb sogar eine Reihe besonderer Abhandlungen vom„ Lobe der Geißel", und belustigend ist die Er zälung, derzufolge Kardinal Stephan an einem Freitage in die Kirche von Monte Casino kam und zu seiner großen Ueberraschung bemerkte, daß die Fratres alle mit entblößtem Rücken beisammen standen, es war auf Veranlassung eben Damiani's geschehen, der sie in vollem Ernste überredet hatte, zur Mehrung ihrer Tugenden" sich jeden Freitag geißeln zu lassen. Kardinal Stephan
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lachte zwar herzlich, meinte aber doch, diese Art von Bußübungen als sehr unwürdig untersagen zu müssen. Als so strenge Asketen sind ferner aus dieser Zeit vor allem bekant: Adalbert von Prag , der als Bischof von Böhmen seine eigene Gemeinde mit dem Banner belegte und seinen Tod unter den heidnischen Preußen fand( 23. April 997), sowie Romuald , der Stifter des Ordens der Kamaldulenser .
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Daß diese Art des frommen Treibens an der Lasterhaftigkeit jener Zeit nichts änderte, zeigt, daß Petrus Damiani nicht blos Abhandlungen vom„ Lobe der Geißel" schrieb, sondern auch ein sehr zorniges Buch von Gomorrha", in welchem er die Laster der Geistlichen und gerade zu seiner Zeit, im elften Jarhundert, verrotteten die Zustände unter denselben immer mehr mit sehr unangenemer Genauigkeit förmlich in Rubriken gebracht hatte, welches ihm aber Papst Alexander II. in listiger Weise aus den Händen zu entwinden wußte. Auch andere zeitgenössische Schriftsteller ergehen sich in bitteren Klagen und Vorwürfen über das lüderliche Leben vieler Angehörigen der Geistlichkeit. So wird u. a. von Mönchen erzält, die, namentlich in Zeiten äußerer Unruhen, nicht zum Gottesdienst kamen, sondern allerhand Lustbarkeiten nachgingen, dem Abte die gebürende Höflichfeit verweigerten und nicht selten schimpften und fluchten, wenn die Portionen ihnen bei Tische nicht groß schienen. Zur Strafe für solch' unklösterliches Gebaren ließ freilich ein energischer Abt die Widerspenstigen zuweilen öffentlich auspeitschen. Auch konte man immer auf der Landstraße Mönche finden, die von einem Kloster zum anderen zogen, sich umkleiden ließen und eine zeitlang sich pflegten, um dann davon zu laufen. Als Kaiser Heinrich II. die Klöster zu reformiren begann und beispielsweise der neu eingesezte Abt von Hersfeld , Godhard, den Brüdern unverweilt eröffnete, daß sie sich entweder nach den Pflichten ihres Gelübdes zu richten oder die Mauern des Klosters zu verlassen hätten, gingen sofort fünfzig hinweg, blos zwei oder drei blieben zurück, und nur die Not veranlaßte später einen großen Teil der Ausgeschiedenen, den Schuz des Klosters wieder aufzusuchen.
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Freilich erhielten die Mönche auch von ihren Aebten nicht immer die beste Anleitung. So weiß Lambert von dem Bamberger Abt Rauotbart, der den Beinamen, der Geldmann" oder wie Stumpf das betreffende Wert sehr bezeichnend übersezt ,,, Küsse den Pfennig" ( Geldzauch) fürte, zu berichten, daß er schon als Mönch den schmuzigsten Wucher getrieben, sich unermeßliches Geld zusammenge scharrt und dann, nachdem er Abt geworden, er ,,, dieser Engel des Satanas", wie ihn der Hersfelder Geschichtsschreiber ,,, von der Gewalt des Schmerzes getrieben", nent, die Brüder ,, in der Zucht seiner Kunst, d. i. des Wucherns und Schacherns", unterwiesen und sie, wie der Vater die Söne", gelehrt habe, ,, seiner Lebensweise und seinen Sitten geradewegs nachzugehen". Bei ,, dem Amtsantritt eines neuen, strengeren Abtes" zerstoben denn auch hier die Mönche alle ,, wie Blätter vor dem Winde". Etwas zu weit ging wol der übereifrige Damiani, wenn er selbst den Mönchen des Klosters Kluzey, unfern der Sarne bei Maçon gelegen, bekantlich der Hauptherd der damals begonnenen geistlichen Reformbestrebungen, ein allzu üppiges Leben vorwarf, und der gewante Abt Hugo, der Pate Kaiser Heinrichs IV., entgegnete ihm sehr zutreffend, er möchte nur erst einmal acht Tage lang sich den Diensten im Kloster unterziehen, um beurteilen zu können, ob die Mönche gut lebten. Wer das Gemüse nicht gekostet hätte, könne nicht angeben, ob Salz daran fele"
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Aber selbst viele Bischöfe sind in sehr weltlichen Geschäften Meister gewesen. So sagte man Hermann von Bamberg nach, und es wird von allen gleichzeitigen Geschichtschreibern übereinstimmend bestätigt daß er vom Latein sehr wenig, aber desto mehr von der Administration der Finanzen" verstanden, sein Bistum offenkundig gekauft und sich, deswegen vom Papst zur Rechenschaft gezogen, nur durch einen Meineid zu reinigen gewußt habe. Bruno, der Verfasser des„ Sachsenkriegs", charak terisirt ihn wörtlich so: ,, ein Wucherer, der sich besser darauf verstand, die Geldstücke aus verschiedenen Münzstätten zu schäzen, als den Text irgend eines Buches, ich will gar nicht einmal sagen, zu verstehen" 2c. Bezeichnend ist die Erzälung bei Lambert, daß man den Probst Kraft von Goslar über seinen Schäzen tot gefunden habe, wie es denn nichts seltenes war, daß reiche Domherren, die sich durch Wucher ein großes Privatvermögen erworben hatten, sich heimlich in ihr Zimmer einschlossen und daran ergözten, daß sie die verborgenen Geldtruhen aus dem Versteck holten und die angehäuften Summen mit der Hand durchwülten. Karl, Kanonikus von Magdeburg , dem Heinrich IV. das Bistum