Konstanz übergab, wurde von den Geistlichen seines Bezirks nicht blos des Handels mit geistlichen Aemtern, sondern auch beschul­digt ,,, die meisten Schäze der Kirche diebisch entwendet zu haben." Nicht wenige Bischöfe waren auch den leiblichen Genüssen in bedenklichem Maße ergeben. Nur einige Beispiele dafür." Adal­bert von Worms( 1065-71), der nur dem Umstande, daß er der Bruder des Herzogs Rudolf von Schwaben war, seine Er­hebung auf den bischöflichen Stul zu verdanken hatte und vor allem seiner Lahmheit wegen in das Kloster St. Gallen eingetreten war, hatte sich so wol gepflegt, daß das Volk stehen blieb, wo er erschien, und den feisten Menschen ,,, eine in jeder Hinsicht sehens­werte Erscheinung", wie sich Lambert naiv ausdrückt, anstarrte, ,, denn er war von so großer Stärke, von unersättlicher Eß­Lust und von so gewaltiger Dicke, daß, wer ihn ansah, darüber mehr Schaudern, als Verwunderung empfand, ja, daß selbst der hundertarmige Gigant oder jedes andere Ungeheuer des Alter­tums, wenn es der Unterwelt entflöhe, die Augen und die Auf­

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merksamkeit des staunenden Volkes nicht in so hohem Grade auf sich ziehen würde." Er erstickte zulezt in seinem Fette. Von mehreren anderen Bischöfen änlicher Art erzält der ebenfalls im 11. Jarhundert lebende Geschichtschreiber Adam von Bremen . So bezeichnet er den Bischof Avoco( gest. um 1060) von Seeland und Sconen als sehr unmäßig und berichtet von Heinrich dem ,, Dicken", der das Bistum Lundona in Dänemark inne hatte, daß er ein sehr üppiges Leben fürte und, von ,, der heillosen Gewonheit, sich den Leib vollzutrinken verlockt, zulezt endlich erstickt und aus­einandergeplazt sei". Ferner habe der Bischof Acilin ,, nichts der bischöflichen Würde entsprechendes" an sich gehabt ,,, als eine außer ordentliche Körpergröße". Er war vom bremer Kirchenfürsten zum Bischof in Schweden ordinirt, blieb aber, die Ruhe des Fleisches liebend", trozdem von Schweden aus eine besondere Ge­santschaft an ihn geschickt wurde, bis zu seinem Tode in Köln , den Vergnügungen ergeben" ( Fortsezung folgt.)

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Die Aegyptiologie und die Entzifferung der Hieroglyphen.

Von Dr. Ly.

Als Champollion viel zu frühe für die Wissenschaft, 43 Jare alt, starb, hinterlies er das fertige Manuskript der größten Hiero­glyphengrammatik, welche bis auf diesen Tag geschrieben worden ist. Auf seine Arbeiten gestüzt ist nach seinem Tode die neue Wissenschaft der Aegyptiologie gewaltig vorgeschritten und schon seit Jaren so weit gekommen, daß kein Saz, kein Hieroglyphen­bild eines altägyptischen Denkmals dem Europäer mehr Schwierig feiten bereitet, als etwa ein undeutlich geschriebener Brif dem Adressaten bietet, und daß ein Aegyptiologe in Petersburg die­selbe Papyrusrolle genau so übersezen muß wie sein Kollege in Kairo . Diese riesige Entwickelung der neuen Wissenschaft offen­barte sich so recht bei einem neuen glücklichen Schriftfunde vor 15 Jaren. Als nämlich im J. 1866 der hochberühmte Aegyp­tiologe Lepsius aus Berlin behufs geographischer Untersuchungen im Nildelta eine neue Reise nach Aegypten unternam, gelang es ihm, in den Ruinen von Tanis eine wiederum in drei Schrift arten: Hieroglyphisch, Demotisch und Griechisch abgefaßte Stein­Inschrift aufzufinden. Der Inhalt dieser Urkunde war ein Be­schluß der zu Kanopus( der altägyptischen Küstenstadt an der kanobischen Nilmündung) versammelten ägyptischen Priester zu Ehren des Ptolemäus III. Energetes. Dieses sogenante Kano­bische Dekret, dessen Text noch in demselben Jare zu Berlin publizirt wurde das kostbare Originaldenkmal befindet sich im Museum zu Bulat würde von keinem heut lebenden Aegyp­tiologen anders gedeutet werden können, als die Hieroglyphen der Tafel von Rosette zu Anfang dieses Jarhunderts von Cham­ pollion gedeutet wurden, und wenn ein Hieroglyphenkundiger von heute die ihm zum ersten mal vorgelegte ägyptische Inschrift des von Lepsius gefundenen Dekrets von Kanopus ins Griechische übersezt, so muß derselbe griechische Text, wenigstens genau der­felbe Inhalt, herauskommen, wie ihn auf dem Kanopischen Stein die griechische Inschrift tatsächlich zeigt.

Von der großartigen Erweiterung unserer Geschichtskentnis infolge der Entschleierung der Hieroglyphenrätsel, von der über­raschenden Fülle des vorgeschrittenen Kulturlebens, die sie uns offenbart aus einer Zeit, welche bis weit vor die Patriarchenge­schichte der Bibel zurückreicht, gedenken wir in einem folgenden Artikel dem freundlichen Leser ein Bild zu zeichnen. Heute sei es uns am Schluß nur gestattet, in direkter Anknüpfung an den Eingang dieser Stizze den nachfolgenden Brif des Professor Brugsch mitzuteilen, der soeben aus Aegypten veröffentlicht wird, und der über die allerneuesten wichtigen Entdeckungen und zu­gleich über die lezte Tätigkeit des verstorbenen Mariette- Bey in­teressante Kunde bringt:

Siout*) 2. März 1881.

" Ich habe die Ehre, dem Institut**) folgende Mitteilung zu machen. Vierzehn Tage vor seinem Tode ließ mich Mariette­Bascha, der tiefbetrauerte Präsident des Instituts, an sein Kranken­lager rufen, um mich zu bitten, ihm und der Wissenschaft, die

*) Die jezige Hauptstadt Oberägyptens . **) Der Brif war an das ägyptiologische Institut zu Kairo ge­richtet.

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( Schluß.)

er so hoch schäzte, einen Dienst zu erweisen, dessen Bedeutung er selbst noch nicht ermessen konte.

Jm vorigen Jare, unmittelbar vor seiner Abreise nach Frank­ reich , erhielt Mariette- Pascha die erfreuliche Nachricht, daß eines der pyramidenartigen Monumente( Mariette nante sie Mastaba"), die auf dem Wüstenplateau im Osten der Landschaft Sattara_ge­legen sind, von den im Dienste des Museums befindlichen Ara­bern geöffnet wurde. Diese wackeren Leute hatten unter der ge­schickten Leitung ihres ägyptischen Chefs das auf der Nordseite gelegene Eingangstor blosgelegt und den langen Gang geöffnet, der zu den Trauergemächern im Inneren der Pyramide fürt. In der enormen Länge von 36 Metern war der Gang mit hiero­glyphischen Zeichen bedeckt, die auf jeden Schritt die zwei Namen Merira und Pepi zeigten und die beide von dem elliptischen Kö­nigsringe umgeben waren. Mariette, dem man die Nachbildung eines Teiles des Textes übersant hatte, glaubte in denselben die Namen eines hohen Würdenträgers zu erkennen, da bis jezt diesen beiden Namen nirgends diejenigen Titel beigesezt waren, die ge­wönlich nur den Eigennamen der Pharaonen zukamen.

Indem mir Mariette diese Mitteilung machte, erzälte er mir auch, daß die Araber der Ausgrabungs- Brigade den Eingang einer zweiten Pyramide in der nächsten Nachbarschaft der ersten entdeckt hatten, deren Gang und Totengemach gleichfalls mit zal­reichen Inschriften bedeckt waren.

Gehen Sie morgen, bat er mich, nach Sakkara , studiren Sie die zwei Pyramiden oder Mastaba an Ort und Stelle und lassen Sie mich so bald als möglich das Resultat Ihrer For­schungen wissen. Vielleicht erweisen Sie der Wissenschaft einen großen Dienst."

Am Morgen des 4. Januar d. J. reiste ich mit meinem Bruder Emil, dem Adjunkten im Museum zu Bulat, nach Sattara ab. Am Abend desselben Tages um 9 Uhr war ich so glücklich, meinem armen Freunde einen ausfürlichen Bericht zu überbringen. Seine Augen glänzten vor Freude, als ich ihm die folgenden Mitteilungen machte:

1) Die zwei ausgegrabenen Totenmonumente sind wirkliche Pyramiden.

2) Diese Pyramiden enthalten: die eine die Hand des Königs Pepi, der oftmals den Namen Merira fürt, die andere die Hand des Königs Me- en- ra, des ältesten Sones von Pepi aus der sechsten Dynastie*) Altägyptens.

3) Die granitnen Sarkophage, welche die Mumien der zwei Könige enthielten, wurden auf ihren alten Pläzen vorgefunden. Hieroglyphische Inschriften zieren den Deckel und die Außenseiten der Sarkophage. Dieselben lassen den Nachweis zu, daß die Namen Pepi und Mer- en- ra die Namen von Königen und nicht von Persönlichkeiten des pharaonischen Hofes sind.

4) Die Mumie des Königs Pepi ward gut erhalten, wenn auch schon früher ihrer Kostbarkeiten beraubt, in den Pyramiden vorgefunden.

*) Diese Dynastie regirte ca. 3000 Jare vor Chrifti Geburt; die gefundenen Denkmäler sind also über 4500 Jare alt.