Die Avene Boll

Illustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volk.

No 34.

Erscheint wöchentlich.

-

-

In Heften à 30 Pfennig.

Preis vierteljärlich 1 Mart 20 Pfennig. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter.

Herschen oder dienen?

Roman von. Kautsky  .

Alfred war an das Fenster getreten und seine Augen starrten hinaus, über die im Sonnenschein erglänzenden, träge dahin ziehenden Fluten des Kanals.

-

Er suchte seine Erregung zu meistern, aber Gedanken stiegen in ihm auf, die ihn zu einem Entschluß zu drängen schienen. Und wenn ich nun doch ginge? sie hat ihr Kind, sie wird's er­tragen sie wird's vielleicht sogar billigen, wenn ich ihr nur Geld zurücklasse!- Und sie würde sich nimmer so plagen müssen. Und wenn ich dann mit einigem Vermögen wiederkehre, und ihr und unserem Kinde ein behagliches Dasein schaffen kann, so wird sie den Entschluß noch segnen. Er blickte zu ihr hinüber. Soll ich es vorbringen, soll ich es ihr sagen? Er wendete sich ihr entgegen. Sie sah auf; sie fülte, daß er ein Wort der Ver­sönung sprechen wollte, und in freudiger Bewegung, in sich nie verleugnender Gutherzigkeit wollte sie ihm zuvorkommen. Sie legte das Kind beiseite, und an ihn herankommend, schmiegte sie sich mit einer fast leidenschaftlichen Zärtlichkeit an seine Bruſt.

Habe Geduld mit mir, Alfred; es ist war, ich verstehe nicht immer deine Gedanken, ich weiß so oft nicht, ob ein Ja, ob ein Nein aus meinem Munde dir willkommen wäre, aber ich liebe dich so unendlich, und ich fül's immer deutlicher, Alfred, ich könte nicht mehr leben one dich und one deine Liebe." Sie umschlang ihn mit beiden Armen.

Und wenn eine furze, eine nur zeitweilige Trennung geboten wäre, Marie?" fragte er vorsichtig.

Sie erbebte in seinem Arm und in jähem Schreck sah sie zu ihm empor.

Eine Trennung," lispelte sie, eine Trennung!" Die er­blaßten Lippen preßten sich wie im Krampf zusammen, die ganze zarte Gestalt zitterte.

Er fülte, wie tief das gegangen, wie sie im Innersten davon getroffen war.

,, Nein," sagte er rasch ,,, beruhige dich, es war ein Wort one Bedeutung, ein zufällig hingeworfenes Wort, beruhige dich- ich bleibe bei dir."

Sie erfaßte seine Hände und küßte sie, wie im heißen Danke, wieder und immer wieder.

Ich weiß es ja, du köntest so etwas nicht wirklich denken, du töntest nicht so grausam sein; du bist gut und hast deine Marie doch auch gerne; und wenn du auch eine gescheitere Frau hättest haben können, so könte es doch keine geben, die dich mehr lieb hätte, als ich." Sie lächelte und er schob sie sanft von sich.

1881.

( 7. Fortsezung.)

Ich weiß das, aber du sollst nicht meine Hand küssen, es ist die Huldigung einer Sklavin."

,, Laß mich deine Sklavin sein; und bist du nicht mein Herr, mein alles?"

"

Er küßte sie auf die Stirn, gleichsam zur weiteren Beruhigung, und sagte dann halb unmutig, halb lachend: Nun ja, ja, aber zwei so alte Eheleute, wie wir sind, machen sich doch keine Ge­ständnisse mehr." Er- tat einige Gänge im Zimmer auf und nieder, dann näherte er sich wieder seiner Frau, und in ruhig gelassenem Ton bemerkte er: ,, Elvira hat morgen ihr erstes Auf­treten, du wirst sie sehen wollen."

,, Sehr gern, Alfred, aber wenn du es nicht wünschest-" ,, Und warum sollte ich es nicht wünschen? Im Gegenteil, ich wünsche, daß du Zeuge der Triumphe seiest, die deine Schwester morgen feiern wird."

,, Aber das Kind, ich kann es doch nicht allein lassen." Domenika wird darüber wachen."

,, Sie ist unverläßlich, und auf so viele Stunden möchte ich ihr die Kleine nicht anvertrauen."

,, Elvira hat uns eine Loge angewiesen, du wirst also kommen und gehen können, wenn es dir beliebt."

,, Eine Loge!" rief Marie und sie errötete ein wenig. Ich soll in einer Loge sizen? Aber, da wird man von allen gesehen und betrachtet," fügte sie verschämt hinzu.

Alfred lächelte. Nun, ich denke, du kanst dich immerhin sehen und betrachten lassen; mache dich nur ein wenig hübsch, hörst du Marie? Ich will es, daß du an diesem Abend hübsch seieſt."

Er entfernte sich hierauf und ließ die arme Frau in einiger Verwirrung zurück.

Kaum eine Stunde später legte eine Gondel an den Stufen des Palastes an.

Eine hohe, schlanke Männergestalt verließ das Farzeug und sprang über die Treppen nach dem zweiten Gelasse empor. Von Domenika gefürt, aber unangemeldet, trat der Fremde in das Wongemach, und mit einem Freudenausruf, und fast wie im Ueber­fall, schloß er die junge Frau in seine Ärme.

Friz Berger, will­

,, Marie," rief er ,,, teure, liebe Marie!" Sie wand sich errötend aus seinen Armen. kommen, willkommen!" Sie streckte ihm ihre Hände entgegen. Er erfaßte sie, und lachend, in stammelnder Freude schüttelte er diese Hände und zog sie näher und ganz nahe.