Die Schlacht von Majuba.

( Schluß.)

406

Die Minuten, wärend deren ich in den Büschen hing, auf Gnade und Ungnade in der Gewalt der Boeren, die 3 bis 4 Yards über meinem Kopf wegfeuerten, waren wol für mich die schlimsten dieses Unglücks­tags. Ich erwartete nicht, daß die Sieger in der Hize des Kampfs mich schonen würden; ste taten es aber doch und halfen mir schließlich aus meiner sehr unbequemen Lage hinauf auf das Plateau. Man nam mir die Sporen und das Degengehänge, sowie etwas Geld, das aber später zurückgegeben ward; ich verlangte zu dem Oberbefelshaber gefürt zu werden. Man ließ mich einfach los, mir sagend, ich solle zu ihm gehen; ich mußte meinen Weg suchen, so gut es ging.

In der Schlucht, wo der feindliche General sich den Tag über auf­gehalten hatte, fand ich eine bunte Menge von Boeren, Gefangenen, Verwundeten und Sterbenden. Um einen Leichnam stand eine dichte Gruppe. Man eilte sofort auf mich zu und fragte, wer der Tote fei. Ich antwortete: ,, General Colley." Sie wollten es gar nicht glauben. Dr. Tandon, der nach der Flucht unserer Truppen treu bei seinen Ver­wundeten ausgeharrt hatte, lag da mit einem Schuß durch die Brust. Die Boeren hatten beim Sturm auf das Plateau das Genfer Kreuz nicht bemerkt oder nicht beachtet, und in der ersten Hize auf ihn und seinen Gehülfen gefeuert, so daß jezt nur noch ein Arzt, Dr. Mahon, da war, um die vielen Schwerverwundeten zu besorgen.

Nach einigen Schwierigkeiten fand ich Smith, den General der Boeren, stellte ihm vor, daß ich nur als Zeitungs- Berichterstatter die Schlacht mitgemacht habe, und bat, mich ins britische Lager zurückkehren zu lassen. Anfänglich wollte er es nicht erlauben, weil er meinte, Ge neral Joubert werde mich zu sprechen wünschen, allein schließlich gab er mir doch einen Paß, unter der Bedingung, daß ich den folgenden Tag mich wieder stelle.

Ich fand die Boeren durchweg außerordentlich höflich. Ihre Hal­tung war manhaft, one jegliche Spur von Pralerei. Sie schrieben alle und jeder ihren Sieg dem ,, Gotte der Schlachten" zu, der auf Seiten des Rechts sei. Diese Männer sind von einem änlichen Geiste beseelt, wie die schottischen Covenanters; es ist das ein Geist, der die Menschen, und seien es Christen oder Muselmänner, Britten oder Boeren zu hel­denmütigem Kampf und unbezwinglicher Ausdauer befähigt.

Auf dem Weg mit meinen Fürern, die mich aus den Linien der Boeren geleiteten, war ich Zeuge des Boerenangriffs auf die Abteilung Hochländer und Schüzen, welche General Colley am Fuß des Berges zurückgelassen hatte. Es waren 2 Kompagnien; und im Laufe des Morgens war noch eine Schwadron Husaren zu ihnen gestoßen, die Reservemunition eskortiren sollte, des ungünstigen Terrains halber jezt aber absolut keine Dienste leisten konte. Unsere Leute hatten bereits aus dem Lager durch ein Sonnensignal den Befel zum Rückzug er­halten; und so leisteten sie keinen ernsthaften Widerstand. Auf dem Rückzug wurden etwa 20 von ihnen getötet, verwundet oder gefangen. Die Zal würde viel größer gewesen sein, wenn aus unserem Lager nicht mit Kanonen geschossen worden wäre, die zwar aus so großer Entfer­nung dem Feind keinen sonderlichen Schaden tun konten, den Boeren, die vor Artillerie einen großen Respekt haben, aber doch imponirten. Doch ja sie taten Schaden; nur nicht dem Feind, sondern unseren eigenen Leuten. Durch eine schlecht gezielte Bombe wurden 4 oder 5. der unsrigen, wie ich deutlich sah, kampfunfähig gemacht.

Es war fast 6 Uhr abends, als ich unser Lager erreichte, wo ich zu meinem Erstaunen fand, daß kaum einer von denen, die mit mir bis zulezt auf dem Berg ausgehalten hatten, vor mir angekommen. Nur Leute, die vor dem entscheidenden Ansturm die Flucht ergriffen hatten, waren eingetroffen, und diese wußten natürlich wenig zu er zälen. Oberst Bond, der nächste oberste Offizier im Lager nach General Colley, ordnete, sobald er dessen unzweifelhaften Tot von mir erfur, unverzüglich die nötigen Maßregeln zur Sicherung des Lagers an. Eine Parlamentärfahne wurde mit Ambulancen für die Verwundeten ausgeschickt; es war aber schon Nacht, ehe Dr. Babbington, der den Bug fürte, auf dem Berg ankam. Wie nach dem Gefecht am Ingago regnete es die ganze Nacht hindurch in Strömen und die unglücklichen Verwundeten, die an den Abhängen herumlagen, mußten unsagbare Qualen ausgestanden haben. Ja, manche mußten 2 Tage warten, bis Hülfe kam, denn die Verwundeten waren über eine sehr weite Fläche zerstreut und teilweise in Büschen verstedt, wo sie schwer zu finden

waren.

Jezt der Brif ist am 4. März, also 6 Tage nach der Majuba­schlacht geschrieben ist für alle gut gesorgt; Dr. Mac Gahan, der die ganze Nacht auf dem Ingago- Schlachtfeld war, ist von Newcastle herbeigerufen worden.

Den Morgen nach der Schlacht löste ich mein Wort ein und be­gab mich in die Linien der Boeren. Ich wurde sofort in Empfang genommen und zu General Joubert gefürt. Was ich mit ihm ge­sprochen, gehört nicht in den Rahmen dieser Schilderung. Genug- ich erhielt meine unbedingte Freiheit.

In obigem habe ich den Hergang der Schlacht des 26. Februar nach bestem Wissen und können der Warheit gemäß erzält. Der Leser mag die Schlußfolgerungen selbst ziehen. Es kann keinem Zweifel unter­liegen, daß die Position für die Zal der Verteidiger zu ausgedehnt war; allein der Berg ist so hoch, so steil und bildet eine so außerordentliche feste Stellung, daß wir alle, vom General herunter, es einfach für un­

möglich hielten, die Boeren könten ihn ersteigen und uns auf dem Plateau angreifen. Die Boeren gingen ganz metodisch zu Werke; sie fletterten langsam hinauf, sich immer sammelnd, bis sie uns überraschten. Als ihr General merkte, daß das Langs Neck- Lager durch uns nicht bedrot war, zog er seine Hauptmacht heran, sodaß die Angreifer im entscheidenden Moment uns der Zal nach ebenso überlegen waren, wie durch ihr Feuer, mit dem das unsrige sich an Präzision auch nicht an­nähernd messen konte.

Gegen den Schluß hin waren unsere Leute um unsere Flanken be­sorgt. Die Schwierigkeit zu zielen machte unser Feuer unſtät; jeder wußte, daß, wenn er nur einen Moment ungedeckt war, der sichere Tod ihn erwartete. Zum eigentlichen Handgemenge kam es nicht. Die besten Kampftugenden des englischen Soldaten kamen nicht richtig ins Spiel. Daß uns die Munition ausgegangen sei, ist eine Fabel; wir feuerten bis zulezt, und die Soldaten brachten noch Munition ins Lager zurück. Ein Nachteil für uns war, daß die Truppen aus verschiedenen Regimentern genommen und nicht von ihren eigenen Offizieren kom­mandirt waren. Dies hatte einen Mangel an Zusammenhalt im Ge­folge, der unsere Chancen stark verminderte. Es war, weil viel Offiziere und Soldaten sich nicht kanten, schwierig, die Leute an die bedroten Punkte zu bringen. Man hat von Bajonnettangriff geredet- ich habe feinen gesehen und keiner der Offiziere weiß etwas von einem. General Colley hatte unzweifelhaft die Absicht, einen Bajonnettangriff zu machen, allein ehe der ihm günstig erscheinende Moment gekommen war, hatten die Boeren uns in der Flanke gepackt und hatten wir den Berg ver loren.

*

*

*

Dies die Schilderung des englischen Offiziers. Seine am Schluß ausgesprochene Meinung, die Niederlage wäre nicht erfolgt, wenn die englischen Soldaten nicht so buntscheckig zusammengesezt gewesen wären, und wenn General Colley rechtzeitig mit dem Bajonnett hätte angreifen lassen, ist nur ein schwacher Versuch, die ,, militärische Ehre" zu retten. Auf einer so kleinen Fläche konte es durchaus nichts schaden, daß die Truppen verschiedenen Regimentern angehörten, und die Aufgabe, welche den Soldaten oblag, war so deutlich durch die Verhältnisse vorgezeichnet, daß aus der geringen Bekantschaft der Soldaten mit den Offizieren feine Misverständnisse erwachsen fonten. Was nun den Bajonnettan­griff betrifft, so hätten die Boeren, die selbst keine Bajonnette haben, einem solchen allerdings nicht Stand halten können; aber sie hätten es auch gar nicht darauf ankommen lassen. Weit beweglicher als die Eng­länder wären sie einfach ausgeschwärmt und hätten die Angreifer zu­sammengeschossen. Das sah General Colley warscheinlich ein, und darum unterlies er den Befel zu einem Bajonnetangriff. Ist doch überhaupt das Bajonnett heutzutage wesentlich ein überwundener Standpunkt. Jm lezten deutsch - französischen Krieg kam den Aerzten nicht eine einzige Bajonnettwunde vor.

"

Die ,, besten Kampftugenden" des britischen Soldaten, d. h. das Pluck, die Bulldoggennatur, mit der er draufget" und sich in den Feind ,, verbeißt", können bei der neuen Kampfweise mit Schnellfeuer und Präzisionswaffe nur selten zur Geltung kommen, und würden den Boeren gegenüber gar nichts gefruchtet haben, da diese nicht minder ,, Plucky" sind und überdies durchschnittlich an Körperkraft, Gewantheit und Ausdauer den englischen Soldaten überlegen.

Diese Ueberlegenheit, verbunden mit der unvergleichlichen Hand­habung der Schußwaffen und dem Bewußtsein des Rechts, hat den Boeren den Sieg und der Welt das sehr lehrreiche Schauspiel gegeben, daß ein Volksheer, aus tüchtigen Elementen zusammengesezt und wo sie nicht sind, kann eine zweckmäßige Voltserziehung sie heranbilden einem gedrillten Berufsheer gewachsen, ja überlegen ist.

"

-

-

Aber es waren ja nur Engländer" die besiegt wurden, denkt viel­leicht der eine oder der andere.

Es ist war, die englische Armeeorganisation taugt nicht viel und ist mit Recht in Miskredit gekommen. Das Armeematerial ist aber vorzüglich und der englische Soldat von keinem anderen in der Welt an Bähigkeit und Mut übertroffen, von wenigen erreicht

Anderen Soldaten wäre es auf dem Majuba nicht besser er­

gangen. Es gibt aber in keiner Armee Soldaten, die so gut mit der Büchse umzugehen und so geübte Atleten sind, wie die Boeren. Eigen­schaften, die nicht in der Kaserne und auf dem Ererzierplaz erworben werden können, wol aber bei zweckmäßiger Volkserziehung von jedem Kind, Jüngling und Mann.

Harmlose Plaudereien und Geschichten.

-

Friedensjubel und Kriegsenttäuschung.)

-

( II. Spaziergang nach Paris . Ein Spaziergang nach Paris über die Schlachtfelder von Weißenburg und Wörth, durch die Vogesen hindurch bei Pfalzburg und Toul vorbei, bei deren Cernirung und Beschießung wir es zu einigen Toten und Verwundeten brachten, mit einem erklecklichen Umweg nach Sedan zu, wo wir bei dem berühmten großen Schlachten nebst glor­reichem Kaiserfang fein ruhig in der Reserve lagen, dann zurück nach Rheims und von da auf dem möglich fürzesten Wege dicht an das Herz von Frankreich heran, das war, in allerflüchtigsten Strichen

-